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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Geschick. Die Auflösung erschien also hier um so mehr als ein Act roher Gewalt.
Endlich repräsentirt jede andere Kammer doch nur einen sehr geringen Bruchtheil
der deutschen Nation; in Preußen handelt es sich aber um einen Staat und um
ein Volk, in dem auch intensiv die eigentliche Macht Deutschlands ruht.

Alles dies zusammeugrnvmmen, fallen die Kammerauflösungen unter zwei Ge¬
sichtspunkte. Einmal wollen die Regierungen zwei Monate frei haben, um 1) ihre
militärischen Maßregeln zur Beruhigung des Volks ungestört fortsetzen zu können,
um 2) dem Versuch, von Seiten der Nation ans die Reichsverfassung zu begrün¬
den, nach Belieben ein Ende zu machen, um endlich 3) die dänische Frage ohne
ständische Dazwischenkunft zu erledigen. Ob gegen die Frankfurter Nationalver¬
sammlung ein Gewaltschritt im Werke ist, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt wer¬
den, es wird das theils von dem Verhalten der Paulskirche, theils von den Er¬
folgen der östreichisch - russischen Waffen in Ungarn abhängen. Daß die Fäden
des fürstlichen Einverständnisses in Olmütz und weiterhin in Se. Petersburg zu¬
sammenlaufen, kann nicht länger in Zweifel gestellt werden. Hat man doch in
Berlin das bisherige Organ der preußisch - deutschen Partei, die deutsche Reform,
dem östreichischen Gesandten, der bei der Bekehrung des Potsdamer Hofes die
thätigste Rolle gespielt hat, Ritter v. Prokesch-Osten verkauft, und läßt also
das eigentliche Blatt der ministeriellen Partei durch einen Diplomaten aus der
Schule Metternichts iuflueuziren. Auch darüber ist kein Zweifel, daß die Fürsten
vollkommen geneigt wären, das deutsche Volk mit einer octroyirten Charte zu be¬
schenken, wenn nur uuter ihnen selbst über diesen Punkt eine Vereinbarung so
leicht wäre. Am liebsten würde man, da man eigentlich in Oestreich wie in Preußen,
höchst uuproductiv ist, da man eigentlich beiderseits nicht weiß, was man will, die
Sacke ruhig gehen lassen, nur mit Unterdrückung aller Parlamente, wenn nicht
die dänische Frage vorläge, wenn nicht für das Reich, in dessen Namen doch bis
dahin der Krieg geführt worden ist, eine Vertretung gefunden werden müßte, die
eine internationale Bedeutung haben muß. So ist der dänische Krieg, so ver¬
kehrt er an sich ist, für die deutsche Sache der letzte Rettungsanker. Gibt sich
Preußen zum zweiten Mal dazu her, uuter den vorwaltenden Umständen einen
schimpflichen Separatfrieden zu schließen, so hat seine letzte Stunde geschlagen.

Der zweite Gesichtspunkt ist nun der. Was soll nach deu zwei Monaten ge¬
schehen, innerhalb welcher die Kammern wieder einberufen werden müssen? Vor¬
aussichtlich wird man innerhalb dieser Frist so viel Sünden an der Nation begehe«,
daß dann eine Volksvertretung der Krone gegenüberstelln wird, erbitterter und
feindseliger als zu den Zeiten der französische« Revolution. Wenn man sich auch
bis jetzt noch nicht den Gedanken klar gemacht hat, so wird man unbedii-igt dar¬
auf hingedrängt werden müssen, dieser Verantwortlichkeit dnrch einen neuen An¬
griff in die Verfassung zu entgehen. Ich glaube gern, daß das Ministerium Bran¬
denburg verblendet genug ist, sich diese Consequenz nicht klar zu machen, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/238>, abgerufen am 24.01.2025.