Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.aus der Freundschaft mit dem einflußreichen Gouverneur auch mancher erhebliche Graf Stadion ist in seinen Formen durchaus nicht beengend und für Jeder¬ Hier muß ich für einen Augenblick diese Skizze unterbrechen, um in wenigen Herr Regierungsrath oder Hofrath Oettl (ich weiß nicht genau, welchen Titel aus der Freundschaft mit dem einflußreichen Gouverneur auch mancher erhebliche Graf Stadion ist in seinen Formen durchaus nicht beengend und für Jeder¬ Hier muß ich für einen Augenblick diese Skizze unterbrechen, um in wenigen Herr Regierungsrath oder Hofrath Oettl (ich weiß nicht genau, welchen Titel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278674"/> <p xml:id="ID_494" prev="#ID_493"> aus der Freundschaft mit dem einflußreichen Gouverneur auch mancher erhebliche<lb/> materielle Vortheil erwuchs.</p><lb/> <p xml:id="ID_495"> Graf Stadion ist in seinen Formen durchaus nicht beengend und für Jeder¬<lb/> mann leicht zugänglich, zumal wenn man es versteht, sich die Gunst seines Lieb¬<lb/> lings und Vertrauten, eines gewissen Regiernngsraths Oettl, zu erwerben. Her¬<lb/> vorheben müssen wir die strenge Rechtlichkeit des Grafen, seine Gewissenhaftigkeit<lb/> in der Geschäftsführung und den eisernen Fleiß, womit er die großen Lücken seiner<lb/> sehr mangelhaften Schulbildung auszufüllen sucht. In seinem Arbeitszimmer in<lb/> Triest waren die Tapeten an den Wänden kaum sichtbar, so war Alles rund um¬<lb/> her mit Landkarten, Plänen ?c. überklebt und mit Büchern überstellt, mit deren<lb/> Studium er jede freie Stunde ausfüllte. Zudem ließ er sich gern durch das ge¬<lb/> sprochene Wort unterrichten, wie ihm denn überhaupt eine Detailkenntniß im<lb/> Administrationswesen nicht abzusprechen ist; nur fehlt ihm ein großes Herz, Gro¬<lb/> ßes zu verstehen, der weite Blick, Großes zu übersehen, und vor Allem die Fülle<lb/> productiver Kraft, welche beim Staatsmann, wie bei allen anderen Staubgeborncn,<lb/> zu schöpferischer Thätigkeit unentbehrlich ist. Seine Fehler als Administrator, als<lb/> Staatsmann, entspringen nicht schlechtem Willen, sondern beschränkter Ansicht, denn<lb/> leider reicht sein Blick nicht über seine Acten hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_496"> Hier muß ich für einen Augenblick diese Skizze unterbrechen, um in wenigen<lb/> Zügen einen Mann zu schildern, dessen Charakteristik auf das Genaueste mit der<lb/> des Grafen Stadion zusammenhängt; das Verständniß des Einen ist ohne das<lb/> Verständniß des Andern nicht denkbar; sie ergänzen sich geistig, wie Mann und<lb/> Frau körperlich. Dieses seltsame Individuum ist der schou oben genannte Oettl,<lb/> eine unbedeutende, mehr breit als hoch entwickelte Figur, von widerwärtigen, fast<lb/> Ekel erregendem Aeußern, die dem Grafen überall folgt, wie der Schatten dem<lb/> Körper, und deshalb auch scherzweise „der Schatten Stations" genannt wird.<lb/> Doch liegt in dieser scherzhaften Benennung eine sehr ernste Wahrheit: Oettl ist<lb/> wirklich der Schatten oder die Schattenseite Stations! Ein wahrhaft freisinniger,<lb/> großartiger Mann würde eine solche schmiegsame Sklaveunatur wie Oettl, höch¬<lb/> stens zur Abwechslung einmal mit Füßen treten, und Stadion — schenkt ihm<lb/> sein Vertrauen!</p><lb/> <p xml:id="ID_497" next="#ID_498"> Herr Regierungsrath oder Hofrath Oettl (ich weiß nicht genau, welchen Titel<lb/> man ihm gegeben) ist seines Ursprungs ein Tvroler; doch will ich auch dieses<lb/> nicht verbürgen, denn es hält schwer, anzunehmen, daß ein solcher Charakter sich<lb/> in frischer Bergluft entwickelt habe. Gewiß ist, daß er, ehe Stadion ihn kennen<lb/> lernte, in einer vornehmen Familie Tyrols als Hofmeister fungirte. Er wußte<lb/> so schweifwedelnd des Grasen Gunst zu erkriechen, daß dieser ihn mit sich nach<lb/> Triest nahm und ihm bald eine gewisse Kammerdiencrherrschaft über sich einräumte.<lb/> In kurzer Zeit sprach und schrieb Oettl genau wie sein gräflicher Herr, so daß<lb/> es damals schwer war und heute unmöglich ist, den Satzbau und die Handschrift</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
aus der Freundschaft mit dem einflußreichen Gouverneur auch mancher erhebliche
materielle Vortheil erwuchs.
Graf Stadion ist in seinen Formen durchaus nicht beengend und für Jeder¬
mann leicht zugänglich, zumal wenn man es versteht, sich die Gunst seines Lieb¬
lings und Vertrauten, eines gewissen Regiernngsraths Oettl, zu erwerben. Her¬
vorheben müssen wir die strenge Rechtlichkeit des Grafen, seine Gewissenhaftigkeit
in der Geschäftsführung und den eisernen Fleiß, womit er die großen Lücken seiner
sehr mangelhaften Schulbildung auszufüllen sucht. In seinem Arbeitszimmer in
Triest waren die Tapeten an den Wänden kaum sichtbar, so war Alles rund um¬
her mit Landkarten, Plänen ?c. überklebt und mit Büchern überstellt, mit deren
Studium er jede freie Stunde ausfüllte. Zudem ließ er sich gern durch das ge¬
sprochene Wort unterrichten, wie ihm denn überhaupt eine Detailkenntniß im
Administrationswesen nicht abzusprechen ist; nur fehlt ihm ein großes Herz, Gro¬
ßes zu verstehen, der weite Blick, Großes zu übersehen, und vor Allem die Fülle
productiver Kraft, welche beim Staatsmann, wie bei allen anderen Staubgeborncn,
zu schöpferischer Thätigkeit unentbehrlich ist. Seine Fehler als Administrator, als
Staatsmann, entspringen nicht schlechtem Willen, sondern beschränkter Ansicht, denn
leider reicht sein Blick nicht über seine Acten hinaus.
Hier muß ich für einen Augenblick diese Skizze unterbrechen, um in wenigen
Zügen einen Mann zu schildern, dessen Charakteristik auf das Genaueste mit der
des Grafen Stadion zusammenhängt; das Verständniß des Einen ist ohne das
Verständniß des Andern nicht denkbar; sie ergänzen sich geistig, wie Mann und
Frau körperlich. Dieses seltsame Individuum ist der schou oben genannte Oettl,
eine unbedeutende, mehr breit als hoch entwickelte Figur, von widerwärtigen, fast
Ekel erregendem Aeußern, die dem Grafen überall folgt, wie der Schatten dem
Körper, und deshalb auch scherzweise „der Schatten Stations" genannt wird.
Doch liegt in dieser scherzhaften Benennung eine sehr ernste Wahrheit: Oettl ist
wirklich der Schatten oder die Schattenseite Stations! Ein wahrhaft freisinniger,
großartiger Mann würde eine solche schmiegsame Sklaveunatur wie Oettl, höch¬
stens zur Abwechslung einmal mit Füßen treten, und Stadion — schenkt ihm
sein Vertrauen!
Herr Regierungsrath oder Hofrath Oettl (ich weiß nicht genau, welchen Titel
man ihm gegeben) ist seines Ursprungs ein Tvroler; doch will ich auch dieses
nicht verbürgen, denn es hält schwer, anzunehmen, daß ein solcher Charakter sich
in frischer Bergluft entwickelt habe. Gewiß ist, daß er, ehe Stadion ihn kennen
lernte, in einer vornehmen Familie Tyrols als Hofmeister fungirte. Er wußte
so schweifwedelnd des Grasen Gunst zu erkriechen, daß dieser ihn mit sich nach
Triest nahm und ihm bald eine gewisse Kammerdiencrherrschaft über sich einräumte.
In kurzer Zeit sprach und schrieb Oettl genau wie sein gräflicher Herr, so daß
es damals schwer war und heute unmöglich ist, den Satzbau und die Handschrift
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