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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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den verzweifelte" Bräutigam zu trösten, und es kann nun geheirathet werden.

Der Inhalt der Sylphide ist ähnlich. Ein Hochländer will eben eine
Clansverwandte heirathen, aber im Traum erscheint ihm eine Sylphide, ein
Frauenzimmer mit Flügeln, thut schön mit ihm und gewinnt sein Herz. Als
darauf die Hochzeitstänze gefeiert werden, springt sie bald zum Fenster herein,
bald durch deu Kamin, bald öffnet sich die Wand, bald der Fußboden, überall
tanzt sie zwischen das Brautpaar, nnr dem Geliebten sichtbar, welchen Umstand
das Publicum freilich erst aus dem Textbuch erfährt. Zuletzt entführt sie ihn,
und der verlassenen Braut bleibt nichts anderes übrig, als zuerst in Ohnmacht
zu falle" und dann einen andern zu heirathen, einen alten getreuen Anbeter.

Mittlerweile ist der Ungetreue ins Land der Sylphiden gekommen, die höchst
graciös von Baum zu Baum huschen, oder auch geradezu in den Lüften schweben.
Das gibt zu deu anmuthigsten Tänzen Veranlassung, doch ist es für die Liebes-
gluth unsers wackern Hochländers unbequem, daß die flüchtige Schöne ihm fort¬
während entschlüpft. Eine Hexe verspricht ihm zu helfe", sie gibt ihm einen
rosafarbigen Schleier, damit soll er sie fange" und festbinden, dan" höre ihre
Flüchtigkeit auf. Die garstige Vettel hat arge Absichten dabei, sie will sich wegen
früherer Schläge rächen. Gesagt, gethan; er breitet den Schleier aus, die neu¬
gierige Tochter der Lust flattert daran herum, bis sie gefangen wird. Er knüpft
den Knoten fest um ihre Brust, sie sieht ihn kummervoll an, die Flügel fallen
ihr aus, sie macht noch einige zierliche Pas und stirbt dann. Aus Blumen wird
sie vou ihren Gespielen in die Lüfte entführt, und da eben der Hochzeitzug vor¬
übergeht, in welchem die verlassene Braut von ihrem neuen Bräutigam heimge¬
führt wird, so hat der ungetreue Schotte uach beide" Seiten hin das nachsehn.

Leider habe ich die Esmeralda -- nach Victor Hugo's l^vllo D-mio no
l'in'is bearbeitet -- und die darin auftretende Ziege Lucilcns nicht sehen können.
Statt dessen schildere ich Ihnen zum Schlüsse ein neues Ballet, welches eigens
für Lucile Grahn gedichtet ist und ihrem Charakter auch weit mehr entspricht, als
diese allzu luftige Elfeuwirthschaft: Katharina oder die Tochter des Banditen.
Ein Maler -- Salvator Rosa nennt ihn der Theaterzettel -- schweift in den
Apenninen umher, die Gegend zu zeichnen. Er wird dabei vou Räuber" über¬
fallen, seines Geldes beraubt und gebunden; die Zeichnungen wirst das rohe
Gesinde! verächtlich auf den Boden. Da kommt die Königin dieser wilden Schaar
vom Gebirge herüber, aufgeschürzt, den Stutzer-im Arm, deu Filzhut mit der
rothen Feder keck aufgesetzt. Man zeigt ihr die Cartons und sie wird davon so
überrascht, daß sie den Gefangenen freigibt. Er aber, wie billig, verliebt sich
sofort in sie, und bleibt. Es kommen darauf noch einige 20 bis 30 Amazonen,
mit denen zur Belustigung des geehrten Gastes verschiedene militärische Evolutio¬
nen ausgeführt werden. In diesen angenehmen Beschäftigungen^ die nnr zuweilen
durch die Eifersucht des Räuberleutnants auf den Fremden., und den von Zeit


den verzweifelte» Bräutigam zu trösten, und es kann nun geheirathet werden.

Der Inhalt der Sylphide ist ähnlich. Ein Hochländer will eben eine
Clansverwandte heirathen, aber im Traum erscheint ihm eine Sylphide, ein
Frauenzimmer mit Flügeln, thut schön mit ihm und gewinnt sein Herz. Als
darauf die Hochzeitstänze gefeiert werden, springt sie bald zum Fenster herein,
bald durch deu Kamin, bald öffnet sich die Wand, bald der Fußboden, überall
tanzt sie zwischen das Brautpaar, nnr dem Geliebten sichtbar, welchen Umstand
das Publicum freilich erst aus dem Textbuch erfährt. Zuletzt entführt sie ihn,
und der verlassenen Braut bleibt nichts anderes übrig, als zuerst in Ohnmacht
zu falle» und dann einen andern zu heirathen, einen alten getreuen Anbeter.

Mittlerweile ist der Ungetreue ins Land der Sylphiden gekommen, die höchst
graciös von Baum zu Baum huschen, oder auch geradezu in den Lüften schweben.
Das gibt zu deu anmuthigsten Tänzen Veranlassung, doch ist es für die Liebes-
gluth unsers wackern Hochländers unbequem, daß die flüchtige Schöne ihm fort¬
während entschlüpft. Eine Hexe verspricht ihm zu helfe», sie gibt ihm einen
rosafarbigen Schleier, damit soll er sie fange» und festbinden, dan» höre ihre
Flüchtigkeit auf. Die garstige Vettel hat arge Absichten dabei, sie will sich wegen
früherer Schläge rächen. Gesagt, gethan; er breitet den Schleier aus, die neu¬
gierige Tochter der Lust flattert daran herum, bis sie gefangen wird. Er knüpft
den Knoten fest um ihre Brust, sie sieht ihn kummervoll an, die Flügel fallen
ihr aus, sie macht noch einige zierliche Pas und stirbt dann. Aus Blumen wird
sie vou ihren Gespielen in die Lüfte entführt, und da eben der Hochzeitzug vor¬
übergeht, in welchem die verlassene Braut von ihrem neuen Bräutigam heimge¬
führt wird, so hat der ungetreue Schotte uach beide» Seiten hin das nachsehn.

Leider habe ich die Esmeralda — nach Victor Hugo's l^vllo D-mio no
l'in'is bearbeitet — und die darin auftretende Ziege Lucilcns nicht sehen können.
Statt dessen schildere ich Ihnen zum Schlüsse ein neues Ballet, welches eigens
für Lucile Grahn gedichtet ist und ihrem Charakter auch weit mehr entspricht, als
diese allzu luftige Elfeuwirthschaft: Katharina oder die Tochter des Banditen.
Ein Maler — Salvator Rosa nennt ihn der Theaterzettel — schweift in den
Apenninen umher, die Gegend zu zeichnen. Er wird dabei vou Räuber» über¬
fallen, seines Geldes beraubt und gebunden; die Zeichnungen wirst das rohe
Gesinde! verächtlich auf den Boden. Da kommt die Königin dieser wilden Schaar
vom Gebirge herüber, aufgeschürzt, den Stutzer-im Arm, deu Filzhut mit der
rothen Feder keck aufgesetzt. Man zeigt ihr die Cartons und sie wird davon so
überrascht, daß sie den Gefangenen freigibt. Er aber, wie billig, verliebt sich
sofort in sie, und bleibt. Es kommen darauf noch einige 20 bis 30 Amazonen,
mit denen zur Belustigung des geehrten Gastes verschiedene militärische Evolutio¬
nen ausgeführt werden. In diesen angenehmen Beschäftigungen^ die nnr zuweilen
durch die Eifersucht des Räuberleutnants auf den Fremden., und den von Zeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/156>, abgerufen am 15.01.2025.