Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.bedingten Gewalt ist -- ihre Geltung. -- "Keine Macht der Erde soll je¬ Zweitens. Die Souveränität, d. h. die schrankenlose Gewalt, wird hier einem Eine andere Wendung hat unsere äußerste. Linke, die Waldeck'sche Partei, in 2"
bedingten Gewalt ist — ihre Geltung. — „Keine Macht der Erde soll je¬ Zweitens. Die Souveränität, d. h. die schrankenlose Gewalt, wird hier einem Eine andere Wendung hat unsere äußerste. Linke, die Waldeck'sche Partei, in 2"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278525"/> <p xml:id="ID_37" prev="#ID_36"> bedingten Gewalt ist — ihre Geltung. — „Keine Macht der Erde soll je¬<lb/> mals u. s. w." Es ist ans beiden Seiten das nämliche.</p><lb/> <p xml:id="ID_38"> Zweitens. Die Souveränität, d. h. die schrankenlose Gewalt, wird hier einem<lb/> Begriff vindicirt, der sich aus Erden gar nicht darstellen läßt. Es gibt wohl sehr<lb/> viel Volk, aber das Volk als moralische Person, eines Willens und einer Macht¬<lb/> äußerung sähig, ist nur ein Gedankending. Darum ist an sich die Idee der Volks¬<lb/> souveränität illusorisch, denn sie läßt sich nicht darstellen; sie ist aber gefährlich,<lb/> denn eben darum verbindet jeder Einzelne eine Vorstellung damit, die gerade in<lb/> seine Absichten paßt. „Das Volk will es!" rief die Linke im Berliner Schau¬<lb/> spielhaus, als der aufgeregte Pöbel auf dem Gensdarmenmarkt heulte; „das Volk<lb/> will es!" rief der König von Neapel, als er mit Hilfe der souveränen Lazaroni<lb/> die Liberalen niedermetzeln ließ. Die rohste Auffassung der Volkssouveränität ist<lb/> auch die consequenteste: — das Recht der Fäuste, wobei es denn freilich curios klingt,<lb/> wenn jetzt noch Hr. v. Kirchmann auf das Recht der Revolution pocht, nach¬<lb/> dem sie besiegt worden. Das Recht der Revolution heißt gerade soviel, als wenn<lb/> ein Junge, der eiuen andern früher häufig geprügelt hat, weil er ihm überlegen<lb/> war, später, nachdem sich das Verhältniß der Kräfte gewechselt hat, als Recht<lb/> beansprucht, ihn noch weiter zu prügeln. Als das sogenannte Vorparlament zu¬<lb/> sammenkam — Süddeutsche und Rheinische do»i Komines, von denen jeder Ein¬<lb/> zelne versicherte, er fühle in sich deu Beruf, die Stimmen des gesammten deutschen<lb/> Volkes auszudrücken — und sür seine Beschlüsse souveräne Geltung verlangte, so<lb/> war das zwar frech, denn es trat alle staatliche und sittliche Ordnung mit Füßen<lb/> — aber da wenigstens dem Anschein nach alle sonstige Gewalt unter der Wucht<lb/> der Ereignisse zusammengebrochen war, so hätte eS möglich sein können, auf diesem<lb/> unregelmäßigen Wege zu einer vernünftigen Gestaltung der Dinge zu kommen.<lb/> Jetzt aber, nachdem es sich gezeigt hat, daß diese Gewalten noch bestehn, jetzt ans<lb/> die Erklärung jeues Parlaments, daß sie und die daraus entsprungene Versamm¬<lb/> lung souverän sei, als auf ein Recht pochen, ist das Uebermaß der Absurdität.</p><lb/> <p xml:id="ID_39" next="#ID_40"> Eine andere Wendung hat unsere äußerste. Linke, die Waldeck'sche Partei, in<lb/> dieser Souveränitätsfrage genommen. Es handelte sich um die Anerkennung der<lb/> Verfassung vom 5. December. Die Rechte fragt: wenn ihr diese Verfassung, kraft<lb/> deren allein ihr seid, was ihr seid, Abgeordnete des Volks, nicht anerkennt, in<lb/> welcher Eigenschaft befindet ihr euch eigentlich hier? Darauf replicirte jene Partei:<lb/> was die Danaer uns geschenkt haben, wollen wir nicht, wir brauchen es aber<lb/> auch nicht; von jener Verfassung hat nnr Eines für uns Giltigkeit, die Urwahlcu;<lb/> diese sind uns aber nicht von der Regierung octroyirt, sie sind ein eingebornes<lb/> Menschenrecht, verkümmert von Tyrannenhändcn, wieder erobert in dem heiligen<lb/> Kampf der Barrikaden. Wir sind hier, kraft der Urwähler, als Vertreter der<lb/> Souveränität des Volks, und kraft derselben haben wir allein zu entscheiden,<lb/> was für Vollmachten wir uns beilegen wollen. — Die Verwechselung der natur-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 2"</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
bedingten Gewalt ist — ihre Geltung. — „Keine Macht der Erde soll je¬
mals u. s. w." Es ist ans beiden Seiten das nämliche.
Zweitens. Die Souveränität, d. h. die schrankenlose Gewalt, wird hier einem
Begriff vindicirt, der sich aus Erden gar nicht darstellen läßt. Es gibt wohl sehr
viel Volk, aber das Volk als moralische Person, eines Willens und einer Macht¬
äußerung sähig, ist nur ein Gedankending. Darum ist an sich die Idee der Volks¬
souveränität illusorisch, denn sie läßt sich nicht darstellen; sie ist aber gefährlich,
denn eben darum verbindet jeder Einzelne eine Vorstellung damit, die gerade in
seine Absichten paßt. „Das Volk will es!" rief die Linke im Berliner Schau¬
spielhaus, als der aufgeregte Pöbel auf dem Gensdarmenmarkt heulte; „das Volk
will es!" rief der König von Neapel, als er mit Hilfe der souveränen Lazaroni
die Liberalen niedermetzeln ließ. Die rohste Auffassung der Volkssouveränität ist
auch die consequenteste: — das Recht der Fäuste, wobei es denn freilich curios klingt,
wenn jetzt noch Hr. v. Kirchmann auf das Recht der Revolution pocht, nach¬
dem sie besiegt worden. Das Recht der Revolution heißt gerade soviel, als wenn
ein Junge, der eiuen andern früher häufig geprügelt hat, weil er ihm überlegen
war, später, nachdem sich das Verhältniß der Kräfte gewechselt hat, als Recht
beansprucht, ihn noch weiter zu prügeln. Als das sogenannte Vorparlament zu¬
sammenkam — Süddeutsche und Rheinische do»i Komines, von denen jeder Ein¬
zelne versicherte, er fühle in sich deu Beruf, die Stimmen des gesammten deutschen
Volkes auszudrücken — und sür seine Beschlüsse souveräne Geltung verlangte, so
war das zwar frech, denn es trat alle staatliche und sittliche Ordnung mit Füßen
— aber da wenigstens dem Anschein nach alle sonstige Gewalt unter der Wucht
der Ereignisse zusammengebrochen war, so hätte eS möglich sein können, auf diesem
unregelmäßigen Wege zu einer vernünftigen Gestaltung der Dinge zu kommen.
Jetzt aber, nachdem es sich gezeigt hat, daß diese Gewalten noch bestehn, jetzt ans
die Erklärung jeues Parlaments, daß sie und die daraus entsprungene Versamm¬
lung souverän sei, als auf ein Recht pochen, ist das Uebermaß der Absurdität.
Eine andere Wendung hat unsere äußerste. Linke, die Waldeck'sche Partei, in
dieser Souveränitätsfrage genommen. Es handelte sich um die Anerkennung der
Verfassung vom 5. December. Die Rechte fragt: wenn ihr diese Verfassung, kraft
deren allein ihr seid, was ihr seid, Abgeordnete des Volks, nicht anerkennt, in
welcher Eigenschaft befindet ihr euch eigentlich hier? Darauf replicirte jene Partei:
was die Danaer uns geschenkt haben, wollen wir nicht, wir brauchen es aber
auch nicht; von jener Verfassung hat nnr Eines für uns Giltigkeit, die Urwahlcu;
diese sind uns aber nicht von der Regierung octroyirt, sie sind ein eingebornes
Menschenrecht, verkümmert von Tyrannenhändcn, wieder erobert in dem heiligen
Kampf der Barrikaden. Wir sind hier, kraft der Urwähler, als Vertreter der
Souveränität des Volks, und kraft derselben haben wir allein zu entscheiden,
was für Vollmachten wir uns beilegen wollen. — Die Verwechselung der natur-
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