Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.etwas nicht begreifen könne, und findet dabei wenig Widerspruch; er liebt dann Vorbehaltlich des noch nicht diskutirten, aber im Entwürfe vorgeschlagenen SuSpensiv-
"ceo des Rathes. etwas nicht begreifen könne, und findet dabei wenig Widerspruch; er liebt dann Vorbehaltlich des noch nicht diskutirten, aber im Entwürfe vorgeschlagenen SuSpensiv-
»ceo des Rathes. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278646"/> <p xml:id="ID_400" prev="#ID_399" next="#ID_401"> etwas nicht begreifen könne, und findet dabei wenig Widerspruch; er liebt dann<lb/> wohl, dies ihm Unbegreifliche theologisch oder mystisch zu nennen. Er redigirt<lb/> auch eine Wochenschrift: „Der Volksfreund, Organ für radikale Reform". Dieses<lb/> Blatt leidet oft an Mangel des Ueberflusses am Stoffe und ist dann genöthigt,<lb/> sich durch Excerpte zu ergänzen, z. B. durch Aehrenlesen ans Börne's Schriften.<lb/> Manche meinen nun, es wäre vorzuziehn, lieber gleich den ganzen Börne noch<lb/> einmal abdrucken zu lassen, als diese ewigen Auszüge! Doch die so sprechen sind<lb/> seine Neider. Uebrigens ist das Blatt immer noch besser geschrieben, als manches<lb/> andere hier, jedenfalls steht Löwe in dem Ruf, es ehrlich mit seiner Sache zu<lb/> meinen. Mcirr's Radicalismus kennen Sie aus seinen Schriften, ich freue mich,<lb/> daß er auch etwas auf Toilette gibt, er trägt sein Haar so glatt wie seine Ge¬<lb/> danken kraus sind. Er spricht gern von der Schweizer Verfassung; ob seine Bil¬<lb/> dung gründlich und sein Urtheil sicher ist, das weiß ich nicht, ich verstehe nichts<lb/> von höherer Politik, darüber müssen sie unsern Professor Wiebel fragen. Uebri¬<lb/> gens ist mir Marr der liebste von allen unsern Rednern, seine Reden haben einen<lb/> großen Vorzug, sie sind die kürzesten von allen. Er gibt nebenbei den „Mephisto-<lb/> pheles", ein satyrisch-politisches Blatt, heraus. — Für heute mag eS an diesem<lb/> Kleeblatt genug sein. Was die constituirende Versammlung selbst betrifft, so<lb/> berieth sie die Grundbestimmungen der Verfassung mit einer Langsamkeit, die an<lb/> die schönsten Zeiten des seligen Reichskammcrgerichts lebhaft erinnerte. Ueber einen<lb/> einzigen Paragraphen werden 4 bis 5 Stunden lang Reden gehalten, in denen<lb/> 6«- multis rebus et <Ze «zmbusditm alii«. Sachdienliches aber desto weniger gespro¬<lb/> chen wird. Zwanzigmal Dagewesenes wird zum einundzwanzigsten Male wiederholt,<lb/> was der Eine vorgebracht hat, sagt der Andere noch einmal, höchstens mit etwas<lb/> verschiedenen Worten. Ueber jeden Paragraphen wird eine wahre Wasserfluth von<lb/> Amendements geschüttet, die oft das Papier nicht werth sind, ans dem sie geschrieben<lb/> stehen. Bei einem Amendement behauptete Trittan neulich geradezu, er würde es<lb/> nicht vertheidigen, was auch dagegen vorgebracht werden würde, aber er wollte<lb/> die Versammlung zwingen, darüber abzustimmen. Das ist doch ein vernünftiger<lb/> Grund, der sich hören läßt. Es handelte sich um die Initiative des Rathes, die<lb/> Trittan für eine demokratische Todsünde erklärte, nachdem Löwe echt handwerks¬<lb/> gemäß von einer hohen Mauer gesprochen, die man zwischen der Exekutive und<lb/> der Legislative aufführe» müsse. Dabei erinnerte er sich wahrscheinlich von Fried¬<lb/> rich dem Großen und dessen Ausspruch über die Fürsten als Diener des Staates<lb/> gehört zu haben, denn er schrie mit drohend erhobener Stimme: der Rath sei dazu<lb/> da, das auszuführen, was die Bürgerschaft beschlossen, dafür werde er bezahlt, er<lb/> sei also ihr bezahlter Diener und müsse kein Titelchen von Recht mehr haben als</p><lb/> <note xml:id="FID_4" place="foot"> Vorbehaltlich des noch nicht diskutirten, aber im Entwürfe vorgeschlagenen SuSpensiv-<lb/> »ceo des Rathes.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
etwas nicht begreifen könne, und findet dabei wenig Widerspruch; er liebt dann
wohl, dies ihm Unbegreifliche theologisch oder mystisch zu nennen. Er redigirt
auch eine Wochenschrift: „Der Volksfreund, Organ für radikale Reform". Dieses
Blatt leidet oft an Mangel des Ueberflusses am Stoffe und ist dann genöthigt,
sich durch Excerpte zu ergänzen, z. B. durch Aehrenlesen ans Börne's Schriften.
Manche meinen nun, es wäre vorzuziehn, lieber gleich den ganzen Börne noch
einmal abdrucken zu lassen, als diese ewigen Auszüge! Doch die so sprechen sind
seine Neider. Uebrigens ist das Blatt immer noch besser geschrieben, als manches
andere hier, jedenfalls steht Löwe in dem Ruf, es ehrlich mit seiner Sache zu
meinen. Mcirr's Radicalismus kennen Sie aus seinen Schriften, ich freue mich,
daß er auch etwas auf Toilette gibt, er trägt sein Haar so glatt wie seine Ge¬
danken kraus sind. Er spricht gern von der Schweizer Verfassung; ob seine Bil¬
dung gründlich und sein Urtheil sicher ist, das weiß ich nicht, ich verstehe nichts
von höherer Politik, darüber müssen sie unsern Professor Wiebel fragen. Uebri¬
gens ist mir Marr der liebste von allen unsern Rednern, seine Reden haben einen
großen Vorzug, sie sind die kürzesten von allen. Er gibt nebenbei den „Mephisto-
pheles", ein satyrisch-politisches Blatt, heraus. — Für heute mag eS an diesem
Kleeblatt genug sein. Was die constituirende Versammlung selbst betrifft, so
berieth sie die Grundbestimmungen der Verfassung mit einer Langsamkeit, die an
die schönsten Zeiten des seligen Reichskammcrgerichts lebhaft erinnerte. Ueber einen
einzigen Paragraphen werden 4 bis 5 Stunden lang Reden gehalten, in denen
6«- multis rebus et <Ze «zmbusditm alii«. Sachdienliches aber desto weniger gespro¬
chen wird. Zwanzigmal Dagewesenes wird zum einundzwanzigsten Male wiederholt,
was der Eine vorgebracht hat, sagt der Andere noch einmal, höchstens mit etwas
verschiedenen Worten. Ueber jeden Paragraphen wird eine wahre Wasserfluth von
Amendements geschüttet, die oft das Papier nicht werth sind, ans dem sie geschrieben
stehen. Bei einem Amendement behauptete Trittan neulich geradezu, er würde es
nicht vertheidigen, was auch dagegen vorgebracht werden würde, aber er wollte
die Versammlung zwingen, darüber abzustimmen. Das ist doch ein vernünftiger
Grund, der sich hören läßt. Es handelte sich um die Initiative des Rathes, die
Trittan für eine demokratische Todsünde erklärte, nachdem Löwe echt handwerks¬
gemäß von einer hohen Mauer gesprochen, die man zwischen der Exekutive und
der Legislative aufführe» müsse. Dabei erinnerte er sich wahrscheinlich von Fried¬
rich dem Großen und dessen Ausspruch über die Fürsten als Diener des Staates
gehört zu haben, denn er schrie mit drohend erhobener Stimme: der Rath sei dazu
da, das auszuführen, was die Bürgerschaft beschlossen, dafür werde er bezahlt, er
sei also ihr bezahlter Diener und müsse kein Titelchen von Recht mehr haben als
Vorbehaltlich des noch nicht diskutirten, aber im Entwürfe vorgeschlagenen SuSpensiv-
»ceo des Rathes.
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