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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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für Confiscation der Grenzboten mag auch noch in unserer Polizei geschlummert
haben -- kurz sie siud eins der ersten Opfer des neuen Verfahrens gewesen, denn
das 14. Heft ist nicht mehr ausgegeben; nur einige Exemplare die durch Post
kamen, sollen bereits expedirt gewesen sein, als der Befehl kam, was den Post¬
beamten einen strengen Verweis wegen Vernachlässigung des ehrwürdigen vormärz¬
lichen Schlendrians zugezogen haben soll; rei-et-i, tvlvrg.

Sie können sich denken, daß Wien uuter den gegenwärtigen Umständen kein
besonders migenehmer Aufenthalt ist; es ist eine kolossale Lächerlichkeit etwa den
Berliner Belagerungszustand mit dem Wiener gleichstellen zu wollen, wie ich mir
überhaupt vorbehalte, auf die abgeschmackte Parallelisirung östreichischer und preu¬
ßischer Zustände, die namentlich in den radicalen deutschen Blättern eine so große
Rolle spielt, bei Gelegenheit ausführlicher zurückzukommen; indessen gewöhnt man
sich am Ende an Vieles, wenn man es eben nicht ändern kann und es versteht
sich von selbst, daß die Zahl der eigentlichen Schandgesellcn von denen ich sprach, ^
verhältnißmäßig doch immer klein genng ist, daß man ihnen in den meisten Fällen
aus dem Wege gehen kaun, aber freilich muß namentlich einem Deutschen in nar-
libus inlulelium, wie Ihrem Korrespondenten manchmal die Galle überlaufen, wenn
er sie auch mit dreifachem Erze gewappnet hat; Sie finden selten einen Wiener,
der nicht Deutschland als eine natürliche Dependcnzie von Oestreich betrachtet
und ganz entrüstet ist über die Perfidie, die Lächerlichkeit, den Verrath und den
Mangel an historischen Kenntnissen bei der "preußischen Professorenpartci," die
das alles nicht einsehen will. -- Nun man darf Ihnen ja wohl zu dem Klein¬
deutschen Erbkaiser gratuliren? fängt z. B. einer mit halb mitleidiger, halb
spöttischer Miene an, wenn er einen Kleindentschen, von Geburt oder Gesinnung
erspäht. -- Ach nein, ich bin mit dem Titel unzufrieden; er ist in früheren Zeiten
zu sehr diöcreditirt worden. -- Na, glauben Sie mir, lieber Freund, die
Herren Professoren in Frankfurt werden bald einige Saressaner, (die berüchtigten
Rothmäntel) zu fehen bekommen. -- Ja, ich glaube auch, wenn die Ungarn
einige übrig lassen, wäre es eine ganz gute Spekulation, sie für Geld sehen zu
lassen; das würde den Finanzen etwas aufhelfen. Haben Sie schon die letzten
Neuigkeiten aus Ungarn gehört? - Ach, Unsinn, lauter Lügen. Sorvus!
Adieu! Der Sturm ist glücklich abgeschlagen, aber den folgenden Tag fangen
wir es wieder da an, wo wir es heute gelassen haben.

Ich habe keine sonderliche Sympathieen für die ungarische Sache, so sehr ich
das Nationalgefühl und die Tapferkeit der Magyaren anerkenne; ich kann es ihnen
nicht vergessen, daß sie an der blutigen Octoberconfusion hauptsächlich Schuld
waren, und sehe außerdem uicht ab, was bei dem gauzeu Kriege Vernünftiges
herauskommen kann, aber für derartige Konversationen sind sie äußerst nützliche
Bundesgenossen. Auch ist es ein uuleugbareö Verdienst von ihnen, daß sie einem
von den drei großen Feldherrn, mit denen Herr Lassaulx das einige Deutschland


für Confiscation der Grenzboten mag auch noch in unserer Polizei geschlummert
haben — kurz sie siud eins der ersten Opfer des neuen Verfahrens gewesen, denn
das 14. Heft ist nicht mehr ausgegeben; nur einige Exemplare die durch Post
kamen, sollen bereits expedirt gewesen sein, als der Befehl kam, was den Post¬
beamten einen strengen Verweis wegen Vernachlässigung des ehrwürdigen vormärz¬
lichen Schlendrians zugezogen haben soll; rei-et-i, tvlvrg.

Sie können sich denken, daß Wien uuter den gegenwärtigen Umständen kein
besonders migenehmer Aufenthalt ist; es ist eine kolossale Lächerlichkeit etwa den
Berliner Belagerungszustand mit dem Wiener gleichstellen zu wollen, wie ich mir
überhaupt vorbehalte, auf die abgeschmackte Parallelisirung östreichischer und preu¬
ßischer Zustände, die namentlich in den radicalen deutschen Blättern eine so große
Rolle spielt, bei Gelegenheit ausführlicher zurückzukommen; indessen gewöhnt man
sich am Ende an Vieles, wenn man es eben nicht ändern kann und es versteht
sich von selbst, daß die Zahl der eigentlichen Schandgesellcn von denen ich sprach, ^
verhältnißmäßig doch immer klein genng ist, daß man ihnen in den meisten Fällen
aus dem Wege gehen kaun, aber freilich muß namentlich einem Deutschen in nar-
libus inlulelium, wie Ihrem Korrespondenten manchmal die Galle überlaufen, wenn
er sie auch mit dreifachem Erze gewappnet hat; Sie finden selten einen Wiener,
der nicht Deutschland als eine natürliche Dependcnzie von Oestreich betrachtet
und ganz entrüstet ist über die Perfidie, die Lächerlichkeit, den Verrath und den
Mangel an historischen Kenntnissen bei der „preußischen Professorenpartci," die
das alles nicht einsehen will. — Nun man darf Ihnen ja wohl zu dem Klein¬
deutschen Erbkaiser gratuliren? fängt z. B. einer mit halb mitleidiger, halb
spöttischer Miene an, wenn er einen Kleindentschen, von Geburt oder Gesinnung
erspäht. — Ach nein, ich bin mit dem Titel unzufrieden; er ist in früheren Zeiten
zu sehr diöcreditirt worden. — Na, glauben Sie mir, lieber Freund, die
Herren Professoren in Frankfurt werden bald einige Saressaner, (die berüchtigten
Rothmäntel) zu fehen bekommen. — Ja, ich glaube auch, wenn die Ungarn
einige übrig lassen, wäre es eine ganz gute Spekulation, sie für Geld sehen zu
lassen; das würde den Finanzen etwas aufhelfen. Haben Sie schon die letzten
Neuigkeiten aus Ungarn gehört? - Ach, Unsinn, lauter Lügen. Sorvus!
Adieu! Der Sturm ist glücklich abgeschlagen, aber den folgenden Tag fangen
wir es wieder da an, wo wir es heute gelassen haben.

Ich habe keine sonderliche Sympathieen für die ungarische Sache, so sehr ich
das Nationalgefühl und die Tapferkeit der Magyaren anerkenne; ich kann es ihnen
nicht vergessen, daß sie an der blutigen Octoberconfusion hauptsächlich Schuld
waren, und sehe außerdem uicht ab, was bei dem gauzeu Kriege Vernünftiges
herauskommen kann, aber für derartige Konversationen sind sie äußerst nützliche
Bundesgenossen. Auch ist es ein uuleugbareö Verdienst von ihnen, daß sie einem
von den drei großen Feldherrn, mit denen Herr Lassaulx das einige Deutschland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/115>, abgerufen am 15.01.2025.