Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.und fett wurden, unsern Staatsweisen als beim ideal vorzuschweben scheint. Der und fett wurden, unsern Staatsweisen als beim ideal vorzuschweben scheint. Der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278623"/> <p xml:id="ID_349" prev="#ID_348" next="#ID_350"> und fett wurden, unsern Staatsweisen als beim ideal vorzuschweben scheint. Der<lb/> Reichstag ist der Janustempel, riefen die Gutgesinnten, den man schließen muß,<lb/> wenn man Frieden haben will, (gelehrte Citate werden verziehen, wenn sie durch<lb/> die betreffende Confusion unschädlich gemacht sind); der Reichstag ward geschlossen,<lb/> und keine zudringliche Jnterpellation zwingt das Ministerium, mehr, vierzehn lauge<lb/> Tage und schlaflose Nächte viiilxis natis an einer schlecht stylisirten Lüge zu ar¬<lb/> beiten; die octroyirte Verfassung ist auch nicht staatsgefährlich, da sich von selbst<lb/> versteht, daß sie uur für den exceptionellen Zustand einer partiellen und tempo¬<lb/> rären Aufhebung des normalen Belagerungszustandes und für den Fall, daß ihr<lb/> sonst kein Bedenken entgegensteht, Geltung haben kann, und doch wollen nicht<lb/> nur die ungarischen Rebellen sich noch immer uicht einverstanden damit erklären,<lb/> daß sie alle gehängt werden müssen; der lächerlichen deutschen Professoren, die im<lb/> Standrecht uicht die Blüthe menschlicher Cultur sehen wolle», gar nicht zu ge¬<lb/> denken, sondern selbst Wien, das mit einem außerordentlichen Aufwand von schwe¬<lb/> rem Geschütz den übrigen Städten der Monarchie zum Bilde umgeschaffen werden<lb/> sollte, kommt «och immer uicht in das alte Gleis zurück. Die Ruh ist hin, die<lb/> Ruh ist hin, und kehret niemals wieder! Ich meine natürlich uicht die Ruhe auf<lb/> den Straßen, denn die ist mehr als hinlänglich gesichert, sondern die Ruhe, die<lb/> vormals ans Wien das Capra der Geister machte. Ob der jetzige Zustand mit<lb/> der Zeit etwas Besseres daraus macheu wird, will ich uicht entscheiden; genug,<lb/> es ist Alles fortwährend in einer geharnischten, polemischen Stimmung gegen<lb/> wirkliche oder eingebildete Gegner; selbst wo sich noch ein Nest der alten Wiener<lb/> Gemüthlichkeit findet, hat er immer das Gefühl, daß er eine Opposition bekäm¬<lb/> pfen muß, um sich durchzusetzen, und wird darüber sehr ungemüthlich. Sehen<lb/> Sie z. B. den alten dicken Herrn da; er hat eben den letzten Bissen seiner reich¬<lb/> lichen Mahlzeit langsam auf der Zunge zergehen lassen, lehnt sich jetzt mit ver¬<lb/> klärtem Antlitz auf seinen Stuhl zurück, öffnet zu drei Knöpfen seiner weiten<lb/> Weste noch den vierten und will eben seinem Entzücken mit deu Worten Lust<lb/> Machen: Es geht doch nichts über Wiener Mehlspeis — aber halt! sitzt da nicht<lb/> am Ende irgend wo ein verfluchter Radikaler und Wühler versteckt, der das<lb/> nicht glaubt? Der Satan sollt' dem Lausbuben in den Leib fahren! Fünfund¬<lb/> zwanzig müßt' er auf der Stell kriegen und dann gehängt werden! — Kurz,<lb/> was ist zu machen, der Aerger ist da, die Indigestion ist auch da; das verhal¬<lb/> tene Entzücken über die Mehlspeise steigt in den Kopf, den alten gemüthlichen<lb/> Herrn rührt der Schlag und an alle dem ist nur der verfluchte Wühler schuld,<lb/> der seiner erhitzten Imagination vorschwebte. Freilich kommt ein solcher extremer<lb/> Fall selten vor; man hat allerlei Präservative dagegen; mau geht Bvrmittag eine<lb/> Execution zu sehen, oder wenn gerade keine ist, bespricht man die von gestern<lb/> wie einigen Gesinnungsgenossen; Nachmittags denuncirt mau ein wenig, nicht um<lb/> Geld, Gott bewahre! sondern ans reinem Patriotismus und schläft den Schlaf</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
und fett wurden, unsern Staatsweisen als beim ideal vorzuschweben scheint. Der
Reichstag ist der Janustempel, riefen die Gutgesinnten, den man schließen muß,
wenn man Frieden haben will, (gelehrte Citate werden verziehen, wenn sie durch
die betreffende Confusion unschädlich gemacht sind); der Reichstag ward geschlossen,
und keine zudringliche Jnterpellation zwingt das Ministerium, mehr, vierzehn lauge
Tage und schlaflose Nächte viiilxis natis an einer schlecht stylisirten Lüge zu ar¬
beiten; die octroyirte Verfassung ist auch nicht staatsgefährlich, da sich von selbst
versteht, daß sie uur für den exceptionellen Zustand einer partiellen und tempo¬
rären Aufhebung des normalen Belagerungszustandes und für den Fall, daß ihr
sonst kein Bedenken entgegensteht, Geltung haben kann, und doch wollen nicht
nur die ungarischen Rebellen sich noch immer uicht einverstanden damit erklären,
daß sie alle gehängt werden müssen; der lächerlichen deutschen Professoren, die im
Standrecht uicht die Blüthe menschlicher Cultur sehen wolle», gar nicht zu ge¬
denken, sondern selbst Wien, das mit einem außerordentlichen Aufwand von schwe¬
rem Geschütz den übrigen Städten der Monarchie zum Bilde umgeschaffen werden
sollte, kommt «och immer uicht in das alte Gleis zurück. Die Ruh ist hin, die
Ruh ist hin, und kehret niemals wieder! Ich meine natürlich uicht die Ruhe auf
den Straßen, denn die ist mehr als hinlänglich gesichert, sondern die Ruhe, die
vormals ans Wien das Capra der Geister machte. Ob der jetzige Zustand mit
der Zeit etwas Besseres daraus macheu wird, will ich uicht entscheiden; genug,
es ist Alles fortwährend in einer geharnischten, polemischen Stimmung gegen
wirkliche oder eingebildete Gegner; selbst wo sich noch ein Nest der alten Wiener
Gemüthlichkeit findet, hat er immer das Gefühl, daß er eine Opposition bekäm¬
pfen muß, um sich durchzusetzen, und wird darüber sehr ungemüthlich. Sehen
Sie z. B. den alten dicken Herrn da; er hat eben den letzten Bissen seiner reich¬
lichen Mahlzeit langsam auf der Zunge zergehen lassen, lehnt sich jetzt mit ver¬
klärtem Antlitz auf seinen Stuhl zurück, öffnet zu drei Knöpfen seiner weiten
Weste noch den vierten und will eben seinem Entzücken mit deu Worten Lust
Machen: Es geht doch nichts über Wiener Mehlspeis — aber halt! sitzt da nicht
am Ende irgend wo ein verfluchter Radikaler und Wühler versteckt, der das
nicht glaubt? Der Satan sollt' dem Lausbuben in den Leib fahren! Fünfund¬
zwanzig müßt' er auf der Stell kriegen und dann gehängt werden! — Kurz,
was ist zu machen, der Aerger ist da, die Indigestion ist auch da; das verhal¬
tene Entzücken über die Mehlspeise steigt in den Kopf, den alten gemüthlichen
Herrn rührt der Schlag und an alle dem ist nur der verfluchte Wühler schuld,
der seiner erhitzten Imagination vorschwebte. Freilich kommt ein solcher extremer
Fall selten vor; man hat allerlei Präservative dagegen; mau geht Bvrmittag eine
Execution zu sehen, oder wenn gerade keine ist, bespricht man die von gestern
wie einigen Gesinnungsgenossen; Nachmittags denuncirt mau ein wenig, nicht um
Geld, Gott bewahre! sondern ans reinem Patriotismus und schläft den Schlaf
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