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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Gemeinderath. "Der braucht es wahrlich nicht an allen Straßenecken anzuzeigen,
daß er verrückt ist; man weiß das lang genug/' randalirte heute Freund Kurt
vor einem solchen Maueranschlag. Was mag das sein? Besichtigen wir das
"neueste Erzeugniß des Witzes" unserer consol-mei; im November hießen sie:
ni'08Llijlti.

Sie müssen nämlich wissen, im Oktober hatten sich die ehrwürdigen Väter der
Stadt gräulich vergesse"; ein blutjunger Mensch, ja ein geistreicher blutjunger
Mensch stand faktisch an ihrer Spitze; unterstützt von noch drei bis vier männlichen
Mitgliedern, vermochte der Fant das ganze zahlreiche Kollegium in Spartaner zu
verhandeln, d. h. die Väter unterzeichneten mit dem Muthe der Unwissenheit, was
der junge Führer aufgesetzt hatte und ihnen vorlegte. Sie unterzeichnete", denken
Sie nur, gut deutsch und recht muthig geschriebene Absagebriefe an Windischgrätz
und Jellachich. El, ihr würdigen Väter, wie habt ihr euch verjüngt! Wien Volute
ihnen Eichenlaub und die Phantasie fremder Touristen dachte sich jeden Einzelnen
von ihnen als einen neuen Rüdiger v. Stahrcmberg.

Da kam der schaurige November. Da kam der Windischgrätz. Sind das
eure Thaten? herrschte er sie an.

Erinnern Sie sich, wie im Shakespeare Thersites, der Epicicr, die heraus¬
fordernde Frage des Helden Ajax mit den Worten ablehnt: Ich bin ein L--p,
ein L--p, bei mir ist keine Ehre einzulegen u. s. w. ? Shakespeare war ein Pro¬
phet, er errieth den Wiener Gemeinderath.

Windischgrätz begnügte sich damit, dem braven Messeuhauscr und einem Dutzend
anderer Ideologen das Lebenslicht aufzublasen, der ehrwürdigen Körperschaft aber
blos den Spiritus auszutreiben. Der erwähnte junge Mensch") nämlich und die
drei bis vier männlichen Mitglieder wurden aus dem Gemeinderath ausgestoßen.

"Die Pest über dich, weil du mich so erschreckt hast!" flucht Shakespeare's
Thersites dem Helden Ajax nach, als dieser, so gemeine Bente verschmähend, ihm
den Rücken gekehrt hat. Unser "geläuterter" Gemeinderath ist kein falscher Heide
wie Thersites. Obwohl von Vater Melden täglich angedonnert, getreten und in
seinen wohlmeinendsten Vermittlungsversuchen chikanirt, ist er noch immer voll dank^
barer Zerknirschung und denkt nur daran, seine Oktobersünden durch fleißige Pla-
kate gutzumachen, die in so gut östreichischen Deutsch geschrieben sind, daß man
sie für unbeholfene Uebersetzungen aus der noch zu erfindenden Schriftsprache der
neuentdeckten Nation der Nuthenen halten könnte.

In seinem heutigen Maueranschlag ist der Gemeinderath von der oktroyirten
Konstitution entzückt, denn -- er hat darin einen K gefunden, wornach Wien die
Haupt- und Residenzstadt des Kaiserthums ist! Seht ihr, niht er gerührt, also
der Kaiser kommt zurück, der Adel auch, Handel und Gewerbe auch und der Flor



") Er verdankte diese Milde "rücksichtswürdigen Familienverhältnissen."

Gemeinderath. „Der braucht es wahrlich nicht an allen Straßenecken anzuzeigen,
daß er verrückt ist; man weiß das lang genug/' randalirte heute Freund Kurt
vor einem solchen Maueranschlag. Was mag das sein? Besichtigen wir das
„neueste Erzeugniß des Witzes" unserer consol-mei; im November hießen sie:
ni'08Llijlti.

Sie müssen nämlich wissen, im Oktober hatten sich die ehrwürdigen Väter der
Stadt gräulich vergesse»; ein blutjunger Mensch, ja ein geistreicher blutjunger
Mensch stand faktisch an ihrer Spitze; unterstützt von noch drei bis vier männlichen
Mitgliedern, vermochte der Fant das ganze zahlreiche Kollegium in Spartaner zu
verhandeln, d. h. die Väter unterzeichneten mit dem Muthe der Unwissenheit, was
der junge Führer aufgesetzt hatte und ihnen vorlegte. Sie unterzeichnete», denken
Sie nur, gut deutsch und recht muthig geschriebene Absagebriefe an Windischgrätz
und Jellachich. El, ihr würdigen Väter, wie habt ihr euch verjüngt! Wien Volute
ihnen Eichenlaub und die Phantasie fremder Touristen dachte sich jeden Einzelnen
von ihnen als einen neuen Rüdiger v. Stahrcmberg.

Da kam der schaurige November. Da kam der Windischgrätz. Sind das
eure Thaten? herrschte er sie an.

Erinnern Sie sich, wie im Shakespeare Thersites, der Epicicr, die heraus¬
fordernde Frage des Helden Ajax mit den Worten ablehnt: Ich bin ein L—p,
ein L—p, bei mir ist keine Ehre einzulegen u. s. w. ? Shakespeare war ein Pro¬
phet, er errieth den Wiener Gemeinderath.

Windischgrätz begnügte sich damit, dem braven Messeuhauscr und einem Dutzend
anderer Ideologen das Lebenslicht aufzublasen, der ehrwürdigen Körperschaft aber
blos den Spiritus auszutreiben. Der erwähnte junge Mensch") nämlich und die
drei bis vier männlichen Mitglieder wurden aus dem Gemeinderath ausgestoßen.

„Die Pest über dich, weil du mich so erschreckt hast!" flucht Shakespeare's
Thersites dem Helden Ajax nach, als dieser, so gemeine Bente verschmähend, ihm
den Rücken gekehrt hat. Unser „geläuterter" Gemeinderath ist kein falscher Heide
wie Thersites. Obwohl von Vater Melden täglich angedonnert, getreten und in
seinen wohlmeinendsten Vermittlungsversuchen chikanirt, ist er noch immer voll dank^
barer Zerknirschung und denkt nur daran, seine Oktobersünden durch fleißige Pla-
kate gutzumachen, die in so gut östreichischen Deutsch geschrieben sind, daß man
sie für unbeholfene Uebersetzungen aus der noch zu erfindenden Schriftsprache der
neuentdeckten Nation der Nuthenen halten könnte.

In seinem heutigen Maueranschlag ist der Gemeinderath von der oktroyirten
Konstitution entzückt, denn — er hat darin einen K gefunden, wornach Wien die
Haupt- und Residenzstadt des Kaiserthums ist! Seht ihr, niht er gerührt, also
der Kaiser kommt zurück, der Adel auch, Handel und Gewerbe auch und der Flor



») Er verdankte diese Milde „rücksichtswürdigen Familienverhältnissen."
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[0460] Gemeinderath. „Der braucht es wahrlich nicht an allen Straßenecken anzuzeigen, daß er verrückt ist; man weiß das lang genug/' randalirte heute Freund Kurt vor einem solchen Maueranschlag. Was mag das sein? Besichtigen wir das „neueste Erzeugniß des Witzes" unserer consol-mei; im November hießen sie: ni'08Llijlti. Sie müssen nämlich wissen, im Oktober hatten sich die ehrwürdigen Väter der Stadt gräulich vergesse»; ein blutjunger Mensch, ja ein geistreicher blutjunger Mensch stand faktisch an ihrer Spitze; unterstützt von noch drei bis vier männlichen Mitgliedern, vermochte der Fant das ganze zahlreiche Kollegium in Spartaner zu verhandeln, d. h. die Väter unterzeichneten mit dem Muthe der Unwissenheit, was der junge Führer aufgesetzt hatte und ihnen vorlegte. Sie unterzeichnete», denken Sie nur, gut deutsch und recht muthig geschriebene Absagebriefe an Windischgrätz und Jellachich. El, ihr würdigen Väter, wie habt ihr euch verjüngt! Wien Volute ihnen Eichenlaub und die Phantasie fremder Touristen dachte sich jeden Einzelnen von ihnen als einen neuen Rüdiger v. Stahrcmberg. Da kam der schaurige November. Da kam der Windischgrätz. Sind das eure Thaten? herrschte er sie an. Erinnern Sie sich, wie im Shakespeare Thersites, der Epicicr, die heraus¬ fordernde Frage des Helden Ajax mit den Worten ablehnt: Ich bin ein L—p, ein L—p, bei mir ist keine Ehre einzulegen u. s. w. ? Shakespeare war ein Pro¬ phet, er errieth den Wiener Gemeinderath. Windischgrätz begnügte sich damit, dem braven Messeuhauscr und einem Dutzend anderer Ideologen das Lebenslicht aufzublasen, der ehrwürdigen Körperschaft aber blos den Spiritus auszutreiben. Der erwähnte junge Mensch") nämlich und die drei bis vier männlichen Mitglieder wurden aus dem Gemeinderath ausgestoßen. „Die Pest über dich, weil du mich so erschreckt hast!" flucht Shakespeare's Thersites dem Helden Ajax nach, als dieser, so gemeine Bente verschmähend, ihm den Rücken gekehrt hat. Unser „geläuterter" Gemeinderath ist kein falscher Heide wie Thersites. Obwohl von Vater Melden täglich angedonnert, getreten und in seinen wohlmeinendsten Vermittlungsversuchen chikanirt, ist er noch immer voll dank^ barer Zerknirschung und denkt nur daran, seine Oktobersünden durch fleißige Pla- kate gutzumachen, die in so gut östreichischen Deutsch geschrieben sind, daß man sie für unbeholfene Uebersetzungen aus der noch zu erfindenden Schriftsprache der neuentdeckten Nation der Nuthenen halten könnte. In seinem heutigen Maueranschlag ist der Gemeinderath von der oktroyirten Konstitution entzückt, denn — er hat darin einen K gefunden, wornach Wien die Haupt- und Residenzstadt des Kaiserthums ist! Seht ihr, niht er gerührt, also der Kaiser kommt zurück, der Adel auch, Handel und Gewerbe auch und der Flor ») Er verdankte diese Milde „rücksichtswürdigen Familienverhältnissen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/460>, abgerufen am 24.11.2024.