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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Des Morgens erster Strahl rief sie Alle wach und an die Fenster. Welch'
ein herrlicher Anblick! Da draußen das weite, gewaltige Meer, gekräuselt von lei¬
sem Luftzug, und wenn es hier auch gerade nicht das Gefühl seiner erhabenen
Unendlichkeit hervorrief, denn viele grüne Inseln stiegen da und dort aus dem
weißen Schaum der Brandung, so war es doch wunderschön im blitzenden Sonnen¬
licht. Im Norden waren es zunächst die gelben Ufer der Inseln, oder vielmehr
Sandbänke Linderum und Aegholm, dann der größeren Brcmdsoe und Baagoe;
östlich dehnte sich in langem, schmalem Strich die Küste Fyens oder Fünen's,
wie der Deutsche sagt, lange Pappelreihen und die Thüren der Stadt Assens waren
dort deutlich erkennbar; ganz in der Ferne des Südens erschienen die Wälder von
Athen, wie ein blaues Gewölk; dem Festland gerade gegenüber aber, durch einen
kaum 2000 Schritte breiten Meeresarm getrennt, lag das flache Eiland Arve,
mit seinen niederen, strohgedeckten Fischerhütten. Der Strand, welcher sich zu den Füßen
der Beschauenden ausdehnte, war zur Rechten mit Bäumen und Wiesen begrenzt,
zur Linken erhob sich aus niederen Dächern der stumpfe Kegel eines Leuchtthurms,
vor ihm bildete viereckiges Manerwerk einen kleinen Hafen in der See mit um¬
gebenden Damm; dann verlief sich das hier etwas erhöhte Uferland in brüchige
Wiesen. Das Hans, in welchem die Freischärler sich befanden, war das Gast-
und zugleich Posthaus von Aroesund, denn von hier aus ging in Friedenszeiten
täglich eine Post über den kleinen Belt nach Fünen.

Das Anziehendste in dem ganzen großen Panorama war für die jugendlichen
Helden ein kleiner Puukt mitten in der See. Vielleicht dreitausend Schritte von
dem Hafendamm entfernt, lag dort ein kleines Fahrzeug vor Anker; es hatte nur
einen Mast und sein schwarzer Rumpf schaukelte gleichförmig aus den leisen Wellen,
ohne dem bloßen Auge das Mindeste darzubieten, was eine gespannte Aufmerk¬
samkeit hätte rechtfertigen können. Aber wenn scharfe Fernrohre dem Blick zu
Hilfe kamen, dann erhielt das Schifflein ein ganz anderes Aussehn. Wie mit
Tusch auf hellblauen Grund gemalt, schnitte" sich dann Raaen, Spieren und das
zierliche Tauwerk ab von dem Horizont, deutlich war die ausnehmende Sorgfalt
und Sauberkeit des Verdecks zu scheu, ans dem blos ein einziger Matrose in der
Nähe des Steuers bequem an der Pinne lehnte, deutlich aber auch eine Reihe
von je vier Stückpforten, aus welchen die Mäuler der metallenen Todesboten
drohten. Das Fahrzeug war seiner Majestät des Jnselkönigs Licblingskntter Nep¬
tun, sonst nur zu anmuthigen Fahrten, jetzt zum Krieg gerüstet. Er hatte die
Aufgabe, die wichtige Position von Aroesund zu bewachen, wir, die Freischärler
hingegen, waren beauftragt, den Kutter insgeheim sorgfältig zu beobachten. Denn
der Führer unseres fliegenden Corps, der bairische Hauptmann Max Aldosser,
hatte es sich in den Kopf gesetzt, anch zur See einen kühnen Handstreich zu thun
und dieses kleine Kriegsschiff zu nehmen. Deshalb waren wir schon seit einiger
Zeit sämmtlich mit Pistolen und kurzen Haumessern versehen worden, und es


Des Morgens erster Strahl rief sie Alle wach und an die Fenster. Welch'
ein herrlicher Anblick! Da draußen das weite, gewaltige Meer, gekräuselt von lei¬
sem Luftzug, und wenn es hier auch gerade nicht das Gefühl seiner erhabenen
Unendlichkeit hervorrief, denn viele grüne Inseln stiegen da und dort aus dem
weißen Schaum der Brandung, so war es doch wunderschön im blitzenden Sonnen¬
licht. Im Norden waren es zunächst die gelben Ufer der Inseln, oder vielmehr
Sandbänke Linderum und Aegholm, dann der größeren Brcmdsoe und Baagoe;
östlich dehnte sich in langem, schmalem Strich die Küste Fyens oder Fünen's,
wie der Deutsche sagt, lange Pappelreihen und die Thüren der Stadt Assens waren
dort deutlich erkennbar; ganz in der Ferne des Südens erschienen die Wälder von
Athen, wie ein blaues Gewölk; dem Festland gerade gegenüber aber, durch einen
kaum 2000 Schritte breiten Meeresarm getrennt, lag das flache Eiland Arve,
mit seinen niederen, strohgedeckten Fischerhütten. Der Strand, welcher sich zu den Füßen
der Beschauenden ausdehnte, war zur Rechten mit Bäumen und Wiesen begrenzt,
zur Linken erhob sich aus niederen Dächern der stumpfe Kegel eines Leuchtthurms,
vor ihm bildete viereckiges Manerwerk einen kleinen Hafen in der See mit um¬
gebenden Damm; dann verlief sich das hier etwas erhöhte Uferland in brüchige
Wiesen. Das Hans, in welchem die Freischärler sich befanden, war das Gast-
und zugleich Posthaus von Aroesund, denn von hier aus ging in Friedenszeiten
täglich eine Post über den kleinen Belt nach Fünen.

Das Anziehendste in dem ganzen großen Panorama war für die jugendlichen
Helden ein kleiner Puukt mitten in der See. Vielleicht dreitausend Schritte von
dem Hafendamm entfernt, lag dort ein kleines Fahrzeug vor Anker; es hatte nur
einen Mast und sein schwarzer Rumpf schaukelte gleichförmig aus den leisen Wellen,
ohne dem bloßen Auge das Mindeste darzubieten, was eine gespannte Aufmerk¬
samkeit hätte rechtfertigen können. Aber wenn scharfe Fernrohre dem Blick zu
Hilfe kamen, dann erhielt das Schifflein ein ganz anderes Aussehn. Wie mit
Tusch auf hellblauen Grund gemalt, schnitte» sich dann Raaen, Spieren und das
zierliche Tauwerk ab von dem Horizont, deutlich war die ausnehmende Sorgfalt
und Sauberkeit des Verdecks zu scheu, ans dem blos ein einziger Matrose in der
Nähe des Steuers bequem an der Pinne lehnte, deutlich aber auch eine Reihe
von je vier Stückpforten, aus welchen die Mäuler der metallenen Todesboten
drohten. Das Fahrzeug war seiner Majestät des Jnselkönigs Licblingskntter Nep¬
tun, sonst nur zu anmuthigen Fahrten, jetzt zum Krieg gerüstet. Er hatte die
Aufgabe, die wichtige Position von Aroesund zu bewachen, wir, die Freischärler
hingegen, waren beauftragt, den Kutter insgeheim sorgfältig zu beobachten. Denn
der Führer unseres fliegenden Corps, der bairische Hauptmann Max Aldosser,
hatte es sich in den Kopf gesetzt, anch zur See einen kühnen Handstreich zu thun
und dieses kleine Kriegsschiff zu nehmen. Deshalb waren wir schon seit einiger
Zeit sämmtlich mit Pistolen und kurzen Haumessern versehen worden, und es


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[0431] Des Morgens erster Strahl rief sie Alle wach und an die Fenster. Welch' ein herrlicher Anblick! Da draußen das weite, gewaltige Meer, gekräuselt von lei¬ sem Luftzug, und wenn es hier auch gerade nicht das Gefühl seiner erhabenen Unendlichkeit hervorrief, denn viele grüne Inseln stiegen da und dort aus dem weißen Schaum der Brandung, so war es doch wunderschön im blitzenden Sonnen¬ licht. Im Norden waren es zunächst die gelben Ufer der Inseln, oder vielmehr Sandbänke Linderum und Aegholm, dann der größeren Brcmdsoe und Baagoe; östlich dehnte sich in langem, schmalem Strich die Küste Fyens oder Fünen's, wie der Deutsche sagt, lange Pappelreihen und die Thüren der Stadt Assens waren dort deutlich erkennbar; ganz in der Ferne des Südens erschienen die Wälder von Athen, wie ein blaues Gewölk; dem Festland gerade gegenüber aber, durch einen kaum 2000 Schritte breiten Meeresarm getrennt, lag das flache Eiland Arve, mit seinen niederen, strohgedeckten Fischerhütten. Der Strand, welcher sich zu den Füßen der Beschauenden ausdehnte, war zur Rechten mit Bäumen und Wiesen begrenzt, zur Linken erhob sich aus niederen Dächern der stumpfe Kegel eines Leuchtthurms, vor ihm bildete viereckiges Manerwerk einen kleinen Hafen in der See mit um¬ gebenden Damm; dann verlief sich das hier etwas erhöhte Uferland in brüchige Wiesen. Das Hans, in welchem die Freischärler sich befanden, war das Gast- und zugleich Posthaus von Aroesund, denn von hier aus ging in Friedenszeiten täglich eine Post über den kleinen Belt nach Fünen. Das Anziehendste in dem ganzen großen Panorama war für die jugendlichen Helden ein kleiner Puukt mitten in der See. Vielleicht dreitausend Schritte von dem Hafendamm entfernt, lag dort ein kleines Fahrzeug vor Anker; es hatte nur einen Mast und sein schwarzer Rumpf schaukelte gleichförmig aus den leisen Wellen, ohne dem bloßen Auge das Mindeste darzubieten, was eine gespannte Aufmerk¬ samkeit hätte rechtfertigen können. Aber wenn scharfe Fernrohre dem Blick zu Hilfe kamen, dann erhielt das Schifflein ein ganz anderes Aussehn. Wie mit Tusch auf hellblauen Grund gemalt, schnitte» sich dann Raaen, Spieren und das zierliche Tauwerk ab von dem Horizont, deutlich war die ausnehmende Sorgfalt und Sauberkeit des Verdecks zu scheu, ans dem blos ein einziger Matrose in der Nähe des Steuers bequem an der Pinne lehnte, deutlich aber auch eine Reihe von je vier Stückpforten, aus welchen die Mäuler der metallenen Todesboten drohten. Das Fahrzeug war seiner Majestät des Jnselkönigs Licblingskntter Nep¬ tun, sonst nur zu anmuthigen Fahrten, jetzt zum Krieg gerüstet. Er hatte die Aufgabe, die wichtige Position von Aroesund zu bewachen, wir, die Freischärler hingegen, waren beauftragt, den Kutter insgeheim sorgfältig zu beobachten. Denn der Führer unseres fliegenden Corps, der bairische Hauptmann Max Aldosser, hatte es sich in den Kopf gesetzt, anch zur See einen kühnen Handstreich zu thun und dieses kleine Kriegsschiff zu nehmen. Deshalb waren wir schon seit einiger Zeit sämmtlich mit Pistolen und kurzen Haumessern versehen worden, und es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/431>, abgerufen am 22.12.2024.