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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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bardements von Prag, ihre Loyalität auf zweifellose Weise an den Tag zu legen.
Sie suchten durch die schöne Redensart von der Integrität der Monarchie auf
das Gemüth der Minister zu wirken, und diese gebrauchten wieder von Zeit zu
Zeit mit guter Wirkung die Phrase von der Gleichberechtigung der Nationalitä-
ten, in der die slavischen Föderalisten das Schlagwort ihres politischen Glaubens¬
bekenntnisses zu erkennen glaubten. Nun kam der blutige October, der letzte
wahnsinnige Versuch, die deutsch-magyarischen Märzhoffnnngen zur Wahrheit zu
macheu. Er wurde mit Hilfe der Slaven unterdrückt -- sie vollzogen das Rache¬
amt für das Blut des gefallenen Grafen Latour. Aber mit einem Male macht
das Ministerium Schwarzenberg-Stadion im Hinblick auf die siegreiche Armee des
Fürsten Windischgrätz, einerseits mit dem einigen Oestreich und der starken Cen-
tralgewalt einen solchen Ernst, und erklärt anderseits mit solchem Nachdruck Oest¬
reich als eine deutsche Bundesmacht, und Habsburg als ein deutsches Fürsten¬
haus, daß die Czechen vor ihrer eigenen Loyalität erschrecken, und voll bittern
Verdrusses in ihren Organen eine gelungene Uebersetzung der Bakunin'schen Bro¬
schüre erscheinen lassen. Dieselben treugesinnten Czechen, die in den Octobertagen
mit größerem Eifer, als die Behörden, die Verbreitung aufregender Flugblätter
und die Aufbietung des Landsturmes für Wien zu verhindern strebten, werden
nun von der ministeriellen Presse in den Bann gethan; die Serben, deren Woi-
wodowina übrigens an ihrer eigenen Lebensunfähigkeit zu Grunde zu gehen droht,
sehen schon in finsterer Ahnung das Schicksal der magyarischen Rebellen über ihrem
Haupte schweben, und die Kroaten, welche so eben einen Verfassungsentwurf für
ihr Königreich auf breitester föderalistischer Basis berathen haben, fordern mit Ur-
seum die Vernichtung der Bundesacte, "weil eine solche an den Germanismus
gemachte Concession eine für den Fortbestand Oestreichs ebenso gefährliche Gegen¬
bewegung des Slaventhums hervorrufen müsse." Die ministeriellen Organe sind
mit einem Male gut Deutsch geworden, und die deutsche Presse hat unwillkürlich
eine ministerielle Färbung angenommen, während die Opposition, die nomaden¬
haft in der östreichischen Monarchie umherzieht, jetzt in Agrcun und Prag ihre vorzüg¬
lichsten Sitze aufgeschlagen hat. Die Agramer Zeitung hat in der letzten Zeit zu
wiederholten Malen die Behauptung ausgestellt, daß die Möglichkeit eines östreichi¬
schen Staates, seine Zukunft und sein erhaltendes Princip einzig und allein im
Slaventhum liege; und jetzt lesen wir in einer der letzten Nummern der "Deut¬
schen Zeitung aus Böhmen," die merkwürdige Stelle: "die geographische Stellung
der Deutschen und Magyaren in Oestreich verlangt das festeste Zusammenhalten
beider Völker unter einander, und mit der rumänischen Bevölkerung. Ersteres
Bedürfniß haben die slavischen Politiker in seiner Wichtigkeit wohl erkannt und
für diese Beziehung das Schlagwort "Magyaro-Frankfurtianer" erfunden, das
trotz seines gehässigen NebcnsinneS einen tiefern Sinn hat.

"So lange die Donauvölker Oestreichs, die Deutschen und Magyaren zusam-


bardements von Prag, ihre Loyalität auf zweifellose Weise an den Tag zu legen.
Sie suchten durch die schöne Redensart von der Integrität der Monarchie auf
das Gemüth der Minister zu wirken, und diese gebrauchten wieder von Zeit zu
Zeit mit guter Wirkung die Phrase von der Gleichberechtigung der Nationalitä-
ten, in der die slavischen Föderalisten das Schlagwort ihres politischen Glaubens¬
bekenntnisses zu erkennen glaubten. Nun kam der blutige October, der letzte
wahnsinnige Versuch, die deutsch-magyarischen Märzhoffnnngen zur Wahrheit zu
macheu. Er wurde mit Hilfe der Slaven unterdrückt — sie vollzogen das Rache¬
amt für das Blut des gefallenen Grafen Latour. Aber mit einem Male macht
das Ministerium Schwarzenberg-Stadion im Hinblick auf die siegreiche Armee des
Fürsten Windischgrätz, einerseits mit dem einigen Oestreich und der starken Cen-
tralgewalt einen solchen Ernst, und erklärt anderseits mit solchem Nachdruck Oest¬
reich als eine deutsche Bundesmacht, und Habsburg als ein deutsches Fürsten¬
haus, daß die Czechen vor ihrer eigenen Loyalität erschrecken, und voll bittern
Verdrusses in ihren Organen eine gelungene Uebersetzung der Bakunin'schen Bro¬
schüre erscheinen lassen. Dieselben treugesinnten Czechen, die in den Octobertagen
mit größerem Eifer, als die Behörden, die Verbreitung aufregender Flugblätter
und die Aufbietung des Landsturmes für Wien zu verhindern strebten, werden
nun von der ministeriellen Presse in den Bann gethan; die Serben, deren Woi-
wodowina übrigens an ihrer eigenen Lebensunfähigkeit zu Grunde zu gehen droht,
sehen schon in finsterer Ahnung das Schicksal der magyarischen Rebellen über ihrem
Haupte schweben, und die Kroaten, welche so eben einen Verfassungsentwurf für
ihr Königreich auf breitester föderalistischer Basis berathen haben, fordern mit Ur-
seum die Vernichtung der Bundesacte, „weil eine solche an den Germanismus
gemachte Concession eine für den Fortbestand Oestreichs ebenso gefährliche Gegen¬
bewegung des Slaventhums hervorrufen müsse." Die ministeriellen Organe sind
mit einem Male gut Deutsch geworden, und die deutsche Presse hat unwillkürlich
eine ministerielle Färbung angenommen, während die Opposition, die nomaden¬
haft in der östreichischen Monarchie umherzieht, jetzt in Agrcun und Prag ihre vorzüg¬
lichsten Sitze aufgeschlagen hat. Die Agramer Zeitung hat in der letzten Zeit zu
wiederholten Malen die Behauptung ausgestellt, daß die Möglichkeit eines östreichi¬
schen Staates, seine Zukunft und sein erhaltendes Princip einzig und allein im
Slaventhum liege; und jetzt lesen wir in einer der letzten Nummern der „Deut¬
schen Zeitung aus Böhmen," die merkwürdige Stelle: „die geographische Stellung
der Deutschen und Magyaren in Oestreich verlangt das festeste Zusammenhalten
beider Völker unter einander, und mit der rumänischen Bevölkerung. Ersteres
Bedürfniß haben die slavischen Politiker in seiner Wichtigkeit wohl erkannt und
für diese Beziehung das Schlagwort „Magyaro-Frankfurtianer" erfunden, das
trotz seines gehässigen NebcnsinneS einen tiefern Sinn hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/390>, abgerufen am 23.07.2024.