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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Reihe ähnlicher Schriften den genauern Einblick in die localen Verhältnisse unsers
Vaterlandes verschafften.

Ihre Kritik der einzelnen Verordnungen, Beschlüsse u. s. w. können wir nicht
verfolgen; sie trägt das Gepräge der Wahrheit, zu einer nähern Würdigung fehlt uns
der locale Blick. Aber in zwei wesentlichen Punkten treten Sie der Politik Ihres ge¬
genwärtigen Cabinets principiell^ entgegen, und berühren dabei Fragen, die ans das
Wesen unserer Gesammt-Entwickelung Bezug haben. Ueber diese Opposition können
wir es uns nicht versagen, einige Bemerkungen zu machen.

Von allen Männern, welche gegen die Nechtsgiltigkeit der hannoverschen Verfas¬
sung Protest einlegten, war Stüve derjenige, dem die öffentliche Meinung das meiste
Gewicht beilegte. Wie nun in der Bedrängniß der Märzcrcignisse ziemlich alle deut¬
schen Staaten sich veranlaßt sahen, der bisherigen Opposition die Leitung der Geschäfte
anzuvertrauen, so war es auch in Hannover keinen Augenblick zweifelhaft, daß Stüve
die eigentliche Seele der neuen Regierung sein werde. Der erste Tadel, den Sie gegen
ihn aussprechen, ist nun der, daß er unbesehen in das schon gebildete Cabinet Benning-
scn eintrat, welches zum großen Theil aus andern politischen Nuancen bestand und es
nicht vorzog, aus seiner Partei ein eigenes zu bilden.

In wie weit im Einzelnen dieser Tadel gegründet ist, kann man nur beurtheilen,
wenn man die Persönlichkeiten gegenwärtig hat; doch scheint der Umstand, daß bei allen
wichtigen Regierungshandlungen gerade Stüves Persönlichkeit hervortrat, dafür zu spreche",
daß die alten Bureaukraten sich eher ihm anschlössen als umgekehrt. Für die Konsistenz
einer neuen Regierung ist eine solche Verschmelzung der alten Elemente nur vortheilhaft.

Bedeutender ist aber der zweite Vonvurf. Seit acht Jahren hat Stüve die Nechts¬
giltigkeit der Verfassung von 1840 angefochten, und nun baut er plötzlich aus diesen
Rechtsboden seine weitere Reorganisation des Staats, anstatt entweder aus die alten
Stände von I83l zurückzugehen, oder, wofür Sie Sich entscheiden, eine constitnirende
Versammlung einzuberufen. Dagegen ist Folgendes zu sagen.

Es ist unzweifelhaft, daß die Verfassung von 183 l eine Rechtsverletzung bildete;
eben so unzweifelhaft, daß die neue Verfassung in jeder Beziehung viel schlechter war
als die alte. Aber die Geschichte der letzten 8 Jahre läßt sich nicht streichen: der
Rechtsweg führte durch die Verfassung von >84t), wenn auch mit Ueberwindung derselben.
Die Form ist das Wesen des Gesetzes, wenn sie auch nnr eine Fiction ist, wie es
bei den römischen Juristen häusig vorkommt. Unter dem Einfluß des neuen Geistes
sind die alten Stände die alten nicht mehr, aber sie repräsentiren die Anerkennung der
neuen Zustände von Seiten der widerstrebenden alten Mächte. Der Weg der einseiti¬
gen Gewalt ist überall einfacher, aber ein kurzer Weg, den man wieder zurückgehn
muß, ist der längste. Das ist der Weg aller constituirenden Versammlungen, aller Re¬
volutionen. Der preußische Staat hat es schwer gebüßt, daß er seine Verfassung einer
Constituante überließ, statt sie von dem alten Landtag poliren zu lassen.

Der zweite Vorwurf betrifft die bekannte Ministerialerklärnng vom 8. Juli in
Betreff der Centralgewalt. Sie war so ungeschickt und unzeitig als möglich, das ge¬
ben wir zu. Wenn es nach unserm Wunsch ging, so sollten die einzelnen Staaten
gar keine Stimmen haben, wo es sich um die Verfassung Deutschlands handelt, wir
kämen dann weit schneller zum Ziel. Aber sie haben die Macht, ihre Stimmen abzu¬
geben, und sie haben das Recht dazu; bringt man sie mit Gewalt zum Schweigen, so
entsteht ein Zustand der Rechtlosigkeit, der ohne Dauer ist. Der Weg des Vertrags
ist ein mühevoller, dürrer, langweiliger; aber er allein führt zum Ziel. Ist die Ge¬
meinsamkeit der Interessen, die uns verbinden sollen, die Gemeinsamkeit der Sympa¬
thien wirklich so groß, daß sie den Eigensinn des Particularismus überwindet, so wird
ste im nüchternen Vertrage nicht weniger Gewalt ausüben, als in dem ideellen enthu¬
siastischen Gebot des souveränen Volkswillens.


Reihe ähnlicher Schriften den genauern Einblick in die localen Verhältnisse unsers
Vaterlandes verschafften.

Ihre Kritik der einzelnen Verordnungen, Beschlüsse u. s. w. können wir nicht
verfolgen; sie trägt das Gepräge der Wahrheit, zu einer nähern Würdigung fehlt uns
der locale Blick. Aber in zwei wesentlichen Punkten treten Sie der Politik Ihres ge¬
genwärtigen Cabinets principiell^ entgegen, und berühren dabei Fragen, die ans das
Wesen unserer Gesammt-Entwickelung Bezug haben. Ueber diese Opposition können
wir es uns nicht versagen, einige Bemerkungen zu machen.

Von allen Männern, welche gegen die Nechtsgiltigkeit der hannoverschen Verfas¬
sung Protest einlegten, war Stüve derjenige, dem die öffentliche Meinung das meiste
Gewicht beilegte. Wie nun in der Bedrängniß der Märzcrcignisse ziemlich alle deut¬
schen Staaten sich veranlaßt sahen, der bisherigen Opposition die Leitung der Geschäfte
anzuvertrauen, so war es auch in Hannover keinen Augenblick zweifelhaft, daß Stüve
die eigentliche Seele der neuen Regierung sein werde. Der erste Tadel, den Sie gegen
ihn aussprechen, ist nun der, daß er unbesehen in das schon gebildete Cabinet Benning-
scn eintrat, welches zum großen Theil aus andern politischen Nuancen bestand und es
nicht vorzog, aus seiner Partei ein eigenes zu bilden.

In wie weit im Einzelnen dieser Tadel gegründet ist, kann man nur beurtheilen,
wenn man die Persönlichkeiten gegenwärtig hat; doch scheint der Umstand, daß bei allen
wichtigen Regierungshandlungen gerade Stüves Persönlichkeit hervortrat, dafür zu spreche»,
daß die alten Bureaukraten sich eher ihm anschlössen als umgekehrt. Für die Konsistenz
einer neuen Regierung ist eine solche Verschmelzung der alten Elemente nur vortheilhaft.

Bedeutender ist aber der zweite Vonvurf. Seit acht Jahren hat Stüve die Nechts¬
giltigkeit der Verfassung von 1840 angefochten, und nun baut er plötzlich aus diesen
Rechtsboden seine weitere Reorganisation des Staats, anstatt entweder aus die alten
Stände von I83l zurückzugehen, oder, wofür Sie Sich entscheiden, eine constitnirende
Versammlung einzuberufen. Dagegen ist Folgendes zu sagen.

Es ist unzweifelhaft, daß die Verfassung von 183 l eine Rechtsverletzung bildete;
eben so unzweifelhaft, daß die neue Verfassung in jeder Beziehung viel schlechter war
als die alte. Aber die Geschichte der letzten 8 Jahre läßt sich nicht streichen: der
Rechtsweg führte durch die Verfassung von >84t), wenn auch mit Ueberwindung derselben.
Die Form ist das Wesen des Gesetzes, wenn sie auch nnr eine Fiction ist, wie es
bei den römischen Juristen häusig vorkommt. Unter dem Einfluß des neuen Geistes
sind die alten Stände die alten nicht mehr, aber sie repräsentiren die Anerkennung der
neuen Zustände von Seiten der widerstrebenden alten Mächte. Der Weg der einseiti¬
gen Gewalt ist überall einfacher, aber ein kurzer Weg, den man wieder zurückgehn
muß, ist der längste. Das ist der Weg aller constituirenden Versammlungen, aller Re¬
volutionen. Der preußische Staat hat es schwer gebüßt, daß er seine Verfassung einer
Constituante überließ, statt sie von dem alten Landtag poliren zu lassen.

Der zweite Vorwurf betrifft die bekannte Ministerialerklärnng vom 8. Juli in
Betreff der Centralgewalt. Sie war so ungeschickt und unzeitig als möglich, das ge¬
ben wir zu. Wenn es nach unserm Wunsch ging, so sollten die einzelnen Staaten
gar keine Stimmen haben, wo es sich um die Verfassung Deutschlands handelt, wir
kämen dann weit schneller zum Ziel. Aber sie haben die Macht, ihre Stimmen abzu¬
geben, und sie haben das Recht dazu; bringt man sie mit Gewalt zum Schweigen, so
entsteht ein Zustand der Rechtlosigkeit, der ohne Dauer ist. Der Weg des Vertrags
ist ein mühevoller, dürrer, langweiliger; aber er allein führt zum Ziel. Ist die Ge¬
meinsamkeit der Interessen, die uns verbinden sollen, die Gemeinsamkeit der Sympa¬
thien wirklich so groß, daß sie den Eigensinn des Particularismus überwindet, so wird
ste im nüchternen Vertrage nicht weniger Gewalt ausüben, als in dem ideellen enthu¬
siastischen Gebot des souveränen Volkswillens.


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[0287] Reihe ähnlicher Schriften den genauern Einblick in die localen Verhältnisse unsers Vaterlandes verschafften. Ihre Kritik der einzelnen Verordnungen, Beschlüsse u. s. w. können wir nicht verfolgen; sie trägt das Gepräge der Wahrheit, zu einer nähern Würdigung fehlt uns der locale Blick. Aber in zwei wesentlichen Punkten treten Sie der Politik Ihres ge¬ genwärtigen Cabinets principiell^ entgegen, und berühren dabei Fragen, die ans das Wesen unserer Gesammt-Entwickelung Bezug haben. Ueber diese Opposition können wir es uns nicht versagen, einige Bemerkungen zu machen. Von allen Männern, welche gegen die Nechtsgiltigkeit der hannoverschen Verfas¬ sung Protest einlegten, war Stüve derjenige, dem die öffentliche Meinung das meiste Gewicht beilegte. Wie nun in der Bedrängniß der Märzcrcignisse ziemlich alle deut¬ schen Staaten sich veranlaßt sahen, der bisherigen Opposition die Leitung der Geschäfte anzuvertrauen, so war es auch in Hannover keinen Augenblick zweifelhaft, daß Stüve die eigentliche Seele der neuen Regierung sein werde. Der erste Tadel, den Sie gegen ihn aussprechen, ist nun der, daß er unbesehen in das schon gebildete Cabinet Benning- scn eintrat, welches zum großen Theil aus andern politischen Nuancen bestand und es nicht vorzog, aus seiner Partei ein eigenes zu bilden. In wie weit im Einzelnen dieser Tadel gegründet ist, kann man nur beurtheilen, wenn man die Persönlichkeiten gegenwärtig hat; doch scheint der Umstand, daß bei allen wichtigen Regierungshandlungen gerade Stüves Persönlichkeit hervortrat, dafür zu spreche», daß die alten Bureaukraten sich eher ihm anschlössen als umgekehrt. Für die Konsistenz einer neuen Regierung ist eine solche Verschmelzung der alten Elemente nur vortheilhaft. Bedeutender ist aber der zweite Vonvurf. Seit acht Jahren hat Stüve die Nechts¬ giltigkeit der Verfassung von 1840 angefochten, und nun baut er plötzlich aus diesen Rechtsboden seine weitere Reorganisation des Staats, anstatt entweder aus die alten Stände von I83l zurückzugehen, oder, wofür Sie Sich entscheiden, eine constitnirende Versammlung einzuberufen. Dagegen ist Folgendes zu sagen. Es ist unzweifelhaft, daß die Verfassung von 183 l eine Rechtsverletzung bildete; eben so unzweifelhaft, daß die neue Verfassung in jeder Beziehung viel schlechter war als die alte. Aber die Geschichte der letzten 8 Jahre läßt sich nicht streichen: der Rechtsweg führte durch die Verfassung von >84t), wenn auch mit Ueberwindung derselben. Die Form ist das Wesen des Gesetzes, wenn sie auch nnr eine Fiction ist, wie es bei den römischen Juristen häusig vorkommt. Unter dem Einfluß des neuen Geistes sind die alten Stände die alten nicht mehr, aber sie repräsentiren die Anerkennung der neuen Zustände von Seiten der widerstrebenden alten Mächte. Der Weg der einseiti¬ gen Gewalt ist überall einfacher, aber ein kurzer Weg, den man wieder zurückgehn muß, ist der längste. Das ist der Weg aller constituirenden Versammlungen, aller Re¬ volutionen. Der preußische Staat hat es schwer gebüßt, daß er seine Verfassung einer Constituante überließ, statt sie von dem alten Landtag poliren zu lassen. Der zweite Vorwurf betrifft die bekannte Ministerialerklärnng vom 8. Juli in Betreff der Centralgewalt. Sie war so ungeschickt und unzeitig als möglich, das ge¬ ben wir zu. Wenn es nach unserm Wunsch ging, so sollten die einzelnen Staaten gar keine Stimmen haben, wo es sich um die Verfassung Deutschlands handelt, wir kämen dann weit schneller zum Ziel. Aber sie haben die Macht, ihre Stimmen abzu¬ geben, und sie haben das Recht dazu; bringt man sie mit Gewalt zum Schweigen, so entsteht ein Zustand der Rechtlosigkeit, der ohne Dauer ist. Der Weg des Vertrags ist ein mühevoller, dürrer, langweiliger; aber er allein führt zum Ziel. Ist die Ge¬ meinsamkeit der Interessen, die uns verbinden sollen, die Gemeinsamkeit der Sympa¬ thien wirklich so groß, daß sie den Eigensinn des Particularismus überwindet, so wird ste im nüchternen Vertrage nicht weniger Gewalt ausüben, als in dem ideellen enthu¬ siastischen Gebot des souveränen Volkswillens.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/287>, abgerufen am 23.07.2024.