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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Abel dem Ultramontanismus machte, war die Bevorzugung der Katholiken bei der
Besetzung der Staatsämter. Es geschah oft mit schamloser Brutalität und gewiß
äußerte es einen Übeln Einfluß ans die Stimmung des protestantischen Theils der
Bevölkerung gegen den katholischen. Doch war man im allgemeinen verstän¬
dig genug, diese Abneigung nur fügsamen oder fanatischen Werkzeugen der
Münchner Ultra's entgelten zu lassen, ja, es wurde durch diese Maßregel gerade
das umgekehrte von dem erreicht, was man beabsichtigte, nämlich eine gegenseitige
Berührung der beiden Confessionen, die in den meisten Fällen zu einer, von den
historisch-politischen Blättern mit Feuer und Schwert verfolgten, gemüthlichen Tole¬
ranz a in Nathan dem Weisen führte, wobei dem Protestantismus die Rolle des
bildenden und die eingesogenen Vorurtheile der katholischen Fremdlinge allmälig
mildernden Elementes zufiel.

Auch in allen anderen Lebenskreisen zeigte sich dieselbe Erscheinung. Trotz
aller Prohibitivmaßregeln des Ministeriums Abel -- man hatte sogar die Zucht--
linge nach Confesstouen geschieden und ausschließlich katholische und ebenso aus¬
schließlich protestantische Zuchthäuser errichtet -- war es doch unmöglich die
Protestanten wie sonst die Juden zu behandeln. Mit dem besten Willen konnte
man keine Ghetto'S für sie ummaueru oder sie ganz aus altkatholischen Städten
und Flecke" ausschließen. Man konnte ihnen wohl hie und da, wie z. B. in
Ingolstadt, das Leben sauer machen, mitunter auch ein Nudel bezahlter
Gassenjungen oder fanatisirten Pöbel auf sie Hetzen, aber die in steigender Pro¬
zession zunehmende Nermischnng beider Confessionen ließ sich nicht aufhalten,
und bei '/" aller bairischen Katholiken waren die von den Ultramontanen ange¬
wandten Mittel gerade die eigentlichen Specifica, um sie gründlich von allen Re¬
sten des starren Pfaffenthums zu purgiren. --

Dieselbe Wirkung äußerten die braunen und schwarzen Kutten, deren man
sich seit Montgelas Tagen total entwöhnt hatte. In Baiern selbst fand man be¬
kanntlich nicht einmal hinlänglich Kandidaten dafür, obgleich die Aussicht auf be¬
hagliche Versorgung viel rockender hätte wirken sollen, als z. B. das knappe
und mit Gefahr von Haut und Haar zu verdienende Handgeld der Berliner Con-
stabler. Aber freilich Scene", wie sie vor zwei oder drei Jahren in Würzburg vor¬
kamen, wo sich die fremden ans Italien verschriebenen ehrwürdigen Väter mit
denen bairischen Namens prügelten, trugen nicht dazu bei, das neumodische
Mönchthum volkstümlicher zu machen. --

Ob die Regierung auf anderm Wege die Massen zu einem heiligen Kriege
gegen die verketzerte Einheit Deutschlands fortreißen könnte? Vielleicht unter be¬
sonders unglückseligen Conjuucturen gewiß nicht auf die Dauer, aber doch für den
entscheidenden Augenblick, denn im Durchschnitt ist die Masse des bairischen Volks
aller Stände und Kategorien ebenso sonderbündlerisch wie die, Regierung, nur


Abel dem Ultramontanismus machte, war die Bevorzugung der Katholiken bei der
Besetzung der Staatsämter. Es geschah oft mit schamloser Brutalität und gewiß
äußerte es einen Übeln Einfluß ans die Stimmung des protestantischen Theils der
Bevölkerung gegen den katholischen. Doch war man im allgemeinen verstän¬
dig genug, diese Abneigung nur fügsamen oder fanatischen Werkzeugen der
Münchner Ultra's entgelten zu lassen, ja, es wurde durch diese Maßregel gerade
das umgekehrte von dem erreicht, was man beabsichtigte, nämlich eine gegenseitige
Berührung der beiden Confessionen, die in den meisten Fällen zu einer, von den
historisch-politischen Blättern mit Feuer und Schwert verfolgten, gemüthlichen Tole¬
ranz a in Nathan dem Weisen führte, wobei dem Protestantismus die Rolle des
bildenden und die eingesogenen Vorurtheile der katholischen Fremdlinge allmälig
mildernden Elementes zufiel.

Auch in allen anderen Lebenskreisen zeigte sich dieselbe Erscheinung. Trotz
aller Prohibitivmaßregeln des Ministeriums Abel — man hatte sogar die Zucht--
linge nach Confesstouen geschieden und ausschließlich katholische und ebenso aus¬
schließlich protestantische Zuchthäuser errichtet — war es doch unmöglich die
Protestanten wie sonst die Juden zu behandeln. Mit dem besten Willen konnte
man keine Ghetto'S für sie ummaueru oder sie ganz aus altkatholischen Städten
und Flecke» ausschließen. Man konnte ihnen wohl hie und da, wie z. B. in
Ingolstadt, das Leben sauer machen, mitunter auch ein Nudel bezahlter
Gassenjungen oder fanatisirten Pöbel auf sie Hetzen, aber die in steigender Pro¬
zession zunehmende Nermischnng beider Confessionen ließ sich nicht aufhalten,
und bei '/» aller bairischen Katholiken waren die von den Ultramontanen ange¬
wandten Mittel gerade die eigentlichen Specifica, um sie gründlich von allen Re¬
sten des starren Pfaffenthums zu purgiren. —

Dieselbe Wirkung äußerten die braunen und schwarzen Kutten, deren man
sich seit Montgelas Tagen total entwöhnt hatte. In Baiern selbst fand man be¬
kanntlich nicht einmal hinlänglich Kandidaten dafür, obgleich die Aussicht auf be¬
hagliche Versorgung viel rockender hätte wirken sollen, als z. B. das knappe
und mit Gefahr von Haut und Haar zu verdienende Handgeld der Berliner Con-
stabler. Aber freilich Scene», wie sie vor zwei oder drei Jahren in Würzburg vor¬
kamen, wo sich die fremden ans Italien verschriebenen ehrwürdigen Väter mit
denen bairischen Namens prügelten, trugen nicht dazu bei, das neumodische
Mönchthum volkstümlicher zu machen. —

Ob die Regierung auf anderm Wege die Massen zu einem heiligen Kriege
gegen die verketzerte Einheit Deutschlands fortreißen könnte? Vielleicht unter be¬
sonders unglückseligen Conjuucturen gewiß nicht auf die Dauer, aber doch für den
entscheidenden Augenblick, denn im Durchschnitt ist die Masse des bairischen Volks
aller Stände und Kategorien ebenso sonderbündlerisch wie die, Regierung, nur


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[0270] Abel dem Ultramontanismus machte, war die Bevorzugung der Katholiken bei der Besetzung der Staatsämter. Es geschah oft mit schamloser Brutalität und gewiß äußerte es einen Übeln Einfluß ans die Stimmung des protestantischen Theils der Bevölkerung gegen den katholischen. Doch war man im allgemeinen verstän¬ dig genug, diese Abneigung nur fügsamen oder fanatischen Werkzeugen der Münchner Ultra's entgelten zu lassen, ja, es wurde durch diese Maßregel gerade das umgekehrte von dem erreicht, was man beabsichtigte, nämlich eine gegenseitige Berührung der beiden Confessionen, die in den meisten Fällen zu einer, von den historisch-politischen Blättern mit Feuer und Schwert verfolgten, gemüthlichen Tole¬ ranz a in Nathan dem Weisen führte, wobei dem Protestantismus die Rolle des bildenden und die eingesogenen Vorurtheile der katholischen Fremdlinge allmälig mildernden Elementes zufiel. Auch in allen anderen Lebenskreisen zeigte sich dieselbe Erscheinung. Trotz aller Prohibitivmaßregeln des Ministeriums Abel — man hatte sogar die Zucht-- linge nach Confesstouen geschieden und ausschließlich katholische und ebenso aus¬ schließlich protestantische Zuchthäuser errichtet — war es doch unmöglich die Protestanten wie sonst die Juden zu behandeln. Mit dem besten Willen konnte man keine Ghetto'S für sie ummaueru oder sie ganz aus altkatholischen Städten und Flecke» ausschließen. Man konnte ihnen wohl hie und da, wie z. B. in Ingolstadt, das Leben sauer machen, mitunter auch ein Nudel bezahlter Gassenjungen oder fanatisirten Pöbel auf sie Hetzen, aber die in steigender Pro¬ zession zunehmende Nermischnng beider Confessionen ließ sich nicht aufhalten, und bei '/» aller bairischen Katholiken waren die von den Ultramontanen ange¬ wandten Mittel gerade die eigentlichen Specifica, um sie gründlich von allen Re¬ sten des starren Pfaffenthums zu purgiren. — Dieselbe Wirkung äußerten die braunen und schwarzen Kutten, deren man sich seit Montgelas Tagen total entwöhnt hatte. In Baiern selbst fand man be¬ kanntlich nicht einmal hinlänglich Kandidaten dafür, obgleich die Aussicht auf be¬ hagliche Versorgung viel rockender hätte wirken sollen, als z. B. das knappe und mit Gefahr von Haut und Haar zu verdienende Handgeld der Berliner Con- stabler. Aber freilich Scene», wie sie vor zwei oder drei Jahren in Würzburg vor¬ kamen, wo sich die fremden ans Italien verschriebenen ehrwürdigen Väter mit denen bairischen Namens prügelten, trugen nicht dazu bei, das neumodische Mönchthum volkstümlicher zu machen. — Ob die Regierung auf anderm Wege die Massen zu einem heiligen Kriege gegen die verketzerte Einheit Deutschlands fortreißen könnte? Vielleicht unter be¬ sonders unglückseligen Conjuucturen gewiß nicht auf die Dauer, aber doch für den entscheidenden Augenblick, denn im Durchschnitt ist die Masse des bairischen Volks aller Stände und Kategorien ebenso sonderbündlerisch wie die, Regierung, nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/270>, abgerufen am 23.12.2024.