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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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"Der Wilhelm war hier, und Ihr habt die Augen zugedrückt," fuhr sie der
Förster an.

"Wer? der Bettclbnb', der sich die Hände wund schlägt beim Steineklopfer,
der Spitzbub', daß ich es grad' heraussage, ich wollt', er baumelte am Galgen."
Sie schrie, bis der flvckhaarige Tiraö unter dem Tische hervorfuhr und ihr knur¬
rend die Zähne wies.

"Schrei Du und der Teufel!" rief der Förster mühsam an sich haltend, schlug
mit der Faust auf den Tisch, daß die Milch hoch aus der Schüssel sprang, "ich
will der Sach' ein Ende machen und noch heut!" -- Er nahm seine Mütze und lief
hinaus, die Muhme horchte. Am Keller stand er still, und gleich darauf trat er,
die Hände in der Rocktasche, dem Hunde pfeifend, wieder in die Stube. "Habt
Ihr das Mädel abgestraft?" frug die Alte verwundert. -- "Für heute hat sie ge¬
nug," murrte der Waldmann, "des Fleischers Wagen wartet auf der Chaussee,
ich will vor Nacht wieder zu Hause sein."

Etwas später schritt Wilhelm rüstig durch deu Wald in die Berge hinein.
Drei bis vier junge Burschen, Tannenzweige an den Mützen, folgten in kurzen
Entfernungen auf demselben Wege. Wilhelm sprang über den breiten Chansse'e-
graben und glitt quer durch das dichte Gestrüpp des Waldes, trotz der einbre¬
chenden Dunkelheit seinen Weg mit Sicherheit verfolgend. Nachdem er sich etwa
eine halbe Stunde fortgewunden hatte, kam er an einer dichten Krenzdornwand
an, bog vorsichtig die sachlichen Zweige zurück und trat in einen Kreis, den das
hohe Buschwerk um eine Eiche gezogen hatte und der von innen durch Menschen¬
hand gesäubert und gelichtet war. Am Stamm des Baumes standen einige Korn¬
säcke, Holzscheite, Hasen und ein Reh lagen ans dem Boden. Kurz nach Wilhelm
versammelten sich etwa ein Dutzend Männer in demselben Raum, meist schwäch¬
liche Gesellen mit langem gekrümmtem Rücken und dem Ausdruck großer Stumpf¬
heit in den verfallenen Gesichtern, doch sah man auch kräftige Gestalten, deren
harte Züge Muth und Entschlossenheit bewiesen. Ein stämmiger Kerl, dessen ver¬
wildertes Haar ein Strick zusammenhielt, kauerte vor einem brennenden Kienspan
nieder, zählte Geld auf ein breites Scheit und berechnete sich langsam mit Wil¬
helm. "Jonas," fuhr dieser auf, "ist das Alles, was Dn für den Haufen Hasen
gemarktet hast?" -- "Der Krauseschneider gibt nicht mehr," antwortete Jonas
kurz und zog die dicken Augenbrauen zusammen. Es hat nullum Hasen auf dem
Markte." -- "Es wäre bald besser," warf ein Schelm mit treuherzigem Gesicht
dazwischen, "man verkaufte sie gar uicht, wenn man das Zeug uur essen könnte."

"Da geht unser Handwerk besser," lachte verschmitzt ein schlanker Kerl, "wir
kommen niemals unverrichteter Sache zurück." Wilhelms Blicke flogen fragend
über den aalartigen Körper seines Kameraden. -- "Gestern konnten wir zufrieden
sein auf dem kleinen Höfla in der Vorstadt, ich kroch durch el" lockres Brett in
die Feldscheuer," erzählte der Aal selbstzufrieden und knöpfte dabei seine knappe


„Der Wilhelm war hier, und Ihr habt die Augen zugedrückt," fuhr sie der
Förster an.

„Wer? der Bettclbnb', der sich die Hände wund schlägt beim Steineklopfer,
der Spitzbub', daß ich es grad' heraussage, ich wollt', er baumelte am Galgen."
Sie schrie, bis der flvckhaarige Tiraö unter dem Tische hervorfuhr und ihr knur¬
rend die Zähne wies.

„Schrei Du und der Teufel!" rief der Förster mühsam an sich haltend, schlug
mit der Faust auf den Tisch, daß die Milch hoch aus der Schüssel sprang, „ich
will der Sach' ein Ende machen und noch heut!" — Er nahm seine Mütze und lief
hinaus, die Muhme horchte. Am Keller stand er still, und gleich darauf trat er,
die Hände in der Rocktasche, dem Hunde pfeifend, wieder in die Stube. „Habt
Ihr das Mädel abgestraft?" frug die Alte verwundert. — „Für heute hat sie ge¬
nug," murrte der Waldmann, „des Fleischers Wagen wartet auf der Chaussee,
ich will vor Nacht wieder zu Hause sein."

Etwas später schritt Wilhelm rüstig durch deu Wald in die Berge hinein.
Drei bis vier junge Burschen, Tannenzweige an den Mützen, folgten in kurzen
Entfernungen auf demselben Wege. Wilhelm sprang über den breiten Chansse'e-
graben und glitt quer durch das dichte Gestrüpp des Waldes, trotz der einbre¬
chenden Dunkelheit seinen Weg mit Sicherheit verfolgend. Nachdem er sich etwa
eine halbe Stunde fortgewunden hatte, kam er an einer dichten Krenzdornwand
an, bog vorsichtig die sachlichen Zweige zurück und trat in einen Kreis, den das
hohe Buschwerk um eine Eiche gezogen hatte und der von innen durch Menschen¬
hand gesäubert und gelichtet war. Am Stamm des Baumes standen einige Korn¬
säcke, Holzscheite, Hasen und ein Reh lagen ans dem Boden. Kurz nach Wilhelm
versammelten sich etwa ein Dutzend Männer in demselben Raum, meist schwäch¬
liche Gesellen mit langem gekrümmtem Rücken und dem Ausdruck großer Stumpf¬
heit in den verfallenen Gesichtern, doch sah man auch kräftige Gestalten, deren
harte Züge Muth und Entschlossenheit bewiesen. Ein stämmiger Kerl, dessen ver¬
wildertes Haar ein Strick zusammenhielt, kauerte vor einem brennenden Kienspan
nieder, zählte Geld auf ein breites Scheit und berechnete sich langsam mit Wil¬
helm. „Jonas," fuhr dieser auf, „ist das Alles, was Dn für den Haufen Hasen
gemarktet hast?" — „Der Krauseschneider gibt nicht mehr," antwortete Jonas
kurz und zog die dicken Augenbrauen zusammen. Es hat nullum Hasen auf dem
Markte." — „Es wäre bald besser," warf ein Schelm mit treuherzigem Gesicht
dazwischen, „man verkaufte sie gar uicht, wenn man das Zeug uur essen könnte."

„Da geht unser Handwerk besser," lachte verschmitzt ein schlanker Kerl, „wir
kommen niemals unverrichteter Sache zurück." Wilhelms Blicke flogen fragend
über den aalartigen Körper seines Kameraden. — „Gestern konnten wir zufrieden
sein auf dem kleinen Höfla in der Vorstadt, ich kroch durch el» lockres Brett in
die Feldscheuer," erzählte der Aal selbstzufrieden und knöpfte dabei seine knappe


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[0238] „Der Wilhelm war hier, und Ihr habt die Augen zugedrückt," fuhr sie der Förster an. „Wer? der Bettclbnb', der sich die Hände wund schlägt beim Steineklopfer, der Spitzbub', daß ich es grad' heraussage, ich wollt', er baumelte am Galgen." Sie schrie, bis der flvckhaarige Tiraö unter dem Tische hervorfuhr und ihr knur¬ rend die Zähne wies. „Schrei Du und der Teufel!" rief der Förster mühsam an sich haltend, schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Milch hoch aus der Schüssel sprang, „ich will der Sach' ein Ende machen und noch heut!" — Er nahm seine Mütze und lief hinaus, die Muhme horchte. Am Keller stand er still, und gleich darauf trat er, die Hände in der Rocktasche, dem Hunde pfeifend, wieder in die Stube. „Habt Ihr das Mädel abgestraft?" frug die Alte verwundert. — „Für heute hat sie ge¬ nug," murrte der Waldmann, „des Fleischers Wagen wartet auf der Chaussee, ich will vor Nacht wieder zu Hause sein." Etwas später schritt Wilhelm rüstig durch deu Wald in die Berge hinein. Drei bis vier junge Burschen, Tannenzweige an den Mützen, folgten in kurzen Entfernungen auf demselben Wege. Wilhelm sprang über den breiten Chansse'e- graben und glitt quer durch das dichte Gestrüpp des Waldes, trotz der einbre¬ chenden Dunkelheit seinen Weg mit Sicherheit verfolgend. Nachdem er sich etwa eine halbe Stunde fortgewunden hatte, kam er an einer dichten Krenzdornwand an, bog vorsichtig die sachlichen Zweige zurück und trat in einen Kreis, den das hohe Buschwerk um eine Eiche gezogen hatte und der von innen durch Menschen¬ hand gesäubert und gelichtet war. Am Stamm des Baumes standen einige Korn¬ säcke, Holzscheite, Hasen und ein Reh lagen ans dem Boden. Kurz nach Wilhelm versammelten sich etwa ein Dutzend Männer in demselben Raum, meist schwäch¬ liche Gesellen mit langem gekrümmtem Rücken und dem Ausdruck großer Stumpf¬ heit in den verfallenen Gesichtern, doch sah man auch kräftige Gestalten, deren harte Züge Muth und Entschlossenheit bewiesen. Ein stämmiger Kerl, dessen ver¬ wildertes Haar ein Strick zusammenhielt, kauerte vor einem brennenden Kienspan nieder, zählte Geld auf ein breites Scheit und berechnete sich langsam mit Wil¬ helm. „Jonas," fuhr dieser auf, „ist das Alles, was Dn für den Haufen Hasen gemarktet hast?" — „Der Krauseschneider gibt nicht mehr," antwortete Jonas kurz und zog die dicken Augenbrauen zusammen. Es hat nullum Hasen auf dem Markte." — „Es wäre bald besser," warf ein Schelm mit treuherzigem Gesicht dazwischen, „man verkaufte sie gar uicht, wenn man das Zeug uur essen könnte." „Da geht unser Handwerk besser," lachte verschmitzt ein schlanker Kerl, „wir kommen niemals unverrichteter Sache zurück." Wilhelms Blicke flogen fragend über den aalartigen Körper seines Kameraden. — „Gestern konnten wir zufrieden sein auf dem kleinen Höfla in der Vorstadt, ich kroch durch el» lockres Brett in die Feldscheuer," erzählte der Aal selbstzufrieden und knöpfte dabei seine knappe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/238>, abgerufen am 22.12.2024.