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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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bedroht, als der eigentliche Heerd der slavischen Bewegung. ES ist daS alte
Spiel! Die Sympathieen der Völker werden ausgebeutet zur gegenseitigen Be¬
wegung derselben und zur Verherrlichung der aliöstreichischen Hausmacht.

Man hatte das Ministerium Schwarzenberg-Stadion bei seinem Eintritte das
Ministerium der Restauration genannt. Die Freunde des vernünftigen Fortschrittes
hatten darunter eine rasche Beendigung des provisorischen Zustandes, des Ueber-
gangs von Anarchie zur geregelten Freiheit, eine durchgreifende Organisation in
Gesetzgebung und Verwaltung verstanden. Und mußte nicht das Programm die¬
ser Herren alle Patrioten in diesem Glauben bestärken? Hören Sie nun, wie die
Liberalen verschiedener Farben und Nationalitäten in Kremsicr und im ganzen Lande
über die Dinge räsvnniren: "Bei uns steht es jämmerlich! Das Geschrei der Presse
hilft zu gar uicltS und über die Drohungen einzelner Völker lacht das Ministe¬
rium und die Armee. Ja, es kommt jedenfalls noch schlimmer. Nachdem jetzt
der ganze Osten und Süden, sowie die Residenz und Hauptstadt unter Waffen
-- ja meist ganz militärisch gouveruirt wirb, wartet man mir, um die Anleihe
zu placiren, Prag und Agram in Belagerungszustand zu nehme", und dann wird
der Reichstag aufgelöst, eine octrvvirtc Verfassung wird spater folgen. Wie diese
ausfallen wird, können Sie ans den ministeriellen Amendements zu den Grund¬
rechten sehen. Es ist klar, welchen Weg Alles geht; die Machinationen des Mini¬
steriums in der deutsche" Frage hänge" mit den strengen Maßregeln gegen die¬
jenigen Provinzen zusammen, welche jetzt uuter Militärgeivalt stehen und sich gegen
den Anschluß an Deutschland wahren konnten. Und dieses Alles läuft aus ein
10--Lgjähriges Prvvisvrnm hinaus!" ')

Darfes uns noch wundern, wenn die Erbitterung gegen die östreichische Regie¬
rung und Militärgewalt bei alleu Nationalitäten, in der Hauptstadt und in Deutschland
selbst von Tag zu Tag sich steigert? Werden dann nicht jene Gerüchte gerne Glau¬
ben finden, welche von der Kanzlei des östreichischen Cabinets in Metternichs
Hütel zu Brighton und von der Rückkehr des alten Staatökan;ters in diesem
Frühjahr nach Oestreich sprechen? Kindische Furcht, werden die F>müde des Hrn.
von Schmerling im östreichischen Kabinete s.igen. Und sie haben recht. Man
braucht nicht erst den Teufel an die Wand zu male" -- er ist schon da. Der
alte östreichische Mephisto, der den deutschen Faust daran erinnert, daß er ihm
in den Jahren 18IL--15 seinen Leib mit Blut verschrieben, der alte Höllenfürst
spukt wieder in allen europäischen Kabinetten, in Rußland borgt er neun Millio¬
nen, um in Frankreich und Italien wieder die alte Ordnung herzustellen, er ver¬
fertigt wieder diplomatische Noten für seine guten Freunde zum beliebigen Ge¬
brauch nud schreckt die Kleinen ans ihren Thrönchen, während er dem russischen
Kolosse die Thore und Fallthüren im eigenen und in fremden Reichen mit offen



*) Aus dem Briefe eines Krcmsiercr Deputaten vom linken Centrum.

bedroht, als der eigentliche Heerd der slavischen Bewegung. ES ist daS alte
Spiel! Die Sympathieen der Völker werden ausgebeutet zur gegenseitigen Be¬
wegung derselben und zur Verherrlichung der aliöstreichischen Hausmacht.

Man hatte das Ministerium Schwarzenberg-Stadion bei seinem Eintritte das
Ministerium der Restauration genannt. Die Freunde des vernünftigen Fortschrittes
hatten darunter eine rasche Beendigung des provisorischen Zustandes, des Ueber-
gangs von Anarchie zur geregelten Freiheit, eine durchgreifende Organisation in
Gesetzgebung und Verwaltung verstanden. Und mußte nicht das Programm die¬
ser Herren alle Patrioten in diesem Glauben bestärken? Hören Sie nun, wie die
Liberalen verschiedener Farben und Nationalitäten in Kremsicr und im ganzen Lande
über die Dinge räsvnniren: „Bei uns steht es jämmerlich! Das Geschrei der Presse
hilft zu gar uicltS und über die Drohungen einzelner Völker lacht das Ministe¬
rium und die Armee. Ja, es kommt jedenfalls noch schlimmer. Nachdem jetzt
der ganze Osten und Süden, sowie die Residenz und Hauptstadt unter Waffen
— ja meist ganz militärisch gouveruirt wirb, wartet man mir, um die Anleihe
zu placiren, Prag und Agram in Belagerungszustand zu nehme», und dann wird
der Reichstag aufgelöst, eine octrvvirtc Verfassung wird spater folgen. Wie diese
ausfallen wird, können Sie ans den ministeriellen Amendements zu den Grund¬
rechten sehen. Es ist klar, welchen Weg Alles geht; die Machinationen des Mini¬
steriums in der deutsche» Frage hänge» mit den strengen Maßregeln gegen die¬
jenigen Provinzen zusammen, welche jetzt uuter Militärgeivalt stehen und sich gegen
den Anschluß an Deutschland wahren konnten. Und dieses Alles läuft aus ein
10—Lgjähriges Prvvisvrnm hinaus!" ')

Darfes uns noch wundern, wenn die Erbitterung gegen die östreichische Regie¬
rung und Militärgewalt bei alleu Nationalitäten, in der Hauptstadt und in Deutschland
selbst von Tag zu Tag sich steigert? Werden dann nicht jene Gerüchte gerne Glau¬
ben finden, welche von der Kanzlei des östreichischen Cabinets in Metternichs
Hütel zu Brighton und von der Rückkehr des alten Staatökan;ters in diesem
Frühjahr nach Oestreich sprechen? Kindische Furcht, werden die F>müde des Hrn.
von Schmerling im östreichischen Kabinete s.igen. Und sie haben recht. Man
braucht nicht erst den Teufel an die Wand zu male» — er ist schon da. Der
alte östreichische Mephisto, der den deutschen Faust daran erinnert, daß er ihm
in den Jahren 18IL—15 seinen Leib mit Blut verschrieben, der alte Höllenfürst
spukt wieder in allen europäischen Kabinetten, in Rußland borgt er neun Millio¬
nen, um in Frankreich und Italien wieder die alte Ordnung herzustellen, er ver¬
fertigt wieder diplomatische Noten für seine guten Freunde zum beliebigen Ge¬
brauch nud schreckt die Kleinen ans ihren Thrönchen, während er dem russischen
Kolosse die Thore und Fallthüren im eigenen und in fremden Reichen mit offen



*) Aus dem Briefe eines Krcmsiercr Deputaten vom linken Centrum.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/229>, abgerufen am 23.07.2024.