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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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die Hacke bereiten für die Brotfrüchte das Land nicht besser vor,
als Pflug und Egge. Letztere aber sind bei dem Anbau des Bodens die
Maschinen, durch welche die Frucht wohlfeiler erzeugt wird, als durch Händearbeit.
Eben so wenig, wie es gelingen wird, Fabrikationsgegenstände dnrch Händearbeit
eben so billig herzustellen, als durch mechanische Kräfte, eben so wenig wird der
Landwirth, welcher ohne Zugvieh Ackerbau treibt, mit denjenigen wetteifern können,
welcher den Fruchtbau durch thierische Kräfte und in Verbindung mit anderen Ge¬
werben betreibt. Dies wird auch von verständigen Besitzern kleiner Grundstücke
überall anerkannt. Sie bezahlen gern das Pfluglohn, wenn sie Gcspannarbeit er¬
halten können und verrichten bei Andern Handarbeit für Tagelohn, weil sie wissen,
daß sie dadurch ihre Zeit und Kräfte besser verwerthen, als durch Bearbeitung
ihres Bodens mit der Hand.

Dazu treten noch andere Uebelstände. Der Aufwand, den die Gebäudeun¬
terhaltung, die Feuerung und die allgemeinen Haushaltskosten erfordern, belastet
bei Kleinbesitz den einzelnen Morgen zu sehr, als daß ein namhafter Ueberschuß
von ihm zu erlangen wäre. Der Mann, welcher 50 Morgen bewirthschaftet,
kann, wenn er sonst will, für die genannten Gegenstände mit demselben Aufwand
ausreichen, den ein anderer, welcher nur 20 bis 25 Morgen besitzt u. s. w., wi¬
der Willen machen muß.

Und wie dus eigne Leben der Klasse kleiner Grundbesitzer, von denen ich
jetzt sprach, haltlos und kümmerlich ist, so wird ihre Vermehrung auch für den Staat
unvortheilhaft. Die unentbehrlichen Bedürfnisse, welche durch Sitte und Gewohn¬
heit oder durch klimatische Zustände bedingt werden, sind von keinem, anch von
dem Aermsten nicht zurück zu weisen. Nur darüber steht dem Menschen die Frei¬
heit offen, was er für sein Vergnügen und ein behagliches Leben ver¬
wenden will. Nur hierin werden den Einzelnen die Ersparnisse möglich werden,
und ohne diese Ersparnisse kann kein Gemeinwesen Fortschritte machen. Sind die¬
jenigen Mitglieder eines Landes, welche deu Boden anbauen, also die Urproduk¬
tion in Händen haben, in einer Lage, welche ihnen nicht erlaubt, durch Ein¬
schränkung in ihren Bedürfnissen ein Kapital zu erwerben, so fehlen die Mittel
zu jedem Fortschritt, in Wissenschaft und Kunst eben sowohl, als in Anstalten zur
Volksbildung, oder in Gründung neuer Gewerbsqncllcn. Zu allem diesen sind
Vorräthe über den täglichen Bedarf erforderlich. Je mehr in einem Lande
das Grundeigenthum zerstückelt ist, je weniger Leute werden daselbst angetroffen,
die mit Mitteln versehen sind, die höhern Angelegenheiten der Menschheit zu för¬
dern oder bei einer allgemeinen Noth hilfreich einzuschreiten; desto fühlbarer wird
der Mangel an Nahrungsmitteln bei Mißernten, desto leichter entsteht Unzufrie¬
denheit und Auswanderungslust. Die Erfahrung bestätigt das überall. Und wenn
große Flächen ohne das erforderliche Betriebskapital, oder, was gleich ist, ohne
Zweckmäßig verwendete Arbeit, keinen erfreulichen Anblick gewähren, und keine


die Hacke bereiten für die Brotfrüchte das Land nicht besser vor,
als Pflug und Egge. Letztere aber sind bei dem Anbau des Bodens die
Maschinen, durch welche die Frucht wohlfeiler erzeugt wird, als durch Händearbeit.
Eben so wenig, wie es gelingen wird, Fabrikationsgegenstände dnrch Händearbeit
eben so billig herzustellen, als durch mechanische Kräfte, eben so wenig wird der
Landwirth, welcher ohne Zugvieh Ackerbau treibt, mit denjenigen wetteifern können,
welcher den Fruchtbau durch thierische Kräfte und in Verbindung mit anderen Ge¬
werben betreibt. Dies wird auch von verständigen Besitzern kleiner Grundstücke
überall anerkannt. Sie bezahlen gern das Pfluglohn, wenn sie Gcspannarbeit er¬
halten können und verrichten bei Andern Handarbeit für Tagelohn, weil sie wissen,
daß sie dadurch ihre Zeit und Kräfte besser verwerthen, als durch Bearbeitung
ihres Bodens mit der Hand.

Dazu treten noch andere Uebelstände. Der Aufwand, den die Gebäudeun¬
terhaltung, die Feuerung und die allgemeinen Haushaltskosten erfordern, belastet
bei Kleinbesitz den einzelnen Morgen zu sehr, als daß ein namhafter Ueberschuß
von ihm zu erlangen wäre. Der Mann, welcher 50 Morgen bewirthschaftet,
kann, wenn er sonst will, für die genannten Gegenstände mit demselben Aufwand
ausreichen, den ein anderer, welcher nur 20 bis 25 Morgen besitzt u. s. w., wi¬
der Willen machen muß.

Und wie dus eigne Leben der Klasse kleiner Grundbesitzer, von denen ich
jetzt sprach, haltlos und kümmerlich ist, so wird ihre Vermehrung auch für den Staat
unvortheilhaft. Die unentbehrlichen Bedürfnisse, welche durch Sitte und Gewohn¬
heit oder durch klimatische Zustände bedingt werden, sind von keinem, anch von
dem Aermsten nicht zurück zu weisen. Nur darüber steht dem Menschen die Frei¬
heit offen, was er für sein Vergnügen und ein behagliches Leben ver¬
wenden will. Nur hierin werden den Einzelnen die Ersparnisse möglich werden,
und ohne diese Ersparnisse kann kein Gemeinwesen Fortschritte machen. Sind die¬
jenigen Mitglieder eines Landes, welche deu Boden anbauen, also die Urproduk¬
tion in Händen haben, in einer Lage, welche ihnen nicht erlaubt, durch Ein¬
schränkung in ihren Bedürfnissen ein Kapital zu erwerben, so fehlen die Mittel
zu jedem Fortschritt, in Wissenschaft und Kunst eben sowohl, als in Anstalten zur
Volksbildung, oder in Gründung neuer Gewerbsqncllcn. Zu allem diesen sind
Vorräthe über den täglichen Bedarf erforderlich. Je mehr in einem Lande
das Grundeigenthum zerstückelt ist, je weniger Leute werden daselbst angetroffen,
die mit Mitteln versehen sind, die höhern Angelegenheiten der Menschheit zu för¬
dern oder bei einer allgemeinen Noth hilfreich einzuschreiten; desto fühlbarer wird
der Mangel an Nahrungsmitteln bei Mißernten, desto leichter entsteht Unzufrie¬
denheit und Auswanderungslust. Die Erfahrung bestätigt das überall. Und wenn
große Flächen ohne das erforderliche Betriebskapital, oder, was gleich ist, ohne
Zweckmäßig verwendete Arbeit, keinen erfreulichen Anblick gewähren, und keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/151>, abgerufen am 23.07.2024.