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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Heilung der eingewurzelten Gebrechen auch für die kleinste Wirthschaft zuerst ein
wohldurchdachter Plan und dann die Kraft erforderlich, bei jeder im Laufe des
Jahres vorkommenden Verrichtung diese so in Ausführung zu bringen, wie der
Plan erheischt. Dazu gehört aber eine nicht gewöhnliche Seelenstärke, zumal wenn
man bedenkt, daß inzwischen der Mangel an materiellen Mitteln und selbst das
Widerstreben der Familienglieder es dem Wirth erschweren, von dem Hergebrach¬
ten und Ueblichen abzuweichen.

Diese Hindernisse des Fortschrittes der kleinen Grundbesitzer bewirken leider,
daß Jahrhunderte lang schreiende Mängel bestehen, ohne daß nur ein Versuch
gemacht wird, sie zu beben. Ja, so groß sind diese Uebelstände, welche noch an
dem kleinen Grundbesitz hängen, daß sich behaupten läßt: die Urquellen des allge¬
meinen Nothstandes, welcher von Zeit zu Zeit die Staaten erschüttert, sind zum
großen Theil in der mangelhaften Benutzung des Bodens beim
Grundbesitz zu suchen. Wäre die Urproduktion größer, so wären auch mehr
Mittel vorhanden, die Industrie zu beleben und zu erweitern.

Welche Kleinheit des Grundbesitzes aber unvortheilhaften und gefährlichen
Kleinbau verursache, das läßt sich natürlich so allgemein nicht in Fuß und Ruthen
angeben, doch der leitende Grundsatz möge in unserer Nationalökonomie anerkannt
werden, daß nur auf der Ackerfläche, welche wenigstens zwei gute
Zugthiere beschäftigt, ein Rente dringender Ackerbau Statt fin¬
den kann"), und ferner daß bei geringerer Bodenfläche der Acker¬
bau in derNegel weder dem Besitzer eine tüchtige und sichere Exi¬
stenz gibt, noch den Wohlstand und die Kraft des Staates vermehrt.

Damit ist jedoch keineswegs behauptet, daß aller kleine Landbesitz gefahrbrin¬
gend und bedenklich sei. Im Gegentheil, in vielen Fällen ist er dem Familienleben
höchst segensreicher Schutz und seine beste Weihe. Ich sehe hier ganz ab von der
erwähnten Gemüsecultur in der Nähe großer Städte, aber es ist überall ein Glück,
wo in den Händen verständiger und fleißiger Eigenthümer eine gartenmäßige
Behandlung des kleinen Gutes eintritt. Dabei aber ist vorausgesetzt, daß
der Besitzer desselben einen guten Nebenverdienst hat, so daß sein Besitzthum nur
der Frau und den erwachsenen Kindern Gelegenheit gibt, die unbeschäftigte Zeit
nützlich anzuwenden. In diesem Fall ist die Verwerthung des Bodens allerdings
eine hohe und es ist deshalb sehr wohlgethan, die Gründung kleiner Stel¬
len für Handwerker, Fabrikarbeiter und Tagelöhner ans alle
Weise zu erleichtern und dem gesunden Verlangen des Menschen, eigenen



*) Unseren Lesern, welche keine Landwirthe sind und hier den sehr mißlichen Anhalt an
eine feste Zahl verlangen, bemerken wir, daß sie eine Wirthschaft, welche zwei Augthierc gut
beschäftigt und gut erhält, im mittlern Durchschnitt der Bodengiite etwa zu 50 Morgen an¬
nehmen mögen. Ein preußischer Morgen von !5V Quadratruthen ist ungefähr K vom Wiener
Loch, etwas weniger als die Hälfte des sächsischen Ackers und ? des vairischen Jauchart.

Heilung der eingewurzelten Gebrechen auch für die kleinste Wirthschaft zuerst ein
wohldurchdachter Plan und dann die Kraft erforderlich, bei jeder im Laufe des
Jahres vorkommenden Verrichtung diese so in Ausführung zu bringen, wie der
Plan erheischt. Dazu gehört aber eine nicht gewöhnliche Seelenstärke, zumal wenn
man bedenkt, daß inzwischen der Mangel an materiellen Mitteln und selbst das
Widerstreben der Familienglieder es dem Wirth erschweren, von dem Hergebrach¬
ten und Ueblichen abzuweichen.

Diese Hindernisse des Fortschrittes der kleinen Grundbesitzer bewirken leider,
daß Jahrhunderte lang schreiende Mängel bestehen, ohne daß nur ein Versuch
gemacht wird, sie zu beben. Ja, so groß sind diese Uebelstände, welche noch an
dem kleinen Grundbesitz hängen, daß sich behaupten läßt: die Urquellen des allge¬
meinen Nothstandes, welcher von Zeit zu Zeit die Staaten erschüttert, sind zum
großen Theil in der mangelhaften Benutzung des Bodens beim
Grundbesitz zu suchen. Wäre die Urproduktion größer, so wären auch mehr
Mittel vorhanden, die Industrie zu beleben und zu erweitern.

Welche Kleinheit des Grundbesitzes aber unvortheilhaften und gefährlichen
Kleinbau verursache, das läßt sich natürlich so allgemein nicht in Fuß und Ruthen
angeben, doch der leitende Grundsatz möge in unserer Nationalökonomie anerkannt
werden, daß nur auf der Ackerfläche, welche wenigstens zwei gute
Zugthiere beschäftigt, ein Rente dringender Ackerbau Statt fin¬
den kann"), und ferner daß bei geringerer Bodenfläche der Acker¬
bau in derNegel weder dem Besitzer eine tüchtige und sichere Exi¬
stenz gibt, noch den Wohlstand und die Kraft des Staates vermehrt.

Damit ist jedoch keineswegs behauptet, daß aller kleine Landbesitz gefahrbrin¬
gend und bedenklich sei. Im Gegentheil, in vielen Fällen ist er dem Familienleben
höchst segensreicher Schutz und seine beste Weihe. Ich sehe hier ganz ab von der
erwähnten Gemüsecultur in der Nähe großer Städte, aber es ist überall ein Glück,
wo in den Händen verständiger und fleißiger Eigenthümer eine gartenmäßige
Behandlung des kleinen Gutes eintritt. Dabei aber ist vorausgesetzt, daß
der Besitzer desselben einen guten Nebenverdienst hat, so daß sein Besitzthum nur
der Frau und den erwachsenen Kindern Gelegenheit gibt, die unbeschäftigte Zeit
nützlich anzuwenden. In diesem Fall ist die Verwerthung des Bodens allerdings
eine hohe und es ist deshalb sehr wohlgethan, die Gründung kleiner Stel¬
len für Handwerker, Fabrikarbeiter und Tagelöhner ans alle
Weise zu erleichtern und dem gesunden Verlangen des Menschen, eigenen



*) Unseren Lesern, welche keine Landwirthe sind und hier den sehr mißlichen Anhalt an
eine feste Zahl verlangen, bemerken wir, daß sie eine Wirthschaft, welche zwei Augthierc gut
beschäftigt und gut erhält, im mittlern Durchschnitt der Bodengiite etwa zu 50 Morgen an¬
nehmen mögen. Ein preußischer Morgen von !5V Quadratruthen ist ungefähr K vom Wiener
Loch, etwas weniger als die Hälfte des sächsischen Ackers und ? des vairischen Jauchart.
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[0149] Heilung der eingewurzelten Gebrechen auch für die kleinste Wirthschaft zuerst ein wohldurchdachter Plan und dann die Kraft erforderlich, bei jeder im Laufe des Jahres vorkommenden Verrichtung diese so in Ausführung zu bringen, wie der Plan erheischt. Dazu gehört aber eine nicht gewöhnliche Seelenstärke, zumal wenn man bedenkt, daß inzwischen der Mangel an materiellen Mitteln und selbst das Widerstreben der Familienglieder es dem Wirth erschweren, von dem Hergebrach¬ ten und Ueblichen abzuweichen. Diese Hindernisse des Fortschrittes der kleinen Grundbesitzer bewirken leider, daß Jahrhunderte lang schreiende Mängel bestehen, ohne daß nur ein Versuch gemacht wird, sie zu beben. Ja, so groß sind diese Uebelstände, welche noch an dem kleinen Grundbesitz hängen, daß sich behaupten läßt: die Urquellen des allge¬ meinen Nothstandes, welcher von Zeit zu Zeit die Staaten erschüttert, sind zum großen Theil in der mangelhaften Benutzung des Bodens beim Grundbesitz zu suchen. Wäre die Urproduktion größer, so wären auch mehr Mittel vorhanden, die Industrie zu beleben und zu erweitern. Welche Kleinheit des Grundbesitzes aber unvortheilhaften und gefährlichen Kleinbau verursache, das läßt sich natürlich so allgemein nicht in Fuß und Ruthen angeben, doch der leitende Grundsatz möge in unserer Nationalökonomie anerkannt werden, daß nur auf der Ackerfläche, welche wenigstens zwei gute Zugthiere beschäftigt, ein Rente dringender Ackerbau Statt fin¬ den kann"), und ferner daß bei geringerer Bodenfläche der Acker¬ bau in derNegel weder dem Besitzer eine tüchtige und sichere Exi¬ stenz gibt, noch den Wohlstand und die Kraft des Staates vermehrt. Damit ist jedoch keineswegs behauptet, daß aller kleine Landbesitz gefahrbrin¬ gend und bedenklich sei. Im Gegentheil, in vielen Fällen ist er dem Familienleben höchst segensreicher Schutz und seine beste Weihe. Ich sehe hier ganz ab von der erwähnten Gemüsecultur in der Nähe großer Städte, aber es ist überall ein Glück, wo in den Händen verständiger und fleißiger Eigenthümer eine gartenmäßige Behandlung des kleinen Gutes eintritt. Dabei aber ist vorausgesetzt, daß der Besitzer desselben einen guten Nebenverdienst hat, so daß sein Besitzthum nur der Frau und den erwachsenen Kindern Gelegenheit gibt, die unbeschäftigte Zeit nützlich anzuwenden. In diesem Fall ist die Verwerthung des Bodens allerdings eine hohe und es ist deshalb sehr wohlgethan, die Gründung kleiner Stel¬ len für Handwerker, Fabrikarbeiter und Tagelöhner ans alle Weise zu erleichtern und dem gesunden Verlangen des Menschen, eigenen *) Unseren Lesern, welche keine Landwirthe sind und hier den sehr mißlichen Anhalt an eine feste Zahl verlangen, bemerken wir, daß sie eine Wirthschaft, welche zwei Augthierc gut beschäftigt und gut erhält, im mittlern Durchschnitt der Bodengiite etwa zu 50 Morgen an¬ nehmen mögen. Ein preußischer Morgen von !5V Quadratruthen ist ungefähr K vom Wiener Loch, etwas weniger als die Hälfte des sächsischen Ackers und ? des vairischen Jauchart.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/149>, abgerufen am 23.07.2024.