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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Truppe werden genau und vollständig charakterisirt: Theaterfreunde und Kunstge¬
nossen werden eine Menge von kleinen Thcatergeschichten und Zügen, feinen oft
bedeutenden Bemerkungen finden, die ihnen das Buch bald unentbehrlich machen
werden, Jedem aber wird zweierlei wohlthun, das milde, wahre Urtheil über Per¬
sonen und Zustände, welches überall anerkennt und schont, ohne zu beschönigen,
und der begeisterte Eiser sür Hebung der Kunst und eine vernünftige Umgestaltung
unsrer Theäterzustände. Und wenn der gelehrte Literarhistoriker in der Geschichte
des ältesten, mittelalterlichen Schauspiels hier und da Vollständigkeit vermissen
sollte, dem unruhigen Leser dieses Jahres aber die Erzählung bisweilen zu aus¬
führlich wird, so wollen doch wir dem feingebildeten und gewissenhaften Künstler
danken, daß er eine Lücke in unsrer Culturgeschichte ausgefüllt hat, welche für
die Gelehrten alle sehr fühlbar war, ohne daß' sie den rechten Schick gehabt hätten,
sich selbst darüber fort zu helfen.

Wenn Devrient den langen Entwicklungsgang des Theaters bis zur Gegen¬
wart darstellt, so geschieht dies nicht, ohne daß er an die Gegenwart bestimmte
Wünsche und Forderungen sür die deutsche Bühne stellt. Seine Broschüre: das
Nationaltheater des neuen Deutschlands, fordert eine neue Orga¬
nisation der Bühne mit einiger Aussicht auf die Realisirung seines Planes.
Seine Ueberzeugungen sind folgende: "die Bühne übt einen ungeheuern Einfluß
auf die Bildung der Nation ans, sie werde eine der wichtigsten Bildungsanstalten
des neuen Staates. Ueberall wo die Existenz des Theaters von dem Geschmack
und den Launen des Publikums abgehangen hat, ist die Kunst in tödtlicher
Gefahr gewesen, zum Handwerk herabzusinken, der Speculation zu dienen, sich
und das Publikum zu verderben, daher müssen alle Haupttheater Nationaltheater
werde", Staatsinstitute, dem Ministerium! der Volksbildung untergeordnet, mit
bestimmtem Zuschuß aus den Staatskassen. Die verschiedenen Gattungen der
scenischen Darstellung Oper, Posse, Schauspiel müssen wo möglich getrennte Räume
und Verwaltung erhalten. Die Verfassung des Theaters muß eine künstlerische
Selbstregierung durch Vertretung und nnter Vorständen sein, welche ans freien
Vertrauen gewählt sind. Die höchste executive Gewalt, die Leitung der künstle¬
rischen Praxis, muß bei jedem Theater ein dramatischer Künstler haben, dem bei
Leitung der Kunst im Ganzen ein Dichter oder Dramaturg und der Kapcllenmei-
ster beigegeben sind. Diese drei bilden die Direction. Ihr steht ein Ausschuß
der darstellenden Künstler zur Seite, welcher durch das Personal, Herren und Da¬
men, gewählt wird, auch das Orchester, der Chor und das Ballet wählen sich
alljährlich Ausschüsse. Der Ausschuß der darstellenden Künstler besteht, die beiden
Regisseure für Oper und Schauspiel mit inbegriffen, aus fünf Mitgliedern, von
denen die, drei nicht beamteten, Vorstände der Almosen-, Pensions- und Wittwen¬
kasse, Schiedsgericht bei Streitigkeiten .>c. sind und zugleich eine Vertretung des
Kunstpersonals'gegenüber der Direction ausüben. Nur 'dnrch solche Konstitution
kann die künstlerische Gesinnung, der Gcsammtgeist gekräftigt und das selbstsüchtige
Sonderinteresse einzelner Talente vernichtet werden. Die Direction wird stark
sein, weil sie sich auf das Vertrauen der Kunstgenossen stützt und dem Ministerium
nur die Bestätigung des Etats und des vom Etat abhängigen Details bleiben
darf. Dazu mögen die Spieltage vermindert, die Eintrittspreise ermäßigt werden.
Bei jedem, wenn nnr irgend gesichertem Einnahmeetat, sei er
hoch oder niedrig, ist ein Theater herzustellen, in dem der Geist
lebendig ist."

"Aber auch die verschiedenen Theater desselben Staates werden nicht mehr
isolirt stehen, sondern in der Leitung durch das Gcsammtiniuistcrium eine Verei¬
nigung finden, ans welcher sich selbst sür das künstlerische Leben der einzelnen


Truppe werden genau und vollständig charakterisirt: Theaterfreunde und Kunstge¬
nossen werden eine Menge von kleinen Thcatergeschichten und Zügen, feinen oft
bedeutenden Bemerkungen finden, die ihnen das Buch bald unentbehrlich machen
werden, Jedem aber wird zweierlei wohlthun, das milde, wahre Urtheil über Per¬
sonen und Zustände, welches überall anerkennt und schont, ohne zu beschönigen,
und der begeisterte Eiser sür Hebung der Kunst und eine vernünftige Umgestaltung
unsrer Theäterzustände. Und wenn der gelehrte Literarhistoriker in der Geschichte
des ältesten, mittelalterlichen Schauspiels hier und da Vollständigkeit vermissen
sollte, dem unruhigen Leser dieses Jahres aber die Erzählung bisweilen zu aus¬
führlich wird, so wollen doch wir dem feingebildeten und gewissenhaften Künstler
danken, daß er eine Lücke in unsrer Culturgeschichte ausgefüllt hat, welche für
die Gelehrten alle sehr fühlbar war, ohne daß' sie den rechten Schick gehabt hätten,
sich selbst darüber fort zu helfen.

Wenn Devrient den langen Entwicklungsgang des Theaters bis zur Gegen¬
wart darstellt, so geschieht dies nicht, ohne daß er an die Gegenwart bestimmte
Wünsche und Forderungen sür die deutsche Bühne stellt. Seine Broschüre: das
Nationaltheater des neuen Deutschlands, fordert eine neue Orga¬
nisation der Bühne mit einiger Aussicht auf die Realisirung seines Planes.
Seine Ueberzeugungen sind folgende: „die Bühne übt einen ungeheuern Einfluß
auf die Bildung der Nation ans, sie werde eine der wichtigsten Bildungsanstalten
des neuen Staates. Ueberall wo die Existenz des Theaters von dem Geschmack
und den Launen des Publikums abgehangen hat, ist die Kunst in tödtlicher
Gefahr gewesen, zum Handwerk herabzusinken, der Speculation zu dienen, sich
und das Publikum zu verderben, daher müssen alle Haupttheater Nationaltheater
werde», Staatsinstitute, dem Ministerium! der Volksbildung untergeordnet, mit
bestimmtem Zuschuß aus den Staatskassen. Die verschiedenen Gattungen der
scenischen Darstellung Oper, Posse, Schauspiel müssen wo möglich getrennte Räume
und Verwaltung erhalten. Die Verfassung des Theaters muß eine künstlerische
Selbstregierung durch Vertretung und nnter Vorständen sein, welche ans freien
Vertrauen gewählt sind. Die höchste executive Gewalt, die Leitung der künstle¬
rischen Praxis, muß bei jedem Theater ein dramatischer Künstler haben, dem bei
Leitung der Kunst im Ganzen ein Dichter oder Dramaturg und der Kapcllenmei-
ster beigegeben sind. Diese drei bilden die Direction. Ihr steht ein Ausschuß
der darstellenden Künstler zur Seite, welcher durch das Personal, Herren und Da¬
men, gewählt wird, auch das Orchester, der Chor und das Ballet wählen sich
alljährlich Ausschüsse. Der Ausschuß der darstellenden Künstler besteht, die beiden
Regisseure für Oper und Schauspiel mit inbegriffen, aus fünf Mitgliedern, von
denen die, drei nicht beamteten, Vorstände der Almosen-, Pensions- und Wittwen¬
kasse, Schiedsgericht bei Streitigkeiten .>c. sind und zugleich eine Vertretung des
Kunstpersonals'gegenüber der Direction ausüben. Nur 'dnrch solche Konstitution
kann die künstlerische Gesinnung, der Gcsammtgeist gekräftigt und das selbstsüchtige
Sonderinteresse einzelner Talente vernichtet werden. Die Direction wird stark
sein, weil sie sich auf das Vertrauen der Kunstgenossen stützt und dem Ministerium
nur die Bestätigung des Etats und des vom Etat abhängigen Details bleiben
darf. Dazu mögen die Spieltage vermindert, die Eintrittspreise ermäßigt werden.
Bei jedem, wenn nnr irgend gesichertem Einnahmeetat, sei er
hoch oder niedrig, ist ein Theater herzustellen, in dem der Geist
lebendig ist."

„Aber auch die verschiedenen Theater desselben Staates werden nicht mehr
isolirt stehen, sondern in der Leitung durch das Gcsammtiniuistcrium eine Verei¬
nigung finden, ans welcher sich selbst sür das künstlerische Leben der einzelnen


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[0143] Truppe werden genau und vollständig charakterisirt: Theaterfreunde und Kunstge¬ nossen werden eine Menge von kleinen Thcatergeschichten und Zügen, feinen oft bedeutenden Bemerkungen finden, die ihnen das Buch bald unentbehrlich machen werden, Jedem aber wird zweierlei wohlthun, das milde, wahre Urtheil über Per¬ sonen und Zustände, welches überall anerkennt und schont, ohne zu beschönigen, und der begeisterte Eiser sür Hebung der Kunst und eine vernünftige Umgestaltung unsrer Theäterzustände. Und wenn der gelehrte Literarhistoriker in der Geschichte des ältesten, mittelalterlichen Schauspiels hier und da Vollständigkeit vermissen sollte, dem unruhigen Leser dieses Jahres aber die Erzählung bisweilen zu aus¬ führlich wird, so wollen doch wir dem feingebildeten und gewissenhaften Künstler danken, daß er eine Lücke in unsrer Culturgeschichte ausgefüllt hat, welche für die Gelehrten alle sehr fühlbar war, ohne daß' sie den rechten Schick gehabt hätten, sich selbst darüber fort zu helfen. Wenn Devrient den langen Entwicklungsgang des Theaters bis zur Gegen¬ wart darstellt, so geschieht dies nicht, ohne daß er an die Gegenwart bestimmte Wünsche und Forderungen sür die deutsche Bühne stellt. Seine Broschüre: das Nationaltheater des neuen Deutschlands, fordert eine neue Orga¬ nisation der Bühne mit einiger Aussicht auf die Realisirung seines Planes. Seine Ueberzeugungen sind folgende: „die Bühne übt einen ungeheuern Einfluß auf die Bildung der Nation ans, sie werde eine der wichtigsten Bildungsanstalten des neuen Staates. Ueberall wo die Existenz des Theaters von dem Geschmack und den Launen des Publikums abgehangen hat, ist die Kunst in tödtlicher Gefahr gewesen, zum Handwerk herabzusinken, der Speculation zu dienen, sich und das Publikum zu verderben, daher müssen alle Haupttheater Nationaltheater werde», Staatsinstitute, dem Ministerium! der Volksbildung untergeordnet, mit bestimmtem Zuschuß aus den Staatskassen. Die verschiedenen Gattungen der scenischen Darstellung Oper, Posse, Schauspiel müssen wo möglich getrennte Räume und Verwaltung erhalten. Die Verfassung des Theaters muß eine künstlerische Selbstregierung durch Vertretung und nnter Vorständen sein, welche ans freien Vertrauen gewählt sind. Die höchste executive Gewalt, die Leitung der künstle¬ rischen Praxis, muß bei jedem Theater ein dramatischer Künstler haben, dem bei Leitung der Kunst im Ganzen ein Dichter oder Dramaturg und der Kapcllenmei- ster beigegeben sind. Diese drei bilden die Direction. Ihr steht ein Ausschuß der darstellenden Künstler zur Seite, welcher durch das Personal, Herren und Da¬ men, gewählt wird, auch das Orchester, der Chor und das Ballet wählen sich alljährlich Ausschüsse. Der Ausschuß der darstellenden Künstler besteht, die beiden Regisseure für Oper und Schauspiel mit inbegriffen, aus fünf Mitgliedern, von denen die, drei nicht beamteten, Vorstände der Almosen-, Pensions- und Wittwen¬ kasse, Schiedsgericht bei Streitigkeiten .>c. sind und zugleich eine Vertretung des Kunstpersonals'gegenüber der Direction ausüben. Nur 'dnrch solche Konstitution kann die künstlerische Gesinnung, der Gcsammtgeist gekräftigt und das selbstsüchtige Sonderinteresse einzelner Talente vernichtet werden. Die Direction wird stark sein, weil sie sich auf das Vertrauen der Kunstgenossen stützt und dem Ministerium nur die Bestätigung des Etats und des vom Etat abhängigen Details bleiben darf. Dazu mögen die Spieltage vermindert, die Eintrittspreise ermäßigt werden. Bei jedem, wenn nnr irgend gesichertem Einnahmeetat, sei er hoch oder niedrig, ist ein Theater herzustellen, in dem der Geist lebendig ist." „Aber auch die verschiedenen Theater desselben Staates werden nicht mehr isolirt stehen, sondern in der Leitung durch das Gcsammtiniuistcrium eine Verei¬ nigung finden, ans welcher sich selbst sür das künstlerische Leben der einzelnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/143>, abgerufen am 22.12.2024.