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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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zogthnm nur auf acht Tage frei gebe", heißt das Großherzogthum
deutsch machen. Die Ablösung der Güter des reorganiflrtcn Theils von der
Landschaft zu Posen ist nicht durchzusetzen, weil keine Börse die Pfandbriefe einer
neuen Gnesner Landschaft annehmen kann. Kein Capitalist kann einen Thaler in
ein solches frei polnisches Land leihen, welches von den Finanzen Preußens los¬
gelöst wäre, kein Kaufmann kann anders, als gegen baare Bezahlung Waaren
dahin senden und jeder Mann in und außer dem Lande müßte seine Capitalien
aus dem Grunde herauszuziehen suchen. Die nothwendige Folge davon wäre die
Subhastation sämmtlicher verschuldeter Güter, d. h. so ziemlich aller polnischen
Besitzungen. Und man glaube nicht, daß sich diese Wirkungen selbst durch Waffen¬
gewalt und durch despotische Nothgesetze, wie sie die Polen wohl erfinden könn¬
ten, verhindern lassen. Kein Land, kein Volk der Erde kaun jetzt ohne Kredit
bestehen , der Kredit aber beruht bei dem Einzelnen und bei einem Volk auf dem
Vertrauen zu seiner Arbeitskraft und praktischen Tüchtigkeit. Und da die große
Mehrzahl der Polen im Großherzogthum diese beiden ersten Tugenden eines ge¬
sitteten Volkes noch nicht besitzt, so tömien sie auch keinen Credit haben, und des¬
halb kömien sie für sich selbst keinen Staat Hilden. Schon jetzt, selbst wenn die
Reorganisation aufgegeben wird und Posen in den alten Verhältnissen unter preu¬
ßischem Schutz bleibt, haben die polnischen Gutsbesitzer durch den versuchten Auf¬
stand allen geschäftlichen Verkehr und die letzte Spur ihres persönlichen Credits
vernichtet. Eine große Menge der polnischen Güter werden in dieser Zeit der
Entwerthung alles Besitzes, zunächst in jüdische und dann in deutsche Hände über¬
gehen, und die eifrigen Polen und Pvlenfrennde haben durch den Versuch ihre
Nationalität auf dem Schild der Volksfreiheit zu erheben, die polnische Sache im
Großherzogthum ihrem Ende nahe gebracht. Auch dies ist eine Nemesis der Welt¬
geschichte. Und wenn die jungen Polen rufen: macht uns frei, dann werden wir
stark sein, dann werden wir gut sein und Polen wird glücklich sein, so gleichen
sie dem armen Indianer, der sich in Feuerwasser berauscht hat und seinen Kriegs-
g^sang singt: Wir werden die Weißen über die große Fluth zurückjagen, baun
wird der Rothhaut die Erde gehöre", dann werden wir große Krieger sein und
die zerstreuten Stämme der Ebene werden sich sammeln bei einer großen Friedens"
pf"fe. Wir hören ans den Gesang, er rührt uns, aber wir glauben ihm nicht.


William U?gers.


zogthnm nur auf acht Tage frei gebe«, heißt das Großherzogthum
deutsch machen. Die Ablösung der Güter des reorganiflrtcn Theils von der
Landschaft zu Posen ist nicht durchzusetzen, weil keine Börse die Pfandbriefe einer
neuen Gnesner Landschaft annehmen kann. Kein Capitalist kann einen Thaler in
ein solches frei polnisches Land leihen, welches von den Finanzen Preußens los¬
gelöst wäre, kein Kaufmann kann anders, als gegen baare Bezahlung Waaren
dahin senden und jeder Mann in und außer dem Lande müßte seine Capitalien
aus dem Grunde herauszuziehen suchen. Die nothwendige Folge davon wäre die
Subhastation sämmtlicher verschuldeter Güter, d. h. so ziemlich aller polnischen
Besitzungen. Und man glaube nicht, daß sich diese Wirkungen selbst durch Waffen¬
gewalt und durch despotische Nothgesetze, wie sie die Polen wohl erfinden könn¬
ten, verhindern lassen. Kein Land, kein Volk der Erde kaun jetzt ohne Kredit
bestehen , der Kredit aber beruht bei dem Einzelnen und bei einem Volk auf dem
Vertrauen zu seiner Arbeitskraft und praktischen Tüchtigkeit. Und da die große
Mehrzahl der Polen im Großherzogthum diese beiden ersten Tugenden eines ge¬
sitteten Volkes noch nicht besitzt, so tömien sie auch keinen Credit haben, und des¬
halb kömien sie für sich selbst keinen Staat Hilden. Schon jetzt, selbst wenn die
Reorganisation aufgegeben wird und Posen in den alten Verhältnissen unter preu¬
ßischem Schutz bleibt, haben die polnischen Gutsbesitzer durch den versuchten Auf¬
stand allen geschäftlichen Verkehr und die letzte Spur ihres persönlichen Credits
vernichtet. Eine große Menge der polnischen Güter werden in dieser Zeit der
Entwerthung alles Besitzes, zunächst in jüdische und dann in deutsche Hände über¬
gehen, und die eifrigen Polen und Pvlenfrennde haben durch den Versuch ihre
Nationalität auf dem Schild der Volksfreiheit zu erheben, die polnische Sache im
Großherzogthum ihrem Ende nahe gebracht. Auch dies ist eine Nemesis der Welt¬
geschichte. Und wenn die jungen Polen rufen: macht uns frei, dann werden wir
stark sein, dann werden wir gut sein und Polen wird glücklich sein, so gleichen
sie dem armen Indianer, der sich in Feuerwasser berauscht hat und seinen Kriegs-
g^sang singt: Wir werden die Weißen über die große Fluth zurückjagen, baun
wird der Rothhaut die Erde gehöre», dann werden wir große Krieger sein und
die zerstreuten Stämme der Ebene werden sich sammeln bei einer großen Friedens«
pf"fe. Wir hören ans den Gesang, er rührt uns, aber wir glauben ihm nicht.


William U?gers.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/51>, abgerufen am 26.06.2024.