Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Beobachtungen
auf einer Geschäftsreise in das Großherzogthum Posen.



Ein leichter Wagen mit vier Pferden holte mich aus dem Gasthofe in Po¬
sen nach dem Gut des Herrn v. W. Pferde und Wagen waren des anspruch-
vollsten Gentleman würdig; daß die weißen Beschläge des Pferdegeschirrs nicht
gepicht waren und die neue Livree des Kutschers ein unartiges Loch hatte, stellte
ich lachend auf Rechnung des Laudlnanchs, den man mir in Deutschland "pol¬
nische Wirthschaft" genannt hatte. Der^üdMe .FMx, " el". Gemisch, von. .Agent,
GaMer mit.Sele Wagenschlag und wünschte mir gute Ge¬
schäfte. Mein Geschäft mit Herrn von W. erschien einfach. Er hatte die Aus¬
sicht, durch Vermittlung meines Hauses ein bedeutendes Capital auf seine Güter
zu erhalten, das ihn von mehreren W befreien sollte,
und ich hatte die Einleitungen für dies Geschäft übernommen, weil ich Gelegen¬
heitsuchte, eine Landschaft kennen zu lernen, welche damals -- MSoAmerM47
das allgemeine Interesse ans sich gezogen hatte. Gegen Abend fuhr ich durch eine
lange, prächtige Kastanienallee auf das Schloß zu. Das Gebäude machte, trotz
des heiteren Sonnenlichts keinen guten Eindruck, der Kalk um den Wänden war
abgefallen, in dem Schindeldach sah man unheimliche Löcher und die kleinen Fen¬
ster sahen aus wie finstere, schielende Angen. Alles das vergaß ich, als der
Wirth mir an der Hausthür entgegen trat. Eine mächtige Figur mit einem Lö¬
wengesicht, Schnurrbart und Haar grau schattirt, vom Scheitel bis zur Sohle
Haltung und Selbstgefühl eines vornehmen Mannes. Im Zimmer traf ich seine
Gemahlin, eine bleiche, stolze Frau in schwarzem Kleide, deren kleine Hand und
begrüßendes Lächeln so aristokratisch als möglich waren. Eine erwachsene Tochter
mit schönen sammetnen Augenbrauen hatte Formen und Austand der Mutter; durch
halbgeöffnete Thür aber sah und hörte man in der Nebenstube eine große Ar-
von ausschießender Löwenbrnt, und ich glaubte zu bemerken, daß sämmtliche
^ößlinge, den lästigen Druck des Stiefels zu vermeiden, barfuß umher liefen.
blieben nicht lange allein; auf Kleppern und Jagdpferden sprengte lachend
courbettirend ein Trupp Männer, meist junge Leute, vor das Haus und trat
Me der Vertraulichkeit alter Bekannter in das Zimmer. Beim Abendtisch war
e hafte, fröhliche Unterhaltung, wie ich annahm aus Rücksicht auf mich, meist in


Beobachtungen
auf einer Geschäftsreise in das Großherzogthum Posen.



Ein leichter Wagen mit vier Pferden holte mich aus dem Gasthofe in Po¬
sen nach dem Gut des Herrn v. W. Pferde und Wagen waren des anspruch-
vollsten Gentleman würdig; daß die weißen Beschläge des Pferdegeschirrs nicht
gepicht waren und die neue Livree des Kutschers ein unartiges Loch hatte, stellte
ich lachend auf Rechnung des Laudlnanchs, den man mir in Deutschland „pol¬
nische Wirthschaft" genannt hatte. Der^üdMe .FMx, „ el». Gemisch, von. .Agent,
GaMer mit.Sele Wagenschlag und wünschte mir gute Ge¬
schäfte. Mein Geschäft mit Herrn von W. erschien einfach. Er hatte die Aus¬
sicht, durch Vermittlung meines Hauses ein bedeutendes Capital auf seine Güter
zu erhalten, das ihn von mehreren W befreien sollte,
und ich hatte die Einleitungen für dies Geschäft übernommen, weil ich Gelegen¬
heitsuchte, eine Landschaft kennen zu lernen, welche damals — MSoAmerM47
das allgemeine Interesse ans sich gezogen hatte. Gegen Abend fuhr ich durch eine
lange, prächtige Kastanienallee auf das Schloß zu. Das Gebäude machte, trotz
des heiteren Sonnenlichts keinen guten Eindruck, der Kalk um den Wänden war
abgefallen, in dem Schindeldach sah man unheimliche Löcher und die kleinen Fen¬
ster sahen aus wie finstere, schielende Angen. Alles das vergaß ich, als der
Wirth mir an der Hausthür entgegen trat. Eine mächtige Figur mit einem Lö¬
wengesicht, Schnurrbart und Haar grau schattirt, vom Scheitel bis zur Sohle
Haltung und Selbstgefühl eines vornehmen Mannes. Im Zimmer traf ich seine
Gemahlin, eine bleiche, stolze Frau in schwarzem Kleide, deren kleine Hand und
begrüßendes Lächeln so aristokratisch als möglich waren. Eine erwachsene Tochter
mit schönen sammetnen Augenbrauen hatte Formen und Austand der Mutter; durch
halbgeöffnete Thür aber sah und hörte man in der Nebenstube eine große Ar-
von ausschießender Löwenbrnt, und ich glaubte zu bemerken, daß sämmtliche
^ößlinge, den lästigen Druck des Stiefels zu vermeiden, barfuß umher liefen.
blieben nicht lange allein; auf Kleppern und Jagdpferden sprengte lachend
courbettirend ein Trupp Männer, meist junge Leute, vor das Haus und trat
Me der Vertraulichkeit alter Bekannter in das Zimmer. Beim Abendtisch war
e hafte, fröhliche Unterhaltung, wie ich annahm aus Rücksicht auf mich, meist in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0043" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277473"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Beobachtungen<lb/>
auf einer Geschäftsreise in das Großherzogthum Posen.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_127" next="#ID_128"> Ein leichter Wagen mit vier Pferden holte mich aus dem Gasthofe in Po¬<lb/>
sen nach dem Gut des Herrn v. W. Pferde und Wagen waren des anspruch-<lb/>
vollsten Gentleman würdig; daß die weißen Beschläge des Pferdegeschirrs nicht<lb/>
gepicht waren und die neue Livree des Kutschers ein unartiges Loch hatte, stellte<lb/>
ich lachend auf Rechnung des Laudlnanchs, den man mir in Deutschland &#x201E;pol¬<lb/>
nische Wirthschaft" genannt hatte. Der^üdMe .FMx, &#x201E; el». Gemisch, von. .Agent,<lb/>
GaMer mit.Sele Wagenschlag und wünschte mir gute Ge¬<lb/>
schäfte. Mein Geschäft mit Herrn von W. erschien einfach. Er hatte die Aus¬<lb/>
sicht, durch Vermittlung meines Hauses ein bedeutendes Capital auf seine Güter<lb/>
zu erhalten, das ihn von mehreren W befreien sollte,<lb/>
und ich hatte die Einleitungen für dies Geschäft übernommen, weil ich Gelegen¬<lb/>
heitsuchte, eine Landschaft kennen zu lernen, welche damals &#x2014; MSoAmerM47<lb/>
das allgemeine Interesse ans sich gezogen hatte. Gegen Abend fuhr ich durch eine<lb/>
lange, prächtige Kastanienallee auf das Schloß zu. Das Gebäude machte, trotz<lb/>
des heiteren Sonnenlichts keinen guten Eindruck, der Kalk um den Wänden war<lb/>
abgefallen, in dem Schindeldach sah man unheimliche Löcher und die kleinen Fen¬<lb/>
ster sahen aus wie finstere, schielende Angen. Alles das vergaß ich, als der<lb/>
Wirth mir an der Hausthür entgegen trat. Eine mächtige Figur mit einem Lö¬<lb/>
wengesicht, Schnurrbart und Haar grau schattirt, vom Scheitel bis zur Sohle<lb/>
Haltung und Selbstgefühl eines vornehmen Mannes. Im Zimmer traf ich seine<lb/>
Gemahlin, eine bleiche, stolze Frau in schwarzem Kleide, deren kleine Hand und<lb/>
begrüßendes Lächeln so aristokratisch als möglich waren. Eine erwachsene Tochter<lb/>
mit schönen sammetnen Augenbrauen hatte Formen und Austand der Mutter; durch<lb/>
halbgeöffnete Thür aber sah und hörte man in der Nebenstube eine große Ar-<lb/>
von ausschießender Löwenbrnt, und ich glaubte zu bemerken, daß sämmtliche<lb/>
^ößlinge, den lästigen Druck des Stiefels zu vermeiden, barfuß umher liefen.<lb/>
blieben nicht lange allein; auf Kleppern und Jagdpferden sprengte lachend<lb/>
courbettirend ein Trupp Männer, meist junge Leute, vor das Haus und trat<lb/>
Me der Vertraulichkeit alter Bekannter in das Zimmer. Beim Abendtisch war<lb/>
e hafte, fröhliche Unterhaltung, wie ich annahm aus Rücksicht auf mich, meist in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0043] Beobachtungen auf einer Geschäftsreise in das Großherzogthum Posen. Ein leichter Wagen mit vier Pferden holte mich aus dem Gasthofe in Po¬ sen nach dem Gut des Herrn v. W. Pferde und Wagen waren des anspruch- vollsten Gentleman würdig; daß die weißen Beschläge des Pferdegeschirrs nicht gepicht waren und die neue Livree des Kutschers ein unartiges Loch hatte, stellte ich lachend auf Rechnung des Laudlnanchs, den man mir in Deutschland „pol¬ nische Wirthschaft" genannt hatte. Der^üdMe .FMx, „ el». Gemisch, von. .Agent, GaMer mit.Sele Wagenschlag und wünschte mir gute Ge¬ schäfte. Mein Geschäft mit Herrn von W. erschien einfach. Er hatte die Aus¬ sicht, durch Vermittlung meines Hauses ein bedeutendes Capital auf seine Güter zu erhalten, das ihn von mehreren W befreien sollte, und ich hatte die Einleitungen für dies Geschäft übernommen, weil ich Gelegen¬ heitsuchte, eine Landschaft kennen zu lernen, welche damals — MSoAmerM47 das allgemeine Interesse ans sich gezogen hatte. Gegen Abend fuhr ich durch eine lange, prächtige Kastanienallee auf das Schloß zu. Das Gebäude machte, trotz des heiteren Sonnenlichts keinen guten Eindruck, der Kalk um den Wänden war abgefallen, in dem Schindeldach sah man unheimliche Löcher und die kleinen Fen¬ ster sahen aus wie finstere, schielende Angen. Alles das vergaß ich, als der Wirth mir an der Hausthür entgegen trat. Eine mächtige Figur mit einem Lö¬ wengesicht, Schnurrbart und Haar grau schattirt, vom Scheitel bis zur Sohle Haltung und Selbstgefühl eines vornehmen Mannes. Im Zimmer traf ich seine Gemahlin, eine bleiche, stolze Frau in schwarzem Kleide, deren kleine Hand und begrüßendes Lächeln so aristokratisch als möglich waren. Eine erwachsene Tochter mit schönen sammetnen Augenbrauen hatte Formen und Austand der Mutter; durch halbgeöffnete Thür aber sah und hörte man in der Nebenstube eine große Ar- von ausschießender Löwenbrnt, und ich glaubte zu bemerken, daß sämmtliche ^ößlinge, den lästigen Druck des Stiefels zu vermeiden, barfuß umher liefen. blieben nicht lange allein; auf Kleppern und Jagdpferden sprengte lachend courbettirend ein Trupp Männer, meist junge Leute, vor das Haus und trat Me der Vertraulichkeit alter Bekannter in das Zimmer. Beim Abendtisch war e hafte, fröhliche Unterhaltung, wie ich annahm aus Rücksicht auf mich, meist in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/43
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/43>, abgerufen am 26.06.2024.