Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sie wollte das Vorparlement zum Central-Ausschuß aller Demokraten, zum perma¬
nenten Comite ä'in8ni-rectior machen. Sie wollte mit Bewußtsein den Rechtsvo¬
den aufgeben, und die Theilnahme an dem Ausschuß der Nation nicht von irgend
einem rechtlichen Anspruch, sondern an dem Grade der liberalen Exaltation ab¬
hängig machen. Die Majorität verwarf diese Ansicht, ohne doch auch unbedingt
den Rechtsboden festzuhalten. Sie dekretirte die Form der neuen Constituante,
beauftragte mit der Ausführung dieses Decrets den alten -- zu purificirenden --
Bundestag und hinterließ einen Sichcrheits-Ausschuß, über diese Ausführung zu
wachen. Blum wurde mit hineingewählt und erhielt sogar die Stelle eines Vice-
präsidenten.

Nachdem der Ausschuß durch sein festes Auftreten die Regierungen veranlaßt
hatte, die Nationalversammlung in der Weise, wie das Vorparlement es bestimmt
hatte, wirklich auszuschreiben, blieb ihm eine rein negative, langweilige Aufgabe;
denn die unausgesetzte Wachsamkeit, ohne eigenthümliche Beschäftigung, macht
müde. Er fühlte sowohl das Bedürfniß, sich zu beschäftigen, als die moralische
Befähigung, irgend etwas - Unbestimmtes --- aber wesentlich Wohlthätiges für
das Vaterland durchzusetzen. Nun waren alle Leute, die mit ihrer Negierung,
ihrem Magistrat oder mit sonst etwas unzufrieden waren, geneigt, sich an den
Ausschuß zu wenden, bei ihm ihre Regierung zu verklagen und ihn um Sonnen¬
schein und schönes Wetter zu bitten. Von einer demokratischen Behörde konnte
man wenigstens eine gefällige Ausnahme aller Adressen erwerben. Da der Aus¬
schuß sonst nichts zu thun hatte, so konnte er sich damit beschäftigen, über alle
Adressen und Petitionen zu berathen und Briefe abzufassen. Eine Beschäftigung,
die dem Beschäftigten selber so imponirt, daß man sich nicht wundern darf, wenn
der größte Theil des Ausschusses der Ansicht war, die einzige Behörde zu sein,
deren Beschlüsse allgemein anerkannt wären.

Im Anfang, wo man es vorzugsweise mit der Reaction der Fürsten zu thun
hatte, dominirte im Ausschuß die revolutionäre Idee. Aber schon damals ließ
Robert Blum, der inzwischen bei Volksversammlungen der gefeierte Volksfreund,
durch seine Reden nach alter Art der Liebling der Galerie geworden war, in den
von ihm abhängigen Blättern ti" Majorität des Ausschusses als eine reactionäre
verschreien und mit der leidenden Miene eines verkannten Patrioten es sich als
eine verdienstvolle Aufopferung auslegen, daß er zum Wohl des Vaterlandes noch
länger in einer so schlechten Gesellschaft verbleibe. Dagegen hütete er sich wohl,
sich mit den eigentlichen Republikanern zu compromittiren; er hätte dadurch seine
Stellung ,,über deu Parteien" gefährdet.

Anders wurde die Lage des Ausschusses, nachdem Hecker's Partei in Baden
es zum offnen Aufstand brachte; jetzt mußte er den "Empörern" die Zähne weisen.
Blum war damals von Frankfurt abwesend, an der Spitze einer Commission, die
den Austrag hatte, die Streitigkeiten zwischen den rheinischen Schiffen und den


sie wollte das Vorparlement zum Central-Ausschuß aller Demokraten, zum perma¬
nenten Comite ä'in8ni-rectior machen. Sie wollte mit Bewußtsein den Rechtsvo¬
den aufgeben, und die Theilnahme an dem Ausschuß der Nation nicht von irgend
einem rechtlichen Anspruch, sondern an dem Grade der liberalen Exaltation ab¬
hängig machen. Die Majorität verwarf diese Ansicht, ohne doch auch unbedingt
den Rechtsboden festzuhalten. Sie dekretirte die Form der neuen Constituante,
beauftragte mit der Ausführung dieses Decrets den alten — zu purificirenden —
Bundestag und hinterließ einen Sichcrheits-Ausschuß, über diese Ausführung zu
wachen. Blum wurde mit hineingewählt und erhielt sogar die Stelle eines Vice-
präsidenten.

Nachdem der Ausschuß durch sein festes Auftreten die Regierungen veranlaßt
hatte, die Nationalversammlung in der Weise, wie das Vorparlement es bestimmt
hatte, wirklich auszuschreiben, blieb ihm eine rein negative, langweilige Aufgabe;
denn die unausgesetzte Wachsamkeit, ohne eigenthümliche Beschäftigung, macht
müde. Er fühlte sowohl das Bedürfniß, sich zu beschäftigen, als die moralische
Befähigung, irgend etwas - Unbestimmtes —- aber wesentlich Wohlthätiges für
das Vaterland durchzusetzen. Nun waren alle Leute, die mit ihrer Negierung,
ihrem Magistrat oder mit sonst etwas unzufrieden waren, geneigt, sich an den
Ausschuß zu wenden, bei ihm ihre Regierung zu verklagen und ihn um Sonnen¬
schein und schönes Wetter zu bitten. Von einer demokratischen Behörde konnte
man wenigstens eine gefällige Ausnahme aller Adressen erwerben. Da der Aus¬
schuß sonst nichts zu thun hatte, so konnte er sich damit beschäftigen, über alle
Adressen und Petitionen zu berathen und Briefe abzufassen. Eine Beschäftigung,
die dem Beschäftigten selber so imponirt, daß man sich nicht wundern darf, wenn
der größte Theil des Ausschusses der Ansicht war, die einzige Behörde zu sein,
deren Beschlüsse allgemein anerkannt wären.

Im Anfang, wo man es vorzugsweise mit der Reaction der Fürsten zu thun
hatte, dominirte im Ausschuß die revolutionäre Idee. Aber schon damals ließ
Robert Blum, der inzwischen bei Volksversammlungen der gefeierte Volksfreund,
durch seine Reden nach alter Art der Liebling der Galerie geworden war, in den
von ihm abhängigen Blättern ti" Majorität des Ausschusses als eine reactionäre
verschreien und mit der leidenden Miene eines verkannten Patrioten es sich als
eine verdienstvolle Aufopferung auslegen, daß er zum Wohl des Vaterlandes noch
länger in einer so schlechten Gesellschaft verbleibe. Dagegen hütete er sich wohl,
sich mit den eigentlichen Republikanern zu compromittiren; er hätte dadurch seine
Stellung ,,über deu Parteien" gefährdet.

Anders wurde die Lage des Ausschusses, nachdem Hecker's Partei in Baden
es zum offnen Aufstand brachte; jetzt mußte er den „Empörern" die Zähne weisen.
Blum war damals von Frankfurt abwesend, an der Spitze einer Commission, die
den Austrag hatte, die Streitigkeiten zwischen den rheinischen Schiffen und den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277818"/>
            <p xml:id="ID_1287" prev="#ID_1286"> sie wollte das Vorparlement zum Central-Ausschuß aller Demokraten, zum perma¬<lb/>
nenten Comite ä'in8ni-rectior machen. Sie wollte mit Bewußtsein den Rechtsvo¬<lb/>
den aufgeben, und die Theilnahme an dem Ausschuß der Nation nicht von irgend<lb/>
einem rechtlichen Anspruch, sondern an dem Grade der liberalen Exaltation ab¬<lb/>
hängig machen. Die Majorität verwarf diese Ansicht, ohne doch auch unbedingt<lb/>
den Rechtsboden festzuhalten. Sie dekretirte die Form der neuen Constituante,<lb/>
beauftragte mit der Ausführung dieses Decrets den alten &#x2014; zu purificirenden &#x2014;<lb/>
Bundestag und hinterließ einen Sichcrheits-Ausschuß, über diese Ausführung zu<lb/>
wachen. Blum wurde mit hineingewählt und erhielt sogar die Stelle eines Vice-<lb/>
präsidenten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1288"> Nachdem der Ausschuß durch sein festes Auftreten die Regierungen veranlaßt<lb/>
hatte, die Nationalversammlung in der Weise, wie das Vorparlement es bestimmt<lb/>
hatte, wirklich auszuschreiben, blieb ihm eine rein negative, langweilige Aufgabe;<lb/>
denn die unausgesetzte Wachsamkeit, ohne eigenthümliche Beschäftigung, macht<lb/>
müde. Er fühlte sowohl das Bedürfniß, sich zu beschäftigen, als die moralische<lb/>
Befähigung, irgend etwas - Unbestimmtes &#x2014;- aber wesentlich Wohlthätiges für<lb/>
das Vaterland durchzusetzen. Nun waren alle Leute, die mit ihrer Negierung,<lb/>
ihrem Magistrat oder mit sonst etwas unzufrieden waren, geneigt, sich an den<lb/>
Ausschuß zu wenden, bei ihm ihre Regierung zu verklagen und ihn um Sonnen¬<lb/>
schein und schönes Wetter zu bitten. Von einer demokratischen Behörde konnte<lb/>
man wenigstens eine gefällige Ausnahme aller Adressen erwerben. Da der Aus¬<lb/>
schuß sonst nichts zu thun hatte, so konnte er sich damit beschäftigen, über alle<lb/>
Adressen und Petitionen zu berathen und Briefe abzufassen. Eine Beschäftigung,<lb/>
die dem Beschäftigten selber so imponirt, daß man sich nicht wundern darf, wenn<lb/>
der größte Theil des Ausschusses der Ansicht war, die einzige Behörde zu sein,<lb/>
deren Beschlüsse allgemein anerkannt wären.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1289"> Im Anfang, wo man es vorzugsweise mit der Reaction der Fürsten zu thun<lb/>
hatte, dominirte im Ausschuß die revolutionäre Idee. Aber schon damals ließ<lb/>
Robert Blum, der inzwischen bei Volksversammlungen der gefeierte Volksfreund,<lb/>
durch seine Reden nach alter Art der Liebling der Galerie geworden war, in den<lb/>
von ihm abhängigen Blättern ti" Majorität des Ausschusses als eine reactionäre<lb/>
verschreien und mit der leidenden Miene eines verkannten Patrioten es sich als<lb/>
eine verdienstvolle Aufopferung auslegen, daß er zum Wohl des Vaterlandes noch<lb/>
länger in einer so schlechten Gesellschaft verbleibe. Dagegen hütete er sich wohl,<lb/>
sich mit den eigentlichen Republikanern zu compromittiren; er hätte dadurch seine<lb/>
Stellung ,,über deu Parteien" gefährdet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1290" next="#ID_1291"> Anders wurde die Lage des Ausschusses, nachdem Hecker's Partei in Baden<lb/>
es zum offnen Aufstand brachte; jetzt mußte er den &#x201E;Empörern" die Zähne weisen.<lb/>
Blum war damals von Frankfurt abwesend, an der Spitze einer Commission, die<lb/>
den Austrag hatte, die Streitigkeiten zwischen den rheinischen Schiffen und den</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0388] sie wollte das Vorparlement zum Central-Ausschuß aller Demokraten, zum perma¬ nenten Comite ä'in8ni-rectior machen. Sie wollte mit Bewußtsein den Rechtsvo¬ den aufgeben, und die Theilnahme an dem Ausschuß der Nation nicht von irgend einem rechtlichen Anspruch, sondern an dem Grade der liberalen Exaltation ab¬ hängig machen. Die Majorität verwarf diese Ansicht, ohne doch auch unbedingt den Rechtsboden festzuhalten. Sie dekretirte die Form der neuen Constituante, beauftragte mit der Ausführung dieses Decrets den alten — zu purificirenden — Bundestag und hinterließ einen Sichcrheits-Ausschuß, über diese Ausführung zu wachen. Blum wurde mit hineingewählt und erhielt sogar die Stelle eines Vice- präsidenten. Nachdem der Ausschuß durch sein festes Auftreten die Regierungen veranlaßt hatte, die Nationalversammlung in der Weise, wie das Vorparlement es bestimmt hatte, wirklich auszuschreiben, blieb ihm eine rein negative, langweilige Aufgabe; denn die unausgesetzte Wachsamkeit, ohne eigenthümliche Beschäftigung, macht müde. Er fühlte sowohl das Bedürfniß, sich zu beschäftigen, als die moralische Befähigung, irgend etwas - Unbestimmtes —- aber wesentlich Wohlthätiges für das Vaterland durchzusetzen. Nun waren alle Leute, die mit ihrer Negierung, ihrem Magistrat oder mit sonst etwas unzufrieden waren, geneigt, sich an den Ausschuß zu wenden, bei ihm ihre Regierung zu verklagen und ihn um Sonnen¬ schein und schönes Wetter zu bitten. Von einer demokratischen Behörde konnte man wenigstens eine gefällige Ausnahme aller Adressen erwerben. Da der Aus¬ schuß sonst nichts zu thun hatte, so konnte er sich damit beschäftigen, über alle Adressen und Petitionen zu berathen und Briefe abzufassen. Eine Beschäftigung, die dem Beschäftigten selber so imponirt, daß man sich nicht wundern darf, wenn der größte Theil des Ausschusses der Ansicht war, die einzige Behörde zu sein, deren Beschlüsse allgemein anerkannt wären. Im Anfang, wo man es vorzugsweise mit der Reaction der Fürsten zu thun hatte, dominirte im Ausschuß die revolutionäre Idee. Aber schon damals ließ Robert Blum, der inzwischen bei Volksversammlungen der gefeierte Volksfreund, durch seine Reden nach alter Art der Liebling der Galerie geworden war, in den von ihm abhängigen Blättern ti" Majorität des Ausschusses als eine reactionäre verschreien und mit der leidenden Miene eines verkannten Patrioten es sich als eine verdienstvolle Aufopferung auslegen, daß er zum Wohl des Vaterlandes noch länger in einer so schlechten Gesellschaft verbleibe. Dagegen hütete er sich wohl, sich mit den eigentlichen Republikanern zu compromittiren; er hätte dadurch seine Stellung ,,über deu Parteien" gefährdet. Anders wurde die Lage des Ausschusses, nachdem Hecker's Partei in Baden es zum offnen Aufstand brachte; jetzt mußte er den „Empörern" die Zähne weisen. Blum war damals von Frankfurt abwesend, an der Spitze einer Commission, die den Austrag hatte, die Streitigkeiten zwischen den rheinischen Schiffen und den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/388
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/388>, abgerufen am 28.09.2024.