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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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ihrer demokratischen Gegner nicht anwenden und was sollen sie z. B. darauf ant¬
worten, wenn man ihnen zuruft: bist du nicht ein besoldeter Professor? feiler
Söldling der Regierung! beschäftigst du dich nicht mit unnützen Studien, die dem
Voll kein Brot geben? und was dergleichen mehr ist.

Theils die Augusttage, theils diese wichtige parlamentarische Frage erhöhten
Blum's Ansehen im deutschen Vaterlande. Der enge Horizont der deutschen Cor>
stiwtionen mußte zu kleinstädtischen Klatschereien sichren, wenn man sich nicht in
ganz allgemeinen, spirituellen Wünschen und Hoffnungen verflüchtigen wollte. Je
philiströser sich also Einer auf parlamentarische Details pointirte, für desto gründ¬
licher galt seine parlamentarische Bildung. Heute mit großer Lebhaftigkeit die
Frage der Menschenrechte, allgemeine Freiheit und Gleichheit, morgen mit der¬
selben Energie, ob der Präsident die Klingel in die rechte oder linke Hand neh¬
men solle, um die Debatte zu schließen. Damals singen die Oppositionsmitglieder
der verschiedenen Kammern an, sich einander zu nähern, theils knüpften sie durch
Reisen persönliche Bekanntschaft an, -- die bekannte Fahrt von Hecker und Itz-
stein gehört Hieher --, theils vereinigten sie sich zu einem gemeinsamen literarischen
Unternehmen, z. B. das Taschenbuch Vorwärts. Blum und seine Leipziger An¬
hänger waren stets dabei betheiligt. Im Allgemeinen gingen diese Pläne sehr
in's Blaue, hinein und von einer eigentlichen rationellen Vorbereitung der spätern
großen Erhebung kann wohl nicht die Rede sein.

Dagegen war Blum die Seele eines liberalen Localinstituts, des Redeübungs-
vereins im Schießhause. Hier konnte man --- denn die Polizei betrug sich sehr
vernünftig -- nach Herzenslust dem Pathos der freien Gesinnung auf die Art
Lust machen, die am angenehmsten war, durch Phrasen. Blum hat dazu ein au¬
ßerordentliches Talent; er hat wenig Kenntnisse, anch wenig eigentliche Absichten,
aber was er hört und sieht, verwandelt sich bei ihm in Deklamationsstoff. Aus
jedem Ereigniß, aus jeder Anschauung weiß er Phrasen zu saugen, wie die Sati¬
riker überall mit ihrem Schmetterlingsnetze bei der Hand sind, Witze und Aper^us
zu haschen. Die Studenten, kleinen Bürger und sonstige Theilnehmer bildeten
ein sehr dankbares Publikum; sie hörten ausgesprochen, was sie sich lauge im
Stillen gedacht, in einem schönen Redeschluß, in ausnehmenden und dabei doch
sehr populäre" Worten. Dabei hat Blum das Talent, leicht zu antworten, er
behält stets große Ruh und greift bei dem Gegner entweder irgend ein verlorenes
Wort auf, auf welches er dann einen babylonischen Thurm aufbaut, oder er zieht
sich mit großer Salbung in das Gefühl seiner Biederkeit und seiner Gesinnung
zurück. --

Gegner fand er allerdings, auch unter den Radikalen denn die Bieder-
mann'sche Partei Md die Honoratioren überhaupt zogen sich in tadelnswerther
Nachlässigkeit von diesem Vereine zurück. Es waren die ^sogenannten Socialisten,
zuerst Herr Jelum et, der aus Bruno Bäuerischen Redensarten sich eine ziemlich


ihrer demokratischen Gegner nicht anwenden und was sollen sie z. B. darauf ant¬
worten, wenn man ihnen zuruft: bist du nicht ein besoldeter Professor? feiler
Söldling der Regierung! beschäftigst du dich nicht mit unnützen Studien, die dem
Voll kein Brot geben? und was dergleichen mehr ist.

Theils die Augusttage, theils diese wichtige parlamentarische Frage erhöhten
Blum's Ansehen im deutschen Vaterlande. Der enge Horizont der deutschen Cor>
stiwtionen mußte zu kleinstädtischen Klatschereien sichren, wenn man sich nicht in
ganz allgemeinen, spirituellen Wünschen und Hoffnungen verflüchtigen wollte. Je
philiströser sich also Einer auf parlamentarische Details pointirte, für desto gründ¬
licher galt seine parlamentarische Bildung. Heute mit großer Lebhaftigkeit die
Frage der Menschenrechte, allgemeine Freiheit und Gleichheit, morgen mit der¬
selben Energie, ob der Präsident die Klingel in die rechte oder linke Hand neh¬
men solle, um die Debatte zu schließen. Damals singen die Oppositionsmitglieder
der verschiedenen Kammern an, sich einander zu nähern, theils knüpften sie durch
Reisen persönliche Bekanntschaft an, — die bekannte Fahrt von Hecker und Itz-
stein gehört Hieher —, theils vereinigten sie sich zu einem gemeinsamen literarischen
Unternehmen, z. B. das Taschenbuch Vorwärts. Blum und seine Leipziger An¬
hänger waren stets dabei betheiligt. Im Allgemeinen gingen diese Pläne sehr
in's Blaue, hinein und von einer eigentlichen rationellen Vorbereitung der spätern
großen Erhebung kann wohl nicht die Rede sein.

Dagegen war Blum die Seele eines liberalen Localinstituts, des Redeübungs-
vereins im Schießhause. Hier konnte man -— denn die Polizei betrug sich sehr
vernünftig — nach Herzenslust dem Pathos der freien Gesinnung auf die Art
Lust machen, die am angenehmsten war, durch Phrasen. Blum hat dazu ein au¬
ßerordentliches Talent; er hat wenig Kenntnisse, anch wenig eigentliche Absichten,
aber was er hört und sieht, verwandelt sich bei ihm in Deklamationsstoff. Aus
jedem Ereigniß, aus jeder Anschauung weiß er Phrasen zu saugen, wie die Sati¬
riker überall mit ihrem Schmetterlingsnetze bei der Hand sind, Witze und Aper^us
zu haschen. Die Studenten, kleinen Bürger und sonstige Theilnehmer bildeten
ein sehr dankbares Publikum; sie hörten ausgesprochen, was sie sich lauge im
Stillen gedacht, in einem schönen Redeschluß, in ausnehmenden und dabei doch
sehr populäre» Worten. Dabei hat Blum das Talent, leicht zu antworten, er
behält stets große Ruh und greift bei dem Gegner entweder irgend ein verlorenes
Wort auf, auf welches er dann einen babylonischen Thurm aufbaut, oder er zieht
sich mit großer Salbung in das Gefühl seiner Biederkeit und seiner Gesinnung
zurück. —

Gegner fand er allerdings, auch unter den Radikalen denn die Bieder-
mann'sche Partei Md die Honoratioren überhaupt zogen sich in tadelnswerther
Nachlässigkeit von diesem Vereine zurück. Es waren die ^sogenannten Socialisten,
zuerst Herr Jelum et, der aus Bruno Bäuerischen Redensarten sich eine ziemlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/384>, abgerufen am 29.06.2024.