Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

manchmal ans Nöthen geholfen, flüsterte ihm zu: Concilien der deutschen Kirche
sind dnrch das und das Concordat untersagt! Nun sah Robert würdevoll auf
seinen Gegner herab, und sagte, nachdem er sich geräuspert, mit der ihm eignen
Ruhe und Feierlichkeit: "Aus vollem Herzen würde ich diesen Weg betreten ze.,
aber meine Gegner wissen nicht, oder (heftiger) wollen vielmehr nicht wissen, denn
das ist die Art der Römlinge, daß durch das und das Concordat u. s. w."

Die neue Kirche wurde gegründet, den Theater-Einnehmer machte man zum
Vorstand derselben; sein Gesicht gewann einen heiligen Ausdruck und er betete
seiner Gemeinde vor.

Es ist bekannt, daß der Deutschkatholicismus nicht aus einem religiösen, son¬
dern aus einem politischen Bedürfniß hervorging. Die meisten Prediger machten
dem Volk "nur Faxen vor, sie spielten Komödie. Es war eben eine neue Art
Opposition, eine wohlfeile Methode, sich die Märtyrerkrone zu verdienen. Einzelne
Stimmen unter den Liberalen sprachen sich eben ihrer politischen Natur wegen
günstig über sie aus, selbst Gervinus, der in der neuen Gemeinde den Anfang
eines organisirenden Liberalismus im Gegensatz zu seiner bisher blos kritischen
Wirksamkeit sehen wollte: als ob organisch wirken könnte, was ohne wahres Prin¬
cip ist! Der Liberalismus, der sich als Phrase, als Redeübung, als Floskel genoß,
fand allerdings in ihnen die vollste Befriedigung; denn hier konnte er salbungs¬
voller und pathetischer sich gebärden, als bei irgend einer rein politischen Opposi¬
tion; der echten Politik kommt es aber nicht blos auf Opposition und Phrase an,
sondern auf einen bestimmten Zweck, den man durchsetzen will. Ein solcher lag
hier uicht vor: die Glaubensfreiheit, das Einzige, was als positiv im Hintergrund
liegen konnte, war innerhalb der Kirche bequemer zu erreichen. Als Katholik, als
Protestant war ich unschuldig an den Sünden meiner Kirche, denn ich hatte nichts
dazu gethan; ich konnte mich von ihr befreien, durch Wissenschaft oder durch welt¬
lichen Indifferentismus; an der Verdrehtheit einer neuen Secte aber -- die we¬
nigstens der Form nach doch ein Minimum von Jenseitigkeit bekennen mußte --
war ich mit schuldig; ich müßte entweder wirklich unfrei sein ober Unfreiheit
heucheln.

Die damaligen Regierungen -- deren Verkehrtheit überhaupt in der Geschichte
kein Beispiel findet -- waren so schwach, gegen die Mode des Tages zu intrigui-
ren. Welch' herrlicher Stoff für die Vaterlandsblätter! In Sachsen suchte man
die Quelle der Reaction -- namentlich von der Partei der Vaterlandsblätter
geschah das -- in dem Prinzen Johann; die Augustereignisse waren die
Folge davon. In diesen finden wir unsern Helden in einem neuen Lichte.

Die verhängnißvolle Salve war gegeben, Leipzig wurde wild, Communal-
garde und Volk strömte die Straßen auf und ab, um Rache zu nehmen, die
Schützen anzugreifen u. s. w. Es geschah aber Nichts. Blum, jetzt schon ein an¬
sehnlicher Mann, ließ sich von einer Volksversammlung bevollmächtigen, die For-


manchmal ans Nöthen geholfen, flüsterte ihm zu: Concilien der deutschen Kirche
sind dnrch das und das Concordat untersagt! Nun sah Robert würdevoll auf
seinen Gegner herab, und sagte, nachdem er sich geräuspert, mit der ihm eignen
Ruhe und Feierlichkeit: „Aus vollem Herzen würde ich diesen Weg betreten ze.,
aber meine Gegner wissen nicht, oder (heftiger) wollen vielmehr nicht wissen, denn
das ist die Art der Römlinge, daß durch das und das Concordat u. s. w."

Die neue Kirche wurde gegründet, den Theater-Einnehmer machte man zum
Vorstand derselben; sein Gesicht gewann einen heiligen Ausdruck und er betete
seiner Gemeinde vor.

Es ist bekannt, daß der Deutschkatholicismus nicht aus einem religiösen, son¬
dern aus einem politischen Bedürfniß hervorging. Die meisten Prediger machten
dem Volk »nur Faxen vor, sie spielten Komödie. Es war eben eine neue Art
Opposition, eine wohlfeile Methode, sich die Märtyrerkrone zu verdienen. Einzelne
Stimmen unter den Liberalen sprachen sich eben ihrer politischen Natur wegen
günstig über sie aus, selbst Gervinus, der in der neuen Gemeinde den Anfang
eines organisirenden Liberalismus im Gegensatz zu seiner bisher blos kritischen
Wirksamkeit sehen wollte: als ob organisch wirken könnte, was ohne wahres Prin¬
cip ist! Der Liberalismus, der sich als Phrase, als Redeübung, als Floskel genoß,
fand allerdings in ihnen die vollste Befriedigung; denn hier konnte er salbungs¬
voller und pathetischer sich gebärden, als bei irgend einer rein politischen Opposi¬
tion; der echten Politik kommt es aber nicht blos auf Opposition und Phrase an,
sondern auf einen bestimmten Zweck, den man durchsetzen will. Ein solcher lag
hier uicht vor: die Glaubensfreiheit, das Einzige, was als positiv im Hintergrund
liegen konnte, war innerhalb der Kirche bequemer zu erreichen. Als Katholik, als
Protestant war ich unschuldig an den Sünden meiner Kirche, denn ich hatte nichts
dazu gethan; ich konnte mich von ihr befreien, durch Wissenschaft oder durch welt¬
lichen Indifferentismus; an der Verdrehtheit einer neuen Secte aber — die we¬
nigstens der Form nach doch ein Minimum von Jenseitigkeit bekennen mußte —
war ich mit schuldig; ich müßte entweder wirklich unfrei sein ober Unfreiheit
heucheln.

Die damaligen Regierungen — deren Verkehrtheit überhaupt in der Geschichte
kein Beispiel findet — waren so schwach, gegen die Mode des Tages zu intrigui-
ren. Welch' herrlicher Stoff für die Vaterlandsblätter! In Sachsen suchte man
die Quelle der Reaction — namentlich von der Partei der Vaterlandsblätter
geschah das — in dem Prinzen Johann; die Augustereignisse waren die
Folge davon. In diesen finden wir unsern Helden in einem neuen Lichte.

Die verhängnißvolle Salve war gegeben, Leipzig wurde wild, Communal-
garde und Volk strömte die Straßen auf und ab, um Rache zu nehmen, die
Schützen anzugreifen u. s. w. Es geschah aber Nichts. Blum, jetzt schon ein an¬
sehnlicher Mann, ließ sich von einer Volksversammlung bevollmächtigen, die For-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0382" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277812"/>
            <p xml:id="ID_1260" prev="#ID_1259"> manchmal ans Nöthen geholfen, flüsterte ihm zu: Concilien der deutschen Kirche<lb/>
sind dnrch das und das Concordat untersagt! Nun sah Robert würdevoll auf<lb/>
seinen Gegner herab, und sagte, nachdem er sich geräuspert, mit der ihm eignen<lb/>
Ruhe und Feierlichkeit: &#x201E;Aus vollem Herzen würde ich diesen Weg betreten ze.,<lb/>
aber meine Gegner wissen nicht, oder (heftiger) wollen vielmehr nicht wissen, denn<lb/>
das ist die Art der Römlinge, daß durch das und das Concordat u. s. w."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1261"> Die neue Kirche wurde gegründet, den Theater-Einnehmer machte man zum<lb/>
Vorstand derselben; sein Gesicht gewann einen heiligen Ausdruck und er betete<lb/>
seiner Gemeinde vor.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1262"> Es ist bekannt, daß der Deutschkatholicismus nicht aus einem religiösen, son¬<lb/>
dern aus einem politischen Bedürfniß hervorging. Die meisten Prediger machten<lb/>
dem Volk »nur Faxen vor, sie spielten Komödie. Es war eben eine neue Art<lb/>
Opposition, eine wohlfeile Methode, sich die Märtyrerkrone zu verdienen. Einzelne<lb/>
Stimmen unter den Liberalen sprachen sich eben ihrer politischen Natur wegen<lb/>
günstig über sie aus, selbst Gervinus, der in der neuen Gemeinde den Anfang<lb/>
eines organisirenden Liberalismus im Gegensatz zu seiner bisher blos kritischen<lb/>
Wirksamkeit sehen wollte: als ob organisch wirken könnte, was ohne wahres Prin¬<lb/>
cip ist! Der Liberalismus, der sich als Phrase, als Redeübung, als Floskel genoß,<lb/>
fand allerdings in ihnen die vollste Befriedigung; denn hier konnte er salbungs¬<lb/>
voller und pathetischer sich gebärden, als bei irgend einer rein politischen Opposi¬<lb/>
tion; der echten Politik kommt es aber nicht blos auf Opposition und Phrase an,<lb/>
sondern auf einen bestimmten Zweck, den man durchsetzen will. Ein solcher lag<lb/>
hier uicht vor: die Glaubensfreiheit, das Einzige, was als positiv im Hintergrund<lb/>
liegen konnte, war innerhalb der Kirche bequemer zu erreichen. Als Katholik, als<lb/>
Protestant war ich unschuldig an den Sünden meiner Kirche, denn ich hatte nichts<lb/>
dazu gethan; ich konnte mich von ihr befreien, durch Wissenschaft oder durch welt¬<lb/>
lichen Indifferentismus; an der Verdrehtheit einer neuen Secte aber &#x2014; die we¬<lb/>
nigstens der Form nach doch ein Minimum von Jenseitigkeit bekennen mußte &#x2014;<lb/>
war ich mit schuldig; ich müßte entweder wirklich unfrei sein ober Unfreiheit<lb/>
heucheln.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1263"> Die damaligen Regierungen &#x2014; deren Verkehrtheit überhaupt in der Geschichte<lb/>
kein Beispiel findet &#x2014; waren so schwach, gegen die Mode des Tages zu intrigui-<lb/>
ren. Welch' herrlicher Stoff für die Vaterlandsblätter! In Sachsen suchte man<lb/>
die Quelle der Reaction &#x2014; namentlich von der Partei der Vaterlandsblätter<lb/>
geschah das &#x2014; in dem Prinzen Johann; die Augustereignisse waren die<lb/>
Folge davon. In diesen finden wir unsern Helden in einem neuen Lichte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1264" next="#ID_1265"> Die verhängnißvolle Salve war gegeben, Leipzig wurde wild, Communal-<lb/>
garde und Volk strömte die Straßen auf und ab, um Rache zu nehmen, die<lb/>
Schützen anzugreifen u. s. w. Es geschah aber Nichts. Blum, jetzt schon ein an¬<lb/>
sehnlicher Mann, ließ sich von einer Volksversammlung bevollmächtigen, die For-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0382] manchmal ans Nöthen geholfen, flüsterte ihm zu: Concilien der deutschen Kirche sind dnrch das und das Concordat untersagt! Nun sah Robert würdevoll auf seinen Gegner herab, und sagte, nachdem er sich geräuspert, mit der ihm eignen Ruhe und Feierlichkeit: „Aus vollem Herzen würde ich diesen Weg betreten ze., aber meine Gegner wissen nicht, oder (heftiger) wollen vielmehr nicht wissen, denn das ist die Art der Römlinge, daß durch das und das Concordat u. s. w." Die neue Kirche wurde gegründet, den Theater-Einnehmer machte man zum Vorstand derselben; sein Gesicht gewann einen heiligen Ausdruck und er betete seiner Gemeinde vor. Es ist bekannt, daß der Deutschkatholicismus nicht aus einem religiösen, son¬ dern aus einem politischen Bedürfniß hervorging. Die meisten Prediger machten dem Volk »nur Faxen vor, sie spielten Komödie. Es war eben eine neue Art Opposition, eine wohlfeile Methode, sich die Märtyrerkrone zu verdienen. Einzelne Stimmen unter den Liberalen sprachen sich eben ihrer politischen Natur wegen günstig über sie aus, selbst Gervinus, der in der neuen Gemeinde den Anfang eines organisirenden Liberalismus im Gegensatz zu seiner bisher blos kritischen Wirksamkeit sehen wollte: als ob organisch wirken könnte, was ohne wahres Prin¬ cip ist! Der Liberalismus, der sich als Phrase, als Redeübung, als Floskel genoß, fand allerdings in ihnen die vollste Befriedigung; denn hier konnte er salbungs¬ voller und pathetischer sich gebärden, als bei irgend einer rein politischen Opposi¬ tion; der echten Politik kommt es aber nicht blos auf Opposition und Phrase an, sondern auf einen bestimmten Zweck, den man durchsetzen will. Ein solcher lag hier uicht vor: die Glaubensfreiheit, das Einzige, was als positiv im Hintergrund liegen konnte, war innerhalb der Kirche bequemer zu erreichen. Als Katholik, als Protestant war ich unschuldig an den Sünden meiner Kirche, denn ich hatte nichts dazu gethan; ich konnte mich von ihr befreien, durch Wissenschaft oder durch welt¬ lichen Indifferentismus; an der Verdrehtheit einer neuen Secte aber — die we¬ nigstens der Form nach doch ein Minimum von Jenseitigkeit bekennen mußte — war ich mit schuldig; ich müßte entweder wirklich unfrei sein ober Unfreiheit heucheln. Die damaligen Regierungen — deren Verkehrtheit überhaupt in der Geschichte kein Beispiel findet — waren so schwach, gegen die Mode des Tages zu intrigui- ren. Welch' herrlicher Stoff für die Vaterlandsblätter! In Sachsen suchte man die Quelle der Reaction — namentlich von der Partei der Vaterlandsblätter geschah das — in dem Prinzen Johann; die Augustereignisse waren die Folge davon. In diesen finden wir unsern Helden in einem neuen Lichte. Die verhängnißvolle Salve war gegeben, Leipzig wurde wild, Communal- garde und Volk strömte die Straßen auf und ab, um Rache zu nehmen, die Schützen anzugreifen u. s. w. Es geschah aber Nichts. Blum, jetzt schon ein an¬ sehnlicher Mann, ließ sich von einer Volksversammlung bevollmächtigen, die For-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/382
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/382>, abgerufen am 29.06.2024.