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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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verräther," zugesellt. Vorüber, ihr Schaft, vorüber! Unten am Tisch sind wieder
andere Leute, Männer der That, wie Sie hören, denn der gercifteste unter ihnen
hat eben, nachdem er den siebenten Schoppen bestellt, mit der geballten Faust ans
die Tafel geschlagen und laut gerufen: Gott -- es muß anders werden! -- Es
ist Zitz, der Anwalt aus Mainz, unter allen rothen Republikanern der rötheste,
eine breite behäbige Gestalt, deren Gesicht einen seltsam irren, unsteten Ausdruck
hat, und dessen ganzes, finsteres Wesen von vornherein zurückstößt. Seine Feinde
sagten ihm eine Zeitlang nach, Zitz strebe nach dem Präsidentenstuhl von Deutsch¬
land, würde aber, falls dieser schon vergeben sei, sich mit dem Königsthron eines
neu zu schaffenden Reichs, der Pfalz, begnügen, aber niemals hat Jemand wohl
ernstlich über solche Phantasteen nachgedacht, als er selber und seine Busenfreunde
Germain Metternich und Bamberger. Rechts neben Zitz sitzt sein College We sen¬
den! aus Düsseldorf, der "Schreier" des Reichstags. Betrachten Sie diese
kleine zierliche Person mit dem großen Barte und wallenden Haupthaar und beim
ersten Anblick werden Sie in ihr einen Mann erkennen, der es nicht vermocht
hat, die süßen Angewohnheiten eines langen Stndententhums von sich abzustreifen.
Es gibt genug solcher "alten Burschen"; Wesendonk ist noch Einer der pvlirtesten
dieser Spezies, die wahrscheinlich jetzt nach und nach aussterben wird. Den an¬
dern Nachbar von Zitz nenne ich Ihnen nicht; Sie müssen augenblicklich errathen,
wen dieser eckige Knochenmann vorstellt, sobald Sie einen Theil des Gespräches
der Herren belauscht haben. Zitz scheint auf das Höchste unzufrieden; er wieder¬
holt mit verstärkter Stimme seinen vorigen Ausruf. -- Wir können es nicht dabei
lassen! stimmt Wesendonk ihm bei, und schlägt mit dem Messer den Kork von ei¬
ner Flasche, der gerade in das Glas von Titus fährt, welcher nicht übel Lust zu
haben scheint, darüber einen gewaltigen Lärm anzufangen, wenn er nicht so gar
müde wäre. Ich werde interpelliren, murmelt der Dritte. -- Die Militärherrschaft
in Wien muß aufhören! sagt Zitz und betrachtet den Schoppen, um seinen Inhalt
zu ergründen. Vollständige Genugthuung muß uns werden! schreit Wesendonk
und zerhaue diesmal richtig die Flasche. Ich werde interpelliren, brummt sein
Visavis. Der König von Preußen kann die constituirende Versammlung nicht
aufheben! ruft Zitz und blickt an die Decke. Das ganze Volk muß sich dagegen
erheben, wie ein Mann! sprudelt der Düsseldorfer und hackt mit dem Messer
nach dem Seuftopf, den aber Minna noch glücklich rettet. Ich werde interpelliren,
spricht der Hagere in sich hinein. In dieser Sache werde ich eine Jnterpellation
an das Ministerium richten, herrscht ihm plötzlich Wesendonk zu. Schon recht,
ich werde ebenfalls interpelliren, entgegnet Rau werk-- denn Sie haben den un¬
vermeidlichen Interpellanten ja gleich erkannt -- mit tiefster Seelenruhe. Jetzt ent¬
spinnt sich ein Streit über das Vorrecht der Interpellationen am nächsten Tage,
welcher unerquicklich wird, Wesendonk sucht umsonst durch entsetzliches Schreien
den beharrlichen Berliner von seinem Vorsatz abzubringen, letzterer kennt seine


verräther," zugesellt. Vorüber, ihr Schaft, vorüber! Unten am Tisch sind wieder
andere Leute, Männer der That, wie Sie hören, denn der gercifteste unter ihnen
hat eben, nachdem er den siebenten Schoppen bestellt, mit der geballten Faust ans
die Tafel geschlagen und laut gerufen: Gott — es muß anders werden! — Es
ist Zitz, der Anwalt aus Mainz, unter allen rothen Republikanern der rötheste,
eine breite behäbige Gestalt, deren Gesicht einen seltsam irren, unsteten Ausdruck
hat, und dessen ganzes, finsteres Wesen von vornherein zurückstößt. Seine Feinde
sagten ihm eine Zeitlang nach, Zitz strebe nach dem Präsidentenstuhl von Deutsch¬
land, würde aber, falls dieser schon vergeben sei, sich mit dem Königsthron eines
neu zu schaffenden Reichs, der Pfalz, begnügen, aber niemals hat Jemand wohl
ernstlich über solche Phantasteen nachgedacht, als er selber und seine Busenfreunde
Germain Metternich und Bamberger. Rechts neben Zitz sitzt sein College We sen¬
den! aus Düsseldorf, der „Schreier" des Reichstags. Betrachten Sie diese
kleine zierliche Person mit dem großen Barte und wallenden Haupthaar und beim
ersten Anblick werden Sie in ihr einen Mann erkennen, der es nicht vermocht
hat, die süßen Angewohnheiten eines langen Stndententhums von sich abzustreifen.
Es gibt genug solcher „alten Burschen"; Wesendonk ist noch Einer der pvlirtesten
dieser Spezies, die wahrscheinlich jetzt nach und nach aussterben wird. Den an¬
dern Nachbar von Zitz nenne ich Ihnen nicht; Sie müssen augenblicklich errathen,
wen dieser eckige Knochenmann vorstellt, sobald Sie einen Theil des Gespräches
der Herren belauscht haben. Zitz scheint auf das Höchste unzufrieden; er wieder¬
holt mit verstärkter Stimme seinen vorigen Ausruf. — Wir können es nicht dabei
lassen! stimmt Wesendonk ihm bei, und schlägt mit dem Messer den Kork von ei¬
ner Flasche, der gerade in das Glas von Titus fährt, welcher nicht übel Lust zu
haben scheint, darüber einen gewaltigen Lärm anzufangen, wenn er nicht so gar
müde wäre. Ich werde interpelliren, murmelt der Dritte. — Die Militärherrschaft
in Wien muß aufhören! sagt Zitz und betrachtet den Schoppen, um seinen Inhalt
zu ergründen. Vollständige Genugthuung muß uns werden! schreit Wesendonk
und zerhaue diesmal richtig die Flasche. Ich werde interpelliren, brummt sein
Visavis. Der König von Preußen kann die constituirende Versammlung nicht
aufheben! ruft Zitz und blickt an die Decke. Das ganze Volk muß sich dagegen
erheben, wie ein Mann! sprudelt der Düsseldorfer und hackt mit dem Messer
nach dem Seuftopf, den aber Minna noch glücklich rettet. Ich werde interpelliren,
spricht der Hagere in sich hinein. In dieser Sache werde ich eine Jnterpellation
an das Ministerium richten, herrscht ihm plötzlich Wesendonk zu. Schon recht,
ich werde ebenfalls interpelliren, entgegnet Rau werk— denn Sie haben den un¬
vermeidlichen Interpellanten ja gleich erkannt — mit tiefster Seelenruhe. Jetzt ent¬
spinnt sich ein Streit über das Vorrecht der Interpellationen am nächsten Tage,
welcher unerquicklich wird, Wesendonk sucht umsonst durch entsetzliches Schreien
den beharrlichen Berliner von seinem Vorsatz abzubringen, letzterer kennt seine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/492>, abgerufen am 25.12.2024.