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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Charakterlosigkeit der Spießbürger, der Indifferentismus, mit welcher die soge¬
nannten Konservativen der Entwicklung der deutschen Revolution nach den März¬
tagen zusahen, tragen ja eben einen großen Theil der Schuld, daß die Hoffnungen
des Volkes so hoch gestiegen waren, um nun so tief wieder herabzusinken. Was
haben die Konstitutionellen zur Verbreitung ihrer Grundsätze gethan? Durch
welche Mittel suchte, man auf die politische Bildung der Massen zu wirken und
dieselben für die anarchischen Gelüste weniger empfänglich zu machen? Welche
Opfer haben die Konservativen gebracht, um die blos "theoretische Existenz des
Königthums," (wie Lie sich in Ihrem Briefe ausdrückten) zu einer praktischen zu
befestige"? Mit dem bloßen Geschrei nach Ruhe und Ordnung, mit dem Schimpfen
über die "Rothen" und "Wühler" baut man eben so wenig ein festes Staatsge-
bäude als es die idealistischen Demokraten mit den Phrasen von Volkssouveränität
und deren unbedingten Konsequenzen vermögen. Sehen Sie einmal den deutschen
Philister, wie er hinter den Ofen hockt, sobald ein leiser Windhauch durch die
Lüste fährt. Anstatt dem heranbrausenden Sturme kühn die Stirne zu bieten, geht
er noch immer zu seinen alten Basen und Vettern im alten Regierungsgebäude
und klagt ihnen seine Noth und jammert über die Schlechtigkeit der jungen Welt.
Wenn er schon viel Herz im Leibe hat, wagt er es endlich mit einigen "gutge¬
sinnten" Freunden einen Club zu bilden, um gelegentlich durch Loyalitätsadresseu
bei königlichen Geburtstagen seine entschiedene patriotische Ansicht zu äußern. Aber
mit offner Brust in's politische Leben zu treten, auf freiem Markte dem Volk seine
Ueberzeugung auszusprechen, durch seinen moralischen Muth die Gegner der ge¬
setzlichen Freiheit nach Oben und nach Unten in Schranken zu halten -- dies
hat unser deutscher Bürger trotz der bittern Erfahrungen, welche ihm Frankreich
und Deutschland seit so vielen Jahrzehnten bieten, noch nicht gelernt. Ich glaube,
sie werden diese Vorwürfe aus dem Munde eines gefunden Demokraten nicht un¬
billig finden. Mögen nur alle wahren Vaterlandsfreunde die Fehler ihrer poli¬
tischen Gegner eben so vorurtheilsfrei beurtheilen, wie die Schwächen der eigenen
Partei, dann wird bald eine Vereinigung aller soliden Kräfte zu Stande kommen.
Aber der Weg, welchen die verschiedenen schroff gegenüberstehenden Parteien seit
der Revolution eingeschlagen haben, konnte nur dazu führen, dem Königthum eine
praktische Existenz zu geben, ohne die Befürchtungen der echten Volksfreunde ver¬
bannen zu können: daß auch die Schöpfungen der Freiheit im Volke eine praktische
Existenz erlangen würden.

Trachten Sie daher, daß nun die conservativen Demokraten, zu welchen ich
Sie zähle, den aufgewühlten Boden des neuen dentschen Staates kräftig bestellen,
ehe die plumpen Füße der Reaction ihn vollends niederstampfen. Manche heil¬
bringende Saat wurde selbst von den Radikalen bis jetzt uuter das Volk gestreut.
Dies werden ihnen selbst die bittersten Feinde zugestehen mW". M bedarf ja
nur einer festen Hand, um die Furchen zu ziehen, innerhalb welcher dje jungen


Charakterlosigkeit der Spießbürger, der Indifferentismus, mit welcher die soge¬
nannten Konservativen der Entwicklung der deutschen Revolution nach den März¬
tagen zusahen, tragen ja eben einen großen Theil der Schuld, daß die Hoffnungen
des Volkes so hoch gestiegen waren, um nun so tief wieder herabzusinken. Was
haben die Konstitutionellen zur Verbreitung ihrer Grundsätze gethan? Durch
welche Mittel suchte, man auf die politische Bildung der Massen zu wirken und
dieselben für die anarchischen Gelüste weniger empfänglich zu machen? Welche
Opfer haben die Konservativen gebracht, um die blos „theoretische Existenz des
Königthums," (wie Lie sich in Ihrem Briefe ausdrückten) zu einer praktischen zu
befestige»? Mit dem bloßen Geschrei nach Ruhe und Ordnung, mit dem Schimpfen
über die „Rothen" und „Wühler" baut man eben so wenig ein festes Staatsge-
bäude als es die idealistischen Demokraten mit den Phrasen von Volkssouveränität
und deren unbedingten Konsequenzen vermögen. Sehen Sie einmal den deutschen
Philister, wie er hinter den Ofen hockt, sobald ein leiser Windhauch durch die
Lüste fährt. Anstatt dem heranbrausenden Sturme kühn die Stirne zu bieten, geht
er noch immer zu seinen alten Basen und Vettern im alten Regierungsgebäude
und klagt ihnen seine Noth und jammert über die Schlechtigkeit der jungen Welt.
Wenn er schon viel Herz im Leibe hat, wagt er es endlich mit einigen „gutge¬
sinnten" Freunden einen Club zu bilden, um gelegentlich durch Loyalitätsadresseu
bei königlichen Geburtstagen seine entschiedene patriotische Ansicht zu äußern. Aber
mit offner Brust in's politische Leben zu treten, auf freiem Markte dem Volk seine
Ueberzeugung auszusprechen, durch seinen moralischen Muth die Gegner der ge¬
setzlichen Freiheit nach Oben und nach Unten in Schranken zu halten — dies
hat unser deutscher Bürger trotz der bittern Erfahrungen, welche ihm Frankreich
und Deutschland seit so vielen Jahrzehnten bieten, noch nicht gelernt. Ich glaube,
sie werden diese Vorwürfe aus dem Munde eines gefunden Demokraten nicht un¬
billig finden. Mögen nur alle wahren Vaterlandsfreunde die Fehler ihrer poli¬
tischen Gegner eben so vorurtheilsfrei beurtheilen, wie die Schwächen der eigenen
Partei, dann wird bald eine Vereinigung aller soliden Kräfte zu Stande kommen.
Aber der Weg, welchen die verschiedenen schroff gegenüberstehenden Parteien seit
der Revolution eingeschlagen haben, konnte nur dazu führen, dem Königthum eine
praktische Existenz zu geben, ohne die Befürchtungen der echten Volksfreunde ver¬
bannen zu können: daß auch die Schöpfungen der Freiheit im Volke eine praktische
Existenz erlangen würden.

Trachten Sie daher, daß nun die conservativen Demokraten, zu welchen ich
Sie zähle, den aufgewühlten Boden des neuen dentschen Staates kräftig bestellen,
ehe die plumpen Füße der Reaction ihn vollends niederstampfen. Manche heil¬
bringende Saat wurde selbst von den Radikalen bis jetzt uuter das Volk gestreut.
Dies werden ihnen selbst die bittersten Feinde zugestehen mW». M bedarf ja
nur einer festen Hand, um die Furchen zu ziehen, innerhalb welcher dje jungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/440>, abgerufen am 25.12.2024.