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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Staaten -- Sigmaringen, Altenburg u. s. w. -- hat nicht viel zu sagen; sie wird
durch die bloße Anwesenheit der Reichstruppen unterdrückt werden. Auch die
Frechheit, mit der Dänemark die verwickelte Lage Deutschlands zu neuen, uner¬
hörten Ansprüchen benutzen zu können glaubt, wird an der Besonnenheit der pro¬
visorischen Negierung Schleswig-Holsteins und an ihrem loyalen EinVerständniß
mit der Centralgewalt scheitern und nur dazu dienen, die Stimmung Englands
und Frankreichs günstiger sür Deutschland zu machen.

Aber die Gefahr liegt an einem andern Orte. So lange die beiden Gro߬
mächte ihre innern Angelegenheiten und ihre Stellung zum Reich noch nicht klar
gemacht haben, so lange ist an eine verständig gesetzliche Entwickelung der deut¬
schen Verfassung nicht zu denken. Das Ministerium Pfuel hat zwar Viel gethan,
die Ruhe in Preußen wieder herzustellen; Wrangel's Anwesenheit wird es freilich,
trotz aller schlechten Witze, dabei wesentlich unterstützt haben. Es war in vieler
Beziehung ein Glück, daß gerade ein torystisches Gouvernement, das man als den
Ausdruck einer mächtigen und angeblich der neuen Gestaltung widerstrebenden
Partei anzusehen geneigt war, diese durchaus im constitutionellen Sinn gehaltenen
Erklärungen abgeben mußte, durch welche die alte Zeit der neuen die Hand zur
Versöhnung reicht. Diesem "bewaffneten Ministerium der Reaction" gegenüber
hat sich die tugendhafte, souveräne Linke im schlechtesten Licht gezeigt. Ihre An¬
griffe wären so abgeschmackt, daß sie selbst in dieser Kammer eine starke Majorität
gegen sich hatten. Am Originalsten war ihre Auffassung der Bürgerwehr, deren
Commandanten -- bekanntlich hatte vor Kurzem Herr Held zu diesem Posten ei¬
nige Chancen -- sie eine Art militärischer Dictatur gegen die Regierung anzuver¬
trauen den Antrag stellte. Auch die Berliner "Demokraten" haben wieder den
Ruhm erworben, an Gemeinheit ihre deutschen Kollegen zu übertreffen. Der
Volksclub, geleitet von Dr. Bmary, hat geradezu eine Dankadresse an die Frank¬
furter Barrikadenhelden votirt, zu denen auch die Mörder Lichnowsky's gehören.
Von Interesse ist eine Brochure des Abgeordneten Jacoby an seine Wähler, die
vor einigen Wochen erschienen ist. Er spricht sich darin als Republikaner aus,
verdammt aber jeden Versuch, dem Volk durch Gewalt oder durch Ueberlistung die
Republik aufzubringen. Er setzt gleich darauf hinzu: in den Märztagen hat das
preußische Volk den König begnadigt und großmüthig das Königthum fortbestehen
lassen. Dieser Charlatanerie, mit der sich der Berliner lange gekitzelt hat, muß
endlich ein Ende gemacht werden. Wo hat sich denn das preußische Volk ausge¬
sprochen? Jacoby meint nämlich die Souveräns der Barrikaden vom 18. März.
Diese hatten es allerdings in ihrer Gewalt, den König zu erschlagen, als derselbe
die Soldaten fortgeschickt hatte und sich vertrauend in ihre Mitte begab: eine Macht,
die man in den Zeiten der spätern Sophistik für ein Recht ausgegeben hat --
ein Recht, das jedem Mörder zusteht. Aber die Krone stirbt nicht. Das König-


Staaten — Sigmaringen, Altenburg u. s. w. — hat nicht viel zu sagen; sie wird
durch die bloße Anwesenheit der Reichstruppen unterdrückt werden. Auch die
Frechheit, mit der Dänemark die verwickelte Lage Deutschlands zu neuen, uner¬
hörten Ansprüchen benutzen zu können glaubt, wird an der Besonnenheit der pro¬
visorischen Negierung Schleswig-Holsteins und an ihrem loyalen EinVerständniß
mit der Centralgewalt scheitern und nur dazu dienen, die Stimmung Englands
und Frankreichs günstiger sür Deutschland zu machen.

Aber die Gefahr liegt an einem andern Orte. So lange die beiden Gro߬
mächte ihre innern Angelegenheiten und ihre Stellung zum Reich noch nicht klar
gemacht haben, so lange ist an eine verständig gesetzliche Entwickelung der deut¬
schen Verfassung nicht zu denken. Das Ministerium Pfuel hat zwar Viel gethan,
die Ruhe in Preußen wieder herzustellen; Wrangel's Anwesenheit wird es freilich,
trotz aller schlechten Witze, dabei wesentlich unterstützt haben. Es war in vieler
Beziehung ein Glück, daß gerade ein torystisches Gouvernement, das man als den
Ausdruck einer mächtigen und angeblich der neuen Gestaltung widerstrebenden
Partei anzusehen geneigt war, diese durchaus im constitutionellen Sinn gehaltenen
Erklärungen abgeben mußte, durch welche die alte Zeit der neuen die Hand zur
Versöhnung reicht. Diesem „bewaffneten Ministerium der Reaction" gegenüber
hat sich die tugendhafte, souveräne Linke im schlechtesten Licht gezeigt. Ihre An¬
griffe wären so abgeschmackt, daß sie selbst in dieser Kammer eine starke Majorität
gegen sich hatten. Am Originalsten war ihre Auffassung der Bürgerwehr, deren
Commandanten — bekanntlich hatte vor Kurzem Herr Held zu diesem Posten ei¬
nige Chancen — sie eine Art militärischer Dictatur gegen die Regierung anzuver¬
trauen den Antrag stellte. Auch die Berliner „Demokraten" haben wieder den
Ruhm erworben, an Gemeinheit ihre deutschen Kollegen zu übertreffen. Der
Volksclub, geleitet von Dr. Bmary, hat geradezu eine Dankadresse an die Frank¬
furter Barrikadenhelden votirt, zu denen auch die Mörder Lichnowsky's gehören.
Von Interesse ist eine Brochure des Abgeordneten Jacoby an seine Wähler, die
vor einigen Wochen erschienen ist. Er spricht sich darin als Republikaner aus,
verdammt aber jeden Versuch, dem Volk durch Gewalt oder durch Ueberlistung die
Republik aufzubringen. Er setzt gleich darauf hinzu: in den Märztagen hat das
preußische Volk den König begnadigt und großmüthig das Königthum fortbestehen
lassen. Dieser Charlatanerie, mit der sich der Berliner lange gekitzelt hat, muß
endlich ein Ende gemacht werden. Wo hat sich denn das preußische Volk ausge¬
sprochen? Jacoby meint nämlich die Souveräns der Barrikaden vom 18. März.
Diese hatten es allerdings in ihrer Gewalt, den König zu erschlagen, als derselbe
die Soldaten fortgeschickt hatte und sich vertrauend in ihre Mitte begab: eine Macht,
die man in den Zeiten der spätern Sophistik für ein Recht ausgegeben hat —
ein Recht, das jedem Mörder zusteht. Aber die Krone stirbt nicht. Das König-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/44>, abgerufen am 25.12.2024.