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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Die Aufgabe der Linken war es endlich, das Verfassungswerk so viel als
möglich zu beschleunigen und alles störende Nebenwerk fern zu halten. Es war
klar, daß die moralische Macht des allgemeinen Enthusiasmus schnell benutzt wer¬
den mußte. Ein die parlamentarische Regierung in sestbegrenzten Formen begrün¬
dendes VerfassnngSwcrk hätte, schnell vollendet, die allgemeine und rechtliche Zu¬
stimmung gefunden. Statt dessen arbeitete die Linke gerade an der Verzögerung
der Verfassung. Sie wollte lieber so lange als möglich Diktatur spielen und hoffte
der Strom der Revolution werde die "Eisdecke" der Ordnung vollends zerbrechen.
Je länger man bleibe, je mehr werde man bekommen. Die Linke wollte von den
Regierungen einen unbedingten, formellen Unterwcrfungsakt. Er war uicht zu
erlangen, die Herren hätten ja einstweilen Alles durch einander werfen und zu¬
letzt Ile>iuliliqu<z uno et iMvisil"!"; betretnen können.

Einen Abschnitt in der Geschichte der Linken bildet die Wahl des Reichsver-
wesers. Ihre Opposition, nachdem sie der Vollziehuugsausschuß nicht durchgesetzt
hatte, beruhte uicht mehr auf einem das Wesen der Sache berührenden Gedan¬
ken. Sie urgirte zwei Punkte, die Wahl eines Prinzen und die Unverantwort-
lichkeit. Ob ein Bürgerlicher oder ein Prinz gewählt wurde, berührte das We¬
sen der neuen Regierung nicht. Die Linke wußte nichts Positives, sondern nur
Chilenen für die Fürsten zu ersinnen, darum wählte sie Adam von Itzstein. Die
Unverantwortlichkeit war an sich noch gleichgiltiger, und die Opposition dagegen
ein bloßer Tort für die Fürsten. Der politischen Verantwortlichkeit, d. h. der
Abhängigkeit von den Schicksalen seines Kabinets unterliegt auch der Präsident
der Republik nicht, und von der strafrechtlichen Aerantwortlichkett kann man auf
die Gefahr hin absehen, daß ein Reichsverweser stiehlt. Gegen politische Verbre¬
chen schützt die Contrasignatnr der Minister.

Als die Linke bei dem Gesetz über die Centralgewalt geschlagen, gab sie die
Hoffnung des parlamentarischen Erfolges auf und warf sich dem anarchischen Trei¬
ben außerhalb des Parlaments gänzlich in die Arme. Als dieses Treiben in den
Septemberereignissen unglücklich eclatirte, kam die bösartige Gemeinheit der Lin¬
ken anch im Parlament zum Vorschein. Jetzt stellen ihre Führer nur noch bos¬
hafte Bajazzos vor.

Der Plan, die Einheit Deutschlands durch eine parlamentarische Regierung
zu gründen, ist gescheitert, zum größten Theil an der Unfähigkeit und Inhalts¬
losigkeit der Linken, an ihrer gänzlichen Unkenntniß der Staatsgeschäfte und ro¬
hen Anschauung in politischen Dingen. Als man wußte, daß die Kraft des Par¬
laments in den Centren und der Rechten ruhe, setzte man auf diese die Hoffnung
jenes Planes. Aber diese Partei stand von Anfang ans dem Boden der Defen-
sive gegen die Angriffe der Linken. Kein überwiegendes Talent wußte die Partei
zur activen Förderung des Verfassungswerkes zu führen und den Widerstand der
Linken gegen diese zu besiegen. Die Linke war dnrch den ärgsten Confustonarius


Die Aufgabe der Linken war es endlich, das Verfassungswerk so viel als
möglich zu beschleunigen und alles störende Nebenwerk fern zu halten. Es war
klar, daß die moralische Macht des allgemeinen Enthusiasmus schnell benutzt wer¬
den mußte. Ein die parlamentarische Regierung in sestbegrenzten Formen begrün¬
dendes VerfassnngSwcrk hätte, schnell vollendet, die allgemeine und rechtliche Zu¬
stimmung gefunden. Statt dessen arbeitete die Linke gerade an der Verzögerung
der Verfassung. Sie wollte lieber so lange als möglich Diktatur spielen und hoffte
der Strom der Revolution werde die „Eisdecke" der Ordnung vollends zerbrechen.
Je länger man bleibe, je mehr werde man bekommen. Die Linke wollte von den
Regierungen einen unbedingten, formellen Unterwcrfungsakt. Er war uicht zu
erlangen, die Herren hätten ja einstweilen Alles durch einander werfen und zu¬
letzt Ile>iuliliqu<z uno et iMvisil»!»; betretnen können.

Einen Abschnitt in der Geschichte der Linken bildet die Wahl des Reichsver-
wesers. Ihre Opposition, nachdem sie der Vollziehuugsausschuß nicht durchgesetzt
hatte, beruhte uicht mehr auf einem das Wesen der Sache berührenden Gedan¬
ken. Sie urgirte zwei Punkte, die Wahl eines Prinzen und die Unverantwort-
lichkeit. Ob ein Bürgerlicher oder ein Prinz gewählt wurde, berührte das We¬
sen der neuen Regierung nicht. Die Linke wußte nichts Positives, sondern nur
Chilenen für die Fürsten zu ersinnen, darum wählte sie Adam von Itzstein. Die
Unverantwortlichkeit war an sich noch gleichgiltiger, und die Opposition dagegen
ein bloßer Tort für die Fürsten. Der politischen Verantwortlichkeit, d. h. der
Abhängigkeit von den Schicksalen seines Kabinets unterliegt auch der Präsident
der Republik nicht, und von der strafrechtlichen Aerantwortlichkett kann man auf
die Gefahr hin absehen, daß ein Reichsverweser stiehlt. Gegen politische Verbre¬
chen schützt die Contrasignatnr der Minister.

Als die Linke bei dem Gesetz über die Centralgewalt geschlagen, gab sie die
Hoffnung des parlamentarischen Erfolges auf und warf sich dem anarchischen Trei¬
ben außerhalb des Parlaments gänzlich in die Arme. Als dieses Treiben in den
Septemberereignissen unglücklich eclatirte, kam die bösartige Gemeinheit der Lin¬
ken anch im Parlament zum Vorschein. Jetzt stellen ihre Führer nur noch bos¬
hafte Bajazzos vor.

Der Plan, die Einheit Deutschlands durch eine parlamentarische Regierung
zu gründen, ist gescheitert, zum größten Theil an der Unfähigkeit und Inhalts¬
losigkeit der Linken, an ihrer gänzlichen Unkenntniß der Staatsgeschäfte und ro¬
hen Anschauung in politischen Dingen. Als man wußte, daß die Kraft des Par¬
laments in den Centren und der Rechten ruhe, setzte man auf diese die Hoffnung
jenes Planes. Aber diese Partei stand von Anfang ans dem Boden der Defen-
sive gegen die Angriffe der Linken. Kein überwiegendes Talent wußte die Partei
zur activen Förderung des Verfassungswerkes zu führen und den Widerstand der
Linken gegen diese zu besiegen. Die Linke war dnrch den ärgsten Confustonarius


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[0434] Die Aufgabe der Linken war es endlich, das Verfassungswerk so viel als möglich zu beschleunigen und alles störende Nebenwerk fern zu halten. Es war klar, daß die moralische Macht des allgemeinen Enthusiasmus schnell benutzt wer¬ den mußte. Ein die parlamentarische Regierung in sestbegrenzten Formen begrün¬ dendes VerfassnngSwcrk hätte, schnell vollendet, die allgemeine und rechtliche Zu¬ stimmung gefunden. Statt dessen arbeitete die Linke gerade an der Verzögerung der Verfassung. Sie wollte lieber so lange als möglich Diktatur spielen und hoffte der Strom der Revolution werde die „Eisdecke" der Ordnung vollends zerbrechen. Je länger man bleibe, je mehr werde man bekommen. Die Linke wollte von den Regierungen einen unbedingten, formellen Unterwcrfungsakt. Er war uicht zu erlangen, die Herren hätten ja einstweilen Alles durch einander werfen und zu¬ letzt Ile>iuliliqu<z uno et iMvisil»!»; betretnen können. Einen Abschnitt in der Geschichte der Linken bildet die Wahl des Reichsver- wesers. Ihre Opposition, nachdem sie der Vollziehuugsausschuß nicht durchgesetzt hatte, beruhte uicht mehr auf einem das Wesen der Sache berührenden Gedan¬ ken. Sie urgirte zwei Punkte, die Wahl eines Prinzen und die Unverantwort- lichkeit. Ob ein Bürgerlicher oder ein Prinz gewählt wurde, berührte das We¬ sen der neuen Regierung nicht. Die Linke wußte nichts Positives, sondern nur Chilenen für die Fürsten zu ersinnen, darum wählte sie Adam von Itzstein. Die Unverantwortlichkeit war an sich noch gleichgiltiger, und die Opposition dagegen ein bloßer Tort für die Fürsten. Der politischen Verantwortlichkeit, d. h. der Abhängigkeit von den Schicksalen seines Kabinets unterliegt auch der Präsident der Republik nicht, und von der strafrechtlichen Aerantwortlichkett kann man auf die Gefahr hin absehen, daß ein Reichsverweser stiehlt. Gegen politische Verbre¬ chen schützt die Contrasignatnr der Minister. Als die Linke bei dem Gesetz über die Centralgewalt geschlagen, gab sie die Hoffnung des parlamentarischen Erfolges auf und warf sich dem anarchischen Trei¬ ben außerhalb des Parlaments gänzlich in die Arme. Als dieses Treiben in den Septemberereignissen unglücklich eclatirte, kam die bösartige Gemeinheit der Lin¬ ken anch im Parlament zum Vorschein. Jetzt stellen ihre Führer nur noch bos¬ hafte Bajazzos vor. Der Plan, die Einheit Deutschlands durch eine parlamentarische Regierung zu gründen, ist gescheitert, zum größten Theil an der Unfähigkeit und Inhalts¬ losigkeit der Linken, an ihrer gänzlichen Unkenntniß der Staatsgeschäfte und ro¬ hen Anschauung in politischen Dingen. Als man wußte, daß die Kraft des Par¬ laments in den Centren und der Rechten ruhe, setzte man auf diese die Hoffnung jenes Planes. Aber diese Partei stand von Anfang ans dem Boden der Defen- sive gegen die Angriffe der Linken. Kein überwiegendes Talent wußte die Partei zur activen Förderung des Verfassungswerkes zu führen und den Widerstand der Linken gegen diese zu besiegen. Die Linke war dnrch den ärgsten Confustonarius

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/434>, abgerufen am 22.07.2024.