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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Renitenz -- brave tapfere Truppen, -- Kartätschen drunter schießen, -- sehr
entschlossene Staatsmänner, die Herrn Minister! der Herr Graf vorzüglich!"
""Gesindel, Gesinde!!"" lächelt der Baron, zieht den gelben Glacehandschuh über
den Knöchel und schwenkt in heiterer Stimmung seine Reitpeitsche. --

Herr Professor, was sagen Sie denn zu der neuen Entwicklung der Dinge?
"Nun; ich finde sie geschichtlich begründet, ich betrachte sie nicht abstract, sondern
w amici-ceo, so wie das frankfurter Parlament. Inzwischen ist mir das konstitu¬
tionelle Princip ganz recht, nur daß ich der Krone das Recht einräume, den
Landtag zu verlegen und zu vertagen nach ihrem Belieben, und diejenigen Män¬
ner zu verantwortlichen Ministern zu wählen, die ihr Vertrauen besitzen. Die
Deutschen sind eine unpolitische Nation, ich habe das immer gesagt. Ich halte
nichts von dem Freiheitstaumel." --- Herr Professor, hüten Sie sich! Wenn das
Volk zum zweiten Mal erwacht, dann wär' es leicht, daß Sie furchtbar enttäuscht
würden, dann könnte es sich vielleicht -- um Kronen, nicht mehr blos um Por¬
tefeuilles handeln! Ah! Sie kneifen die Augen zu, weil Sie das besser verstehen,
Sie halten dafür, daß ich Gespenster sehe, daß unser tapferes Heer uns bewachen
und bewahren werde vor jedem zweiten Versuch der Empörung, zumal wenn die
deutsche Neichskrone erst auf dem Haupt der Hohenzollern sitzen wird.

Herr Literat! was ist mit Ihnen vorgegangen, wie sind Sie umgeschlagen?
Kaum traue ich meinen Augen! Sie, in voriger Woche uoch der terroristische
Cyniker, und nun ein Maun mit glatt rasirten Kinn, mit weißem reinem Chemiset
und feinem Rocke. Sie haben den alten Adam buchstäblich ab gewaschen und
sind ein neuer Mensch geworden. Ja wohl, im Vorsaal eines Großen muß man
gewaschen und nicht wie ein Lump erscheinen. Aber wie geriethen Sie in jene
Antichambre, wie kommts, daß Sie, seither der wüthendste Feind der Könige, der
erbittertste Gegner aller Minister, sich nun herbeilassen, plötzlich für die Negie¬
rung die Lanze einzulegen? "Ja! ich sehe ein, -- es wird auch so, -- die con-
stitutionelle Freiheit, --- das Volk sür die Republik nicht reif! -- mich über¬
zeugt--" Warum sehen Sie mich nicht offen an? warum fliegt Ihr Auge unstät
nach der Seite hin und vermeidet das Meine? Er rennt vorbei, der Schuft, der
sich -- mit einem geringen Sold hat erkaufen lassen.

Nein fort von hier ans dieser Stadt, in der die Gemeinheit ihr Lager auf¬
geschlagen hat, wo neben dem Soldatenheer ein Heer von Speichelleckern und
Bedientenseelen wimmelt.

Doch ist es denn viel besser in den Provinzen? Mein Herr, Sie haben seit
Jahr und Tag der Verwaltung dieser schönen Handelsstadt mit Umsicht vorge¬
standen. Ich ignorire jetzt den rothen Adlerorden dritter Klasse, den Sie im Knopf¬
loch tragen, -- ich weiß, Sie legen keinen übertriebenen Werth auf diese Aus¬
zeichnung, -- sprechen Sie offen heraus, können Sie diese Gewaltthaten der Reac¬
tion billigen? ..Vom geschäftlichen Standpunkte aus: ja!" Aber vom staatsmän-


Renitenz — brave tapfere Truppen, — Kartätschen drunter schießen, — sehr
entschlossene Staatsmänner, die Herrn Minister! der Herr Graf vorzüglich!"
„„Gesindel, Gesinde!!"" lächelt der Baron, zieht den gelben Glacehandschuh über
den Knöchel und schwenkt in heiterer Stimmung seine Reitpeitsche. —

Herr Professor, was sagen Sie denn zu der neuen Entwicklung der Dinge?
„Nun; ich finde sie geschichtlich begründet, ich betrachte sie nicht abstract, sondern
w amici-ceo, so wie das frankfurter Parlament. Inzwischen ist mir das konstitu¬
tionelle Princip ganz recht, nur daß ich der Krone das Recht einräume, den
Landtag zu verlegen und zu vertagen nach ihrem Belieben, und diejenigen Män¬
ner zu verantwortlichen Ministern zu wählen, die ihr Vertrauen besitzen. Die
Deutschen sind eine unpolitische Nation, ich habe das immer gesagt. Ich halte
nichts von dem Freiheitstaumel." -— Herr Professor, hüten Sie sich! Wenn das
Volk zum zweiten Mal erwacht, dann wär' es leicht, daß Sie furchtbar enttäuscht
würden, dann könnte es sich vielleicht — um Kronen, nicht mehr blos um Por¬
tefeuilles handeln! Ah! Sie kneifen die Augen zu, weil Sie das besser verstehen,
Sie halten dafür, daß ich Gespenster sehe, daß unser tapferes Heer uns bewachen
und bewahren werde vor jedem zweiten Versuch der Empörung, zumal wenn die
deutsche Neichskrone erst auf dem Haupt der Hohenzollern sitzen wird.

Herr Literat! was ist mit Ihnen vorgegangen, wie sind Sie umgeschlagen?
Kaum traue ich meinen Augen! Sie, in voriger Woche uoch der terroristische
Cyniker, und nun ein Maun mit glatt rasirten Kinn, mit weißem reinem Chemiset
und feinem Rocke. Sie haben den alten Adam buchstäblich ab gewaschen und
sind ein neuer Mensch geworden. Ja wohl, im Vorsaal eines Großen muß man
gewaschen und nicht wie ein Lump erscheinen. Aber wie geriethen Sie in jene
Antichambre, wie kommts, daß Sie, seither der wüthendste Feind der Könige, der
erbittertste Gegner aller Minister, sich nun herbeilassen, plötzlich für die Negie¬
rung die Lanze einzulegen? „Ja! ich sehe ein, — es wird auch so, — die con-
stitutionelle Freiheit, -— das Volk sür die Republik nicht reif! — mich über¬
zeugt—" Warum sehen Sie mich nicht offen an? warum fliegt Ihr Auge unstät
nach der Seite hin und vermeidet das Meine? Er rennt vorbei, der Schuft, der
sich — mit einem geringen Sold hat erkaufen lassen.

Nein fort von hier ans dieser Stadt, in der die Gemeinheit ihr Lager auf¬
geschlagen hat, wo neben dem Soldatenheer ein Heer von Speichelleckern und
Bedientenseelen wimmelt.

Doch ist es denn viel besser in den Provinzen? Mein Herr, Sie haben seit
Jahr und Tag der Verwaltung dieser schönen Handelsstadt mit Umsicht vorge¬
standen. Ich ignorire jetzt den rothen Adlerorden dritter Klasse, den Sie im Knopf¬
loch tragen, — ich weiß, Sie legen keinen übertriebenen Werth auf diese Aus¬
zeichnung, — sprechen Sie offen heraus, können Sie diese Gewaltthaten der Reac¬
tion billigen? ..Vom geschäftlichen Standpunkte aus: ja!" Aber vom staatsmän-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/420>, abgerufen am 22.07.2024.