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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Die "Presse" hat sich gut wundern, wie das alte Oestreich so ungeahnte Kräfte
entwickle" und Armeen gleichsam aus dem Boden stampfen könne. So viel ist gewiß, daß
Oestreich an Menschen bereits erschöpft ist und bei dem mindesten Anstoß von Außen zusam¬
menbrechen muß. Die Gährungen in der Armee selbst sind nicht gering und zwar ist
jetzt die Unzufriedenheit in die Gemüther eines großen Theils der Offiziere gedrungen
wegen des beibehaltenen altöstreichischcn Befmdcrnngssystcms. Offiziere tadeln die Stu¬
denten und die ganze demokratische Partei, daß sie ihr Heil bei den Gemeinen, statt
bei den Offizieren versucht und letzteren stets mit Geringschätzung begegnet haben. Die
Wuth der Soldaten gegen Wien war eine gemachte, aber durch die ausgestandenen
Strapatzen verstärkt, und ein großer Tbei! des Unglücks, welches dnrch die Einnahme
Wiens herbeigeführt wurde, kömmt auf Rechnung der Gemeinheit eines Theils der hie¬
sigen Bürgerschaft. Viele Denunciationen fanden durch selbe Statt. Nur zwei Bei¬
spiele will ich hier anführen. Ein Offizier war in Gesellschaft einiger Bürger in einem
Kaffeehause und wird von einem derselben folgendermaßen angeredet: Herr Haupt-
mann! "Dort sitzt ein Student, ein Wühler, lassen Sie ihn festnehmen." Der Offi¬
zier begibt sich hin zum Begeisterten und fragt ihn: "Sind Sie Student?" Erblei¬
chend gibt dieser ein "Ja" zur Antwort. "Haben Sie die Güte sich zu entfernen,"
entgegnet der Offizier, "Sie könnten Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein; es sind Spitzel
hier." Nachdem der Rath befolgt war, geht der Offizier zum Bürger zurück und vor
ihm ausspuckend, verläßt er mit den Worten "Sie sind ein Schuft!" daS Zimmer.

Ein Offizier führte unter starker Miiitärbcglcitnng einen Haufen gefangener Stu¬
denten. Der Zug kam vor einem Nvlkshaufcn vorüber, aus welchem einige Bürger
"Bravo!" riefen. "Pfui!" rief ihnen der Offizier zu, "das denk ich, konnten Sie
wohl bleiben lassen." Es ist charakteristisch für die Bewegungen des Jahres 48, daß
die konservative oder sogenannte "gemäßigte Partei," die doch mehr den gebildeten
Ständen angehört weit wüthender und terroristischer sich zeigt, als die eigentlichen Re¬
volutionär, die größtentheils dem Proletariate angehören. Den Grund dafür glaube
ich großentheils im Assoeiationsrechte suchen zu müssen. Das beste Beispiel hiefür zeigte
der erste Arbeiterverein. Die Mitglieder desselben benahmen sich stets mit Mäßigung
And Würde. Die Körperschaften überwachten das Betragen jeden Mitgliedes, an ihre
Ehre mackellos zu erhalten. Wäre das Gesellschaftssystem ausgebildeter gewesen, ich
glaube die Ermordung Latours hätte nicht statt gefunden.

Nie erlitt Jemand ein ungerechteres Loos als die Studenten, denen jetzt die ganze
Revolution aufgebürdet wird. Am ö. wurden die Studenten erst rcquinrt, nachdem
Garden und Arbeiter den Abzug des Militärs bereits verhindert hatten, und da erst
begab sich der LegionSkommaubant Aigner zum Kriegsminister, um Verhaltungsbefehle
einzuholen. Doch dem stürmischen Verlangen des Volkes nachgebend, marschi'reen. die
Studenten an die Brücken der kleinen Donau, ohne die Befehle dazu abzuwarten.
Daß dann die Studenten getreulich aushielten, daß sie bei jeder Gefahr die ersten wa¬
ren, verdienen sie deshalb so schwer angeklagt zu werden? Doch muß man eingestehen,
daß ein großer Theil der Studenten während der Oetvbcrtage sich entweder feige ver"
Justus. steckte oder bramarbastisch schleppsäbelte. -- ,




eV Mit dem ersten Januar Ili'S beginnt der Jahrgang der
Grenzboten. Da wir dieselben n"r auf festes Verlangen abgeben, so ersuchen
wir d.e Bestellungen vor dem Anfang des Jahres einzusenden, damit vie
Stärke der Auflage danach bestimmt werden kaun.
Man pränumrrirt bei all"n Buchhandlungen und Postämtern. Verjähr"
liebe Pränumerationspreis ist I" Thlr. oder Is !5l C -M.
Die Vericigshandlung.
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Verlag von F. L. Herbig. -- Redacteure- Gustav Frrytag.und Julian Schmidt.
Druck von Friedrich Andrä.

Die „Presse" hat sich gut wundern, wie das alte Oestreich so ungeahnte Kräfte
entwickle» und Armeen gleichsam aus dem Boden stampfen könne. So viel ist gewiß, daß
Oestreich an Menschen bereits erschöpft ist und bei dem mindesten Anstoß von Außen zusam¬
menbrechen muß. Die Gährungen in der Armee selbst sind nicht gering und zwar ist
jetzt die Unzufriedenheit in die Gemüther eines großen Theils der Offiziere gedrungen
wegen des beibehaltenen altöstreichischcn Befmdcrnngssystcms. Offiziere tadeln die Stu¬
denten und die ganze demokratische Partei, daß sie ihr Heil bei den Gemeinen, statt
bei den Offizieren versucht und letzteren stets mit Geringschätzung begegnet haben. Die
Wuth der Soldaten gegen Wien war eine gemachte, aber durch die ausgestandenen
Strapatzen verstärkt, und ein großer Tbei! des Unglücks, welches dnrch die Einnahme
Wiens herbeigeführt wurde, kömmt auf Rechnung der Gemeinheit eines Theils der hie¬
sigen Bürgerschaft. Viele Denunciationen fanden durch selbe Statt. Nur zwei Bei¬
spiele will ich hier anführen. Ein Offizier war in Gesellschaft einiger Bürger in einem
Kaffeehause und wird von einem derselben folgendermaßen angeredet: Herr Haupt-
mann! „Dort sitzt ein Student, ein Wühler, lassen Sie ihn festnehmen." Der Offi¬
zier begibt sich hin zum Begeisterten und fragt ihn: „Sind Sie Student?" Erblei¬
chend gibt dieser ein „Ja" zur Antwort. „Haben Sie die Güte sich zu entfernen,"
entgegnet der Offizier, „Sie könnten Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein; es sind Spitzel
hier." Nachdem der Rath befolgt war, geht der Offizier zum Bürger zurück und vor
ihm ausspuckend, verläßt er mit den Worten „Sie sind ein Schuft!" daS Zimmer.

Ein Offizier führte unter starker Miiitärbcglcitnng einen Haufen gefangener Stu¬
denten. Der Zug kam vor einem Nvlkshaufcn vorüber, aus welchem einige Bürger
„Bravo!" riefen. „Pfui!" rief ihnen der Offizier zu, „das denk ich, konnten Sie
wohl bleiben lassen." Es ist charakteristisch für die Bewegungen des Jahres 48, daß
die konservative oder sogenannte „gemäßigte Partei," die doch mehr den gebildeten
Ständen angehört weit wüthender und terroristischer sich zeigt, als die eigentlichen Re¬
volutionär, die größtentheils dem Proletariate angehören. Den Grund dafür glaube
ich großentheils im Assoeiationsrechte suchen zu müssen. Das beste Beispiel hiefür zeigte
der erste Arbeiterverein. Die Mitglieder desselben benahmen sich stets mit Mäßigung
And Würde. Die Körperschaften überwachten das Betragen jeden Mitgliedes, an ihre
Ehre mackellos zu erhalten. Wäre das Gesellschaftssystem ausgebildeter gewesen, ich
glaube die Ermordung Latours hätte nicht statt gefunden.

Nie erlitt Jemand ein ungerechteres Loos als die Studenten, denen jetzt die ganze
Revolution aufgebürdet wird. Am ö. wurden die Studenten erst rcquinrt, nachdem
Garden und Arbeiter den Abzug des Militärs bereits verhindert hatten, und da erst
begab sich der LegionSkommaubant Aigner zum Kriegsminister, um Verhaltungsbefehle
einzuholen. Doch dem stürmischen Verlangen des Volkes nachgebend, marschi'reen. die
Studenten an die Brücken der kleinen Donau, ohne die Befehle dazu abzuwarten.
Daß dann die Studenten getreulich aushielten, daß sie bei jeder Gefahr die ersten wa¬
ren, verdienen sie deshalb so schwer angeklagt zu werden? Doch muß man eingestehen,
daß ein großer Theil der Studenten während der Oetvbcrtage sich entweder feige ver»
Justus. steckte oder bramarbastisch schleppsäbelte. — ,




eV Mit dem ersten Januar Ili'S beginnt der Jahrgang der
Grenzboten. Da wir dieselben n»r auf festes Verlangen abgeben, so ersuchen
wir d.e Bestellungen vor dem Anfang des Jahres einzusenden, damit vie
Stärke der Auflage danach bestimmt werden kaun.
Man pränumrrirt bei all«n Buchhandlungen und Postämtern. Verjähr«
liebe Pränumerationspreis ist I" Thlr. oder Is !5l C -M.
Die Vericigshandlung.
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Druck von Friedrich Andrä.
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[0372] Die „Presse" hat sich gut wundern, wie das alte Oestreich so ungeahnte Kräfte entwickle» und Armeen gleichsam aus dem Boden stampfen könne. So viel ist gewiß, daß Oestreich an Menschen bereits erschöpft ist und bei dem mindesten Anstoß von Außen zusam¬ menbrechen muß. Die Gährungen in der Armee selbst sind nicht gering und zwar ist jetzt die Unzufriedenheit in die Gemüther eines großen Theils der Offiziere gedrungen wegen des beibehaltenen altöstreichischcn Befmdcrnngssystcms. Offiziere tadeln die Stu¬ denten und die ganze demokratische Partei, daß sie ihr Heil bei den Gemeinen, statt bei den Offizieren versucht und letzteren stets mit Geringschätzung begegnet haben. Die Wuth der Soldaten gegen Wien war eine gemachte, aber durch die ausgestandenen Strapatzen verstärkt, und ein großer Tbei! des Unglücks, welches dnrch die Einnahme Wiens herbeigeführt wurde, kömmt auf Rechnung der Gemeinheit eines Theils der hie¬ sigen Bürgerschaft. Viele Denunciationen fanden durch selbe Statt. Nur zwei Bei¬ spiele will ich hier anführen. Ein Offizier war in Gesellschaft einiger Bürger in einem Kaffeehause und wird von einem derselben folgendermaßen angeredet: Herr Haupt- mann! „Dort sitzt ein Student, ein Wühler, lassen Sie ihn festnehmen." Der Offi¬ zier begibt sich hin zum Begeisterten und fragt ihn: „Sind Sie Student?" Erblei¬ chend gibt dieser ein „Ja" zur Antwort. „Haben Sie die Güte sich zu entfernen," entgegnet der Offizier, „Sie könnten Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein; es sind Spitzel hier." Nachdem der Rath befolgt war, geht der Offizier zum Bürger zurück und vor ihm ausspuckend, verläßt er mit den Worten „Sie sind ein Schuft!" daS Zimmer. Ein Offizier führte unter starker Miiitärbcglcitnng einen Haufen gefangener Stu¬ denten. Der Zug kam vor einem Nvlkshaufcn vorüber, aus welchem einige Bürger „Bravo!" riefen. „Pfui!" rief ihnen der Offizier zu, „das denk ich, konnten Sie wohl bleiben lassen." Es ist charakteristisch für die Bewegungen des Jahres 48, daß die konservative oder sogenannte „gemäßigte Partei," die doch mehr den gebildeten Ständen angehört weit wüthender und terroristischer sich zeigt, als die eigentlichen Re¬ volutionär, die größtentheils dem Proletariate angehören. Den Grund dafür glaube ich großentheils im Assoeiationsrechte suchen zu müssen. Das beste Beispiel hiefür zeigte der erste Arbeiterverein. Die Mitglieder desselben benahmen sich stets mit Mäßigung And Würde. Die Körperschaften überwachten das Betragen jeden Mitgliedes, an ihre Ehre mackellos zu erhalten. Wäre das Gesellschaftssystem ausgebildeter gewesen, ich glaube die Ermordung Latours hätte nicht statt gefunden. Nie erlitt Jemand ein ungerechteres Loos als die Studenten, denen jetzt die ganze Revolution aufgebürdet wird. Am ö. wurden die Studenten erst rcquinrt, nachdem Garden und Arbeiter den Abzug des Militärs bereits verhindert hatten, und da erst begab sich der LegionSkommaubant Aigner zum Kriegsminister, um Verhaltungsbefehle einzuholen. Doch dem stürmischen Verlangen des Volkes nachgebend, marschi'reen. die Studenten an die Brücken der kleinen Donau, ohne die Befehle dazu abzuwarten. Daß dann die Studenten getreulich aushielten, daß sie bei jeder Gefahr die ersten wa¬ ren, verdienen sie deshalb so schwer angeklagt zu werden? Doch muß man eingestehen, daß ein großer Theil der Studenten während der Oetvbcrtage sich entweder feige ver» Justus. steckte oder bramarbastisch schleppsäbelte. — , eV Mit dem ersten Januar Ili'S beginnt der Jahrgang der Grenzboten. Da wir dieselben n»r auf festes Verlangen abgeben, so ersuchen wir d.e Bestellungen vor dem Anfang des Jahres einzusenden, damit vie Stärke der Auflage danach bestimmt werden kaun. Man pränumrrirt bei all«n Buchhandlungen und Postämtern. Verjähr« liebe Pränumerationspreis ist I" Thlr. oder Is !5l C -M. Die Vericigshandlung. '' Verlag von F. L. Herbig. — Redacteure- Gustav Frrytag.und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/372>, abgerufen am 25.12.2024.