Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.hundert beisammen, Deputirte, Galerien und Frauenzimmer, die leeren Stühle Wer einen Tropfen Quecksilber entschlüpfen und in tausend kleinen Kügelchen GrenMen. IV. Isi". 3 9
hundert beisammen, Deputirte, Galerien und Frauenzimmer, die leeren Stühle Wer einen Tropfen Quecksilber entschlüpfen und in tausend kleinen Kügelchen GrenMen. IV. Isi«. 3 9
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hundert beisammen, Deputirte, Galerien und Frauenzimmer, die leeren Stühle
in: Saale abgerechnet. Das war das große demokratische Vorparlament, wie die
radikale Marktschreicrei es getauft, das war die große Meuterei und Verschwö¬
rung, die der alte Jahr in Frankfurt denunciren wollte!
Wer einen Tropfen Quecksilber entschlüpfen und in tausend kleinen Kügelchen
nach alleu Winkeln zerrinnen gesehen, der hat einen Begriff von der ächten De¬
mokratie und von einem Kongresse der wahren Demokraten. Denn was die Herren
wollen ist leicht zu sagen, schwer zu fassen. Das war freilich allgemeine Ansicht
geworden, daß Heil nur von der rothen Republik zu erwarten sei; allein was ist
denn rothe Republik? Die Frage ist nicht leicht; es wäre eben so leicht zu ent¬
scheiden, welchen Geschlechtes und welcher Gattung der Vogel Rock aus tausend
und einer Nacht gewesen sei. Rothe Republik ist — merken Sie aus, ich beginne
nach Berliner Logik mit der brutalsten Auffassung und überwinde einen Stand¬
punkt nach dem Andern. Nordamerika, Frankreich und die Schweiz sind keine
Republiken, denn in ihnen herrscht Geld, Talent und Majorität. Das souveräne
Volk unter den Zelten oder aus den Pereon des Schauspielhauses versteht unter
rother Republik die Republik, wo Jeder herrscht und über Alle die Majorität
der Schädel, das heißt die Dummheit. — Anders fassen es die praktischen Män¬
ner der Bewegung auf, rothe Republik sind die permanenten Barrikaden. Die
Guillotine und die Assignaten mit den Zwangsanlehen. Auch diesen Standpunkt
läßt der Humanismus weit hinter sich in blauer Ferne. Die rothe Republik ist
eine Kuh mit vergoldeten Hörnern, die Republik der Tugend mit den Robes-
pierre'schen Grundrechten; so Herr Oppenheim, der letztere von dem Congreß
in Bausch und Bogen angenommen wissen wollte. Die Tugend ist etwas sehr
schönes, philosophirte die Mehrzahl, aber die Tugend hat von jeher gehungert.
In der rothen Republik muß sich jene Idee verwirklichen, die im Gehirn unseres
Jahrhunderts fruchtbar keimt, rothe Republik ist der Staat mit dem Tischlein,
Tischlein, decke dich! — dem Socialismus! Jetzt glaubte ich wirklich die Reihe
der Zeugungen sei geschlossen, da eröffnet mir ein früherer Bekannter und Depu-
tirter noch eine viel weitere Perspective. „Wissen Sie, was ich unter rother
Republik verstehe?" frug er mich mit jenem mitleidigen Blick, wie der Meister sie
für den Schüler hat. „Die rothe Republik ist die — Anarchie. Verstehen Sie
mich nicht falsch, ich meine nicht die Fratze mit der herausgestreckten Zunge, die
dem Philister im Traume erscheint, wenn er ans der linken Seite liegt, Auch
nicht die Herrschaft der Tugend, denn sie ist langweilig, wie eine märkische Chaussee,
auch nicht der Vernunft, denn das ist wieder »ur ein Theil der Demokratie, son¬
dern es ist die Staatsform, die so elastisch ist, daß Alles in ihr Raum, Be¬
richtigung, Schätzung findet, wie unter dem Mantel der Nacht. Das Recht der
Majorität ist ein brutales, es ist ein Gesetz der Schafheerden, und darüber ist
die Zeit hoffentlich längst hinaus. Die.rothe Republik ist die echte Demokratie,
GrenMen. IV. Isi«. 3 9
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