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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Das Prager Stadtverordneten - Kollegium scheint allmälig doch die Einsicht
gewonnen zu haben, daß.der schroffe Gegensatz, in den es sich durch seine frü¬
here, voreilige Proklamation zu der Bevölkerung Wiens gestellt hatte, einiger¬
maßen gemildert werden müsse und daß die Reaktion, welche es vordem ein "hoh¬
les Gespenst" genannt hatte, jetzt doch kein Gegenstand bloßer Gespensterfurcht
mehr sei. Darum schickte es eine Deputation an das k. Hoflager zu Ollmütz,
welche in einer Adresse den Kaiser der loyalen Gesinnung der Präger Bevölkerung
versichert und das Ansuchen stellt, zur Abwendung eines militärischen Einschreitens
die friedliche Vermittlung der Schwesterstadt Prag in den Wiener Wirren geneh¬
migen zu wollen. Die Antwort aber, welche der Monarch in der am 17. Okto¬
ber ertheilten Audienz der Deputation gab, war diese: "daß er zwar ihre edle
Absicht nicht verkenne, aber doch zur Herstellung der Ruhe in Wien die Anwen¬
dung aller ihm zu Gebote stehenden Mittel für nöthig erachte." Auch die beiden
ezechischen ReichStagSdeputirten Heisere und Brauner, welche um die Verlegung
des Reichstages in eine andere Stadt ansuchten, damit er nicht durch das anar¬
chische Treiben im Innen der Hauptstadt, und durch die Entfaltung der Streit¬
kräfte von Außen in seinen Berathungen gestört würde, erhielten darauf die un¬
genügende, ausweichende Antwort, daß der Kaiser schou dafür Sorge tragen
werde, dem Reichstage jene Sicherheit zu gewährleisten, welche nothwendig ist,
um seiue Arbeiten ungehindert fortsetzen zu können. Auf diese Art wird nun auch
die Sendung der beiden Deputirten Tyl und starck, welche im Namen der hie¬
sigen Reichstagsabgeordneten mit den in Brünn zusammenkommenden parlamenta¬
rischen Meinungsgenossen der Rechte" über die Wahl des fernern Ortes der Reichs-
tagSsitzungen sich verständigen sollten, eine erfolglose sein. Wien ist nun vollstän¬
dig cernirt, und es scheint in dem Wunsche Sr. Majestät zu liegen, den Reichs¬
tag in einer belagerten Stadt seine Sitzungen abhalte" zu lassen, damit er sich
in bescheidenen Grenzen halte" möge und das Ministerium Stadion uuter dem
Schutze der Bajonette vor lästigen Interpellationen sicher sei. Die halbe Antwort,
welche die Präger Deputirten erhalte" habe", wird übrigens genügend ergänzt
durch das Manifest vom > (i. Oktober, welches de" Völkern Oestreichs Militärdik-
tatur auf breitester Basis und eine gesetzliche Regelung, d. i. möglichst große Be¬
schränkung der Presse, des Associativnsrcchtes und der Volkswehr verkündigt. Und
innerhalb dieser von der Militärgewalt bestimmten Grenzen wird der Reichstag
seiue Ausgabe zu lösen, sein Vcrfassnngswerk zu beendigen habe". -- Vielleicht
wird jetzt die Lebensgefahr, in der sich die östreichische Freiheit zu Wien befindet,
Prag über sei" richtiges Verhältniß zur Hauptstadt vollends erklären. --

I" Mähre", welches doch dieselbe" "ativnellen Elemente, wie Böhme",
nud in ähnliche" Mischungsverhältnissen enthält, hat doch gleich im Anfange die
politische Auffassung der Wiener Oktoberrevolution das ttebergcwicht über den
nationalen Standpunkt erlangt. Daher hat man sich von dort ans mit dem Wir--


Das Prager Stadtverordneten - Kollegium scheint allmälig doch die Einsicht
gewonnen zu haben, daß.der schroffe Gegensatz, in den es sich durch seine frü¬
here, voreilige Proklamation zu der Bevölkerung Wiens gestellt hatte, einiger¬
maßen gemildert werden müsse und daß die Reaktion, welche es vordem ein „hoh¬
les Gespenst" genannt hatte, jetzt doch kein Gegenstand bloßer Gespensterfurcht
mehr sei. Darum schickte es eine Deputation an das k. Hoflager zu Ollmütz,
welche in einer Adresse den Kaiser der loyalen Gesinnung der Präger Bevölkerung
versichert und das Ansuchen stellt, zur Abwendung eines militärischen Einschreitens
die friedliche Vermittlung der Schwesterstadt Prag in den Wiener Wirren geneh¬
migen zu wollen. Die Antwort aber, welche der Monarch in der am 17. Okto¬
ber ertheilten Audienz der Deputation gab, war diese: „daß er zwar ihre edle
Absicht nicht verkenne, aber doch zur Herstellung der Ruhe in Wien die Anwen¬
dung aller ihm zu Gebote stehenden Mittel für nöthig erachte." Auch die beiden
ezechischen ReichStagSdeputirten Heisere und Brauner, welche um die Verlegung
des Reichstages in eine andere Stadt ansuchten, damit er nicht durch das anar¬
chische Treiben im Innen der Hauptstadt, und durch die Entfaltung der Streit¬
kräfte von Außen in seinen Berathungen gestört würde, erhielten darauf die un¬
genügende, ausweichende Antwort, daß der Kaiser schou dafür Sorge tragen
werde, dem Reichstage jene Sicherheit zu gewährleisten, welche nothwendig ist,
um seiue Arbeiten ungehindert fortsetzen zu können. Auf diese Art wird nun auch
die Sendung der beiden Deputirten Tyl und starck, welche im Namen der hie¬
sigen Reichstagsabgeordneten mit den in Brünn zusammenkommenden parlamenta¬
rischen Meinungsgenossen der Rechte» über die Wahl des fernern Ortes der Reichs-
tagSsitzungen sich verständigen sollten, eine erfolglose sein. Wien ist nun vollstän¬
dig cernirt, und es scheint in dem Wunsche Sr. Majestät zu liegen, den Reichs¬
tag in einer belagerten Stadt seine Sitzungen abhalte» zu lassen, damit er sich
in bescheidenen Grenzen halte» möge und das Ministerium Stadion uuter dem
Schutze der Bajonette vor lästigen Interpellationen sicher sei. Die halbe Antwort,
welche die Präger Deputirten erhalte» habe», wird übrigens genügend ergänzt
durch das Manifest vom > (i. Oktober, welches de» Völkern Oestreichs Militärdik-
tatur auf breitester Basis und eine gesetzliche Regelung, d. i. möglichst große Be¬
schränkung der Presse, des Associativnsrcchtes und der Volkswehr verkündigt. Und
innerhalb dieser von der Militärgewalt bestimmten Grenzen wird der Reichstag
seiue Ausgabe zu lösen, sein Vcrfassnngswerk zu beendigen habe». — Vielleicht
wird jetzt die Lebensgefahr, in der sich die östreichische Freiheit zu Wien befindet,
Prag über sei» richtiges Verhältniß zur Hauptstadt vollends erklären. —

I» Mähre», welches doch dieselbe» »ativnellen Elemente, wie Böhme»,
nud in ähnliche» Mischungsverhältnissen enthält, hat doch gleich im Anfange die
politische Auffassung der Wiener Oktoberrevolution das ttebergcwicht über den
nationalen Standpunkt erlangt. Daher hat man sich von dort ans mit dem Wir--


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[0184] Das Prager Stadtverordneten - Kollegium scheint allmälig doch die Einsicht gewonnen zu haben, daß.der schroffe Gegensatz, in den es sich durch seine frü¬ here, voreilige Proklamation zu der Bevölkerung Wiens gestellt hatte, einiger¬ maßen gemildert werden müsse und daß die Reaktion, welche es vordem ein „hoh¬ les Gespenst" genannt hatte, jetzt doch kein Gegenstand bloßer Gespensterfurcht mehr sei. Darum schickte es eine Deputation an das k. Hoflager zu Ollmütz, welche in einer Adresse den Kaiser der loyalen Gesinnung der Präger Bevölkerung versichert und das Ansuchen stellt, zur Abwendung eines militärischen Einschreitens die friedliche Vermittlung der Schwesterstadt Prag in den Wiener Wirren geneh¬ migen zu wollen. Die Antwort aber, welche der Monarch in der am 17. Okto¬ ber ertheilten Audienz der Deputation gab, war diese: „daß er zwar ihre edle Absicht nicht verkenne, aber doch zur Herstellung der Ruhe in Wien die Anwen¬ dung aller ihm zu Gebote stehenden Mittel für nöthig erachte." Auch die beiden ezechischen ReichStagSdeputirten Heisere und Brauner, welche um die Verlegung des Reichstages in eine andere Stadt ansuchten, damit er nicht durch das anar¬ chische Treiben im Innen der Hauptstadt, und durch die Entfaltung der Streit¬ kräfte von Außen in seinen Berathungen gestört würde, erhielten darauf die un¬ genügende, ausweichende Antwort, daß der Kaiser schou dafür Sorge tragen werde, dem Reichstage jene Sicherheit zu gewährleisten, welche nothwendig ist, um seiue Arbeiten ungehindert fortsetzen zu können. Auf diese Art wird nun auch die Sendung der beiden Deputirten Tyl und starck, welche im Namen der hie¬ sigen Reichstagsabgeordneten mit den in Brünn zusammenkommenden parlamenta¬ rischen Meinungsgenossen der Rechte» über die Wahl des fernern Ortes der Reichs- tagSsitzungen sich verständigen sollten, eine erfolglose sein. Wien ist nun vollstän¬ dig cernirt, und es scheint in dem Wunsche Sr. Majestät zu liegen, den Reichs¬ tag in einer belagerten Stadt seine Sitzungen abhalte» zu lassen, damit er sich in bescheidenen Grenzen halte» möge und das Ministerium Stadion uuter dem Schutze der Bajonette vor lästigen Interpellationen sicher sei. Die halbe Antwort, welche die Präger Deputirten erhalte» habe», wird übrigens genügend ergänzt durch das Manifest vom > (i. Oktober, welches de» Völkern Oestreichs Militärdik- tatur auf breitester Basis und eine gesetzliche Regelung, d. i. möglichst große Be¬ schränkung der Presse, des Associativnsrcchtes und der Volkswehr verkündigt. Und innerhalb dieser von der Militärgewalt bestimmten Grenzen wird der Reichstag seiue Ausgabe zu lösen, sein Vcrfassnngswerk zu beendigen habe». — Vielleicht wird jetzt die Lebensgefahr, in der sich die östreichische Freiheit zu Wien befindet, Prag über sei» richtiges Verhältniß zur Hauptstadt vollends erklären. — I» Mähre», welches doch dieselbe» »ativnellen Elemente, wie Böhme», nud in ähnliche» Mischungsverhältnissen enthält, hat doch gleich im Anfange die politische Auffassung der Wiener Oktoberrevolution das ttebergcwicht über den nationalen Standpunkt erlangt. Daher hat man sich von dort ans mit dem Wir--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/184>, abgerufen am 22.07.2024.