Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.ordneten erhielten wir bald darauf eine kleine Probe. Da sich nun wirklich bei einem Da Böhmen in sich selbst den Gegensatz des enthusiastischen Deutschthums ordneten erhielten wir bald darauf eine kleine Probe. Da sich nun wirklich bei einem Da Böhmen in sich selbst den Gegensatz des enthusiastischen Deutschthums <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276938"/> <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> ordneten erhielten wir bald darauf eine kleine Probe. Da sich nun wirklich bei einem<lb/> Theile des Publikums die Ansicht feststellte, daß der Kampf, der in Wien auszufechten<lb/> steht, wenn sich auch in seinem Beginn nationelle Sympathien und Antipathien gel¬<lb/> tend machten, jetzt ein Kampf des Volkes mit der Militärgewalt sei, und daß daher<lb/> die Entfernung der czechischen Deputirten aus Wien und ihre Trennung der Wiener<lb/> Sache von den böhmischen Interessen sich nicht rechtfertige!? lasse: so erschien in<lb/> den öffentlichen Blättern eine Jeremiade, mit der Aufschrift: „Darstellung der<lb/> Wiener Ereignisse nach Mittheilungen der böhmischen Neichstagsdeputirten," welche<lb/> den durch faktische Details geführten Beweis enthalten soll, daß es ihnen unmög¬<lb/> lich gewesen sei, in dem terroristischen Wien länger zu verweilen. Sie erzählen<lb/> darin, daß sie häusig auf der Straße von Arbeitern angefallen worden wären,<lb/> daß bei der Reichstagssitzung vom 6. Oktober sogar Bewaffnete in der Journa¬<lb/> listenloge erschienen seien, daß bald nach der Flucht Strobachs ein Schuß in das<lb/> Präsidcntcnbnreau gefallen sei u. tgi. in. Diese Darstellung von der äußerst le¬<lb/> bensgefährlichen Lage der czechischen Deputirten fand aber kräftigen Widerspruch,<lb/> selbst bei solchen Wiener Korrespondenten, welche nicht eben die nationellen Sym¬<lb/> pathien Wiens theilen; und es stellt sich so ziemlich klar heraus, daß die geflüch-<lb/> teten Reichstagsabgeordneten dieselbe einseitige Auffassung der Wiener Bewegung<lb/> in dem czechischen Publikum zu verbreiten sich bemühen, wie sie in Bezug auf<lb/> die Pfingstereignisse uuter den Deutschen gang und gäbe war. Gleich wie sich<lb/> damals die Kunde verbreitete, daß die Namen der in Prag lebenden Deutschen<lb/> auf Proscriptionslisten verzeichnet gewesen, daß man es auf physische Vernichtung<lb/> der deutschen Bevölkerung abgesehen habe; eben so geht jetzt die Sage, die Wie¬<lb/> ner Bewegung hätte nicht allein auf politische Vernichtung der Slaven, sondern<lb/> sogar auf Czechenmord abgezielt. —</p><lb/> <p xml:id="ID_508" next="#ID_509"> Da Böhmen in sich selbst den Gegensatz des enthusiastischen Deutschthums<lb/> bewahrt, so ist es begreiflich, daß die herrschende Auffassung der Wiener Ereig¬<lb/> nisse in Prag die Spaltung zwischen den beiden Nationalitäten abermals entschie¬<lb/> den heraustreten läßt. Schon lange lag das fragliche Verhältniß Oestreichs zu<lb/> Deutschland so ziemlich außer dein politischen Horizonte von Prag; aber am l».<lb/> Oktober wieder in einer Versammlung der stop-msliii, im-i von Neuem in Anre¬<lb/> gung gebracht. Da die deutsche Centralgewalt Neichskommissäre nach Wien abzu¬<lb/> schicken beschloß, und sich auch das Gerücht verbreitete, daß Reichstruppen in öst¬<lb/> reichisches Gebiet einrücken sollten, so wurde beschlossen, sich bei dem Stadtrathe<lb/> zu verwenden, damit er bei der Regierung um eine definitive Entscheidung über<lb/> das Verhältniß Böhmens und Oestreichs zu Deutschland ansuche. Ein anderes<lb/> Gerücht von dem in den deutschen Gegenden Böhmens aufgebotenen Landsturm<lb/> zu Gunsten Wiens, so wie der Entschluß der Reichenberger Garden, Wien in sei¬<lb/> nem Freiheitskämpfe unterstützen zu wollen, veranlaßte wieder eine Deputation an<lb/> das Landes-Präsidium, welches zur Antwort ertheilte, daß bereits an die Kreis</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
ordneten erhielten wir bald darauf eine kleine Probe. Da sich nun wirklich bei einem
Theile des Publikums die Ansicht feststellte, daß der Kampf, der in Wien auszufechten
steht, wenn sich auch in seinem Beginn nationelle Sympathien und Antipathien gel¬
tend machten, jetzt ein Kampf des Volkes mit der Militärgewalt sei, und daß daher
die Entfernung der czechischen Deputirten aus Wien und ihre Trennung der Wiener
Sache von den böhmischen Interessen sich nicht rechtfertige!? lasse: so erschien in
den öffentlichen Blättern eine Jeremiade, mit der Aufschrift: „Darstellung der
Wiener Ereignisse nach Mittheilungen der böhmischen Neichstagsdeputirten," welche
den durch faktische Details geführten Beweis enthalten soll, daß es ihnen unmög¬
lich gewesen sei, in dem terroristischen Wien länger zu verweilen. Sie erzählen
darin, daß sie häusig auf der Straße von Arbeitern angefallen worden wären,
daß bei der Reichstagssitzung vom 6. Oktober sogar Bewaffnete in der Journa¬
listenloge erschienen seien, daß bald nach der Flucht Strobachs ein Schuß in das
Präsidcntcnbnreau gefallen sei u. tgi. in. Diese Darstellung von der äußerst le¬
bensgefährlichen Lage der czechischen Deputirten fand aber kräftigen Widerspruch,
selbst bei solchen Wiener Korrespondenten, welche nicht eben die nationellen Sym¬
pathien Wiens theilen; und es stellt sich so ziemlich klar heraus, daß die geflüch-
teten Reichstagsabgeordneten dieselbe einseitige Auffassung der Wiener Bewegung
in dem czechischen Publikum zu verbreiten sich bemühen, wie sie in Bezug auf
die Pfingstereignisse uuter den Deutschen gang und gäbe war. Gleich wie sich
damals die Kunde verbreitete, daß die Namen der in Prag lebenden Deutschen
auf Proscriptionslisten verzeichnet gewesen, daß man es auf physische Vernichtung
der deutschen Bevölkerung abgesehen habe; eben so geht jetzt die Sage, die Wie¬
ner Bewegung hätte nicht allein auf politische Vernichtung der Slaven, sondern
sogar auf Czechenmord abgezielt. —
Da Böhmen in sich selbst den Gegensatz des enthusiastischen Deutschthums
bewahrt, so ist es begreiflich, daß die herrschende Auffassung der Wiener Ereig¬
nisse in Prag die Spaltung zwischen den beiden Nationalitäten abermals entschie¬
den heraustreten läßt. Schon lange lag das fragliche Verhältniß Oestreichs zu
Deutschland so ziemlich außer dein politischen Horizonte von Prag; aber am l».
Oktober wieder in einer Versammlung der stop-msliii, im-i von Neuem in Anre¬
gung gebracht. Da die deutsche Centralgewalt Neichskommissäre nach Wien abzu¬
schicken beschloß, und sich auch das Gerücht verbreitete, daß Reichstruppen in öst¬
reichisches Gebiet einrücken sollten, so wurde beschlossen, sich bei dem Stadtrathe
zu verwenden, damit er bei der Regierung um eine definitive Entscheidung über
das Verhältniß Böhmens und Oestreichs zu Deutschland ansuche. Ein anderes
Gerücht von dem in den deutschen Gegenden Böhmens aufgebotenen Landsturm
zu Gunsten Wiens, so wie der Entschluß der Reichenberger Garden, Wien in sei¬
nem Freiheitskämpfe unterstützen zu wollen, veranlaßte wieder eine Deputation an
das Landes-Präsidium, welches zur Antwort ertheilte, daß bereits an die Kreis
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