Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kapacität, eine rechte Stütze der Freiheit. Ja, wenn die Ehrfurcht gestattete,
den hohen Reichstag mit einem Hundestall zu vergleichen, er wäre die Dogge.
Je länger er bellt, um so heftiger seine Stimme; er haßt die Minister, die Ka¬
marilla, die Aristokraten, die Spitzel, aber er liebt wenigstens sich selbst und be¬
geistert sich, wenn auch nicht durch die Vernunft, doch durch seiue eigenen Worte.
Er wird niederreißen, so lange es etwas zu zerstören gibt, wenn es zum Auf¬
bauen kommt, dann werdet ihr ihn nicht finden. Und der Dritte. Vor dir ziehe
ich den Hut, von dir wenigstens hoffe ich, dn hast eine Zukunft. Du bist die
beste Blüthe unsrer Revolution, und das Volk hat Unrecht dir zu grollen, weil
dich jetzt ein Minister an seinen Hut gesteckt hat. Du hast die Kraft, im Sturm
besonnen zu bleiben und kennst die Abgründe der tosenden See. Aber sei klug
und ehrlich. Hüte dich, mein Mann. Noch ist deine Zeit nicht gekommen. Unsere
Völker haben noch aristokratische Instinkte und werden sie u'och lange behalten,
selbst wenn sie in einer Nevolutionslaune den Adel abschaffen sollten. Es ist ein
bedenklicher Vorzug aristokratischer Minister, daß sie mit urbaner Leichtigkeit zu
versöhnen, über Schwierigkeiten hinwegzuschlüpfen wissen. Noch ist das Volk an
solche Weise seiner vornehmen Beamten mehr gewöhnt als ihm gut ist. Die
Krisis der Gegenwart fordert einen ganzen, entschiedenen und rücksichtslosen Refor¬
mator, aber die Gegensätze sind bei uns furchtbar straff gespannt und der erste
Ministerpräsident, welcher ein bürgerlich tüchtiger Mann ist, wird ein Opfer seiner
schonungsloser Energie werden. Denke an Kaiser Joseph, ihn schützte der Purpur
vor dem Aeußersten, einen Joseph aus dem Volke wird er nicht schützen. Und
denke daran, daß ein aufgewühltes Volk den Consul am meisten haßt, den es als
Tribunen am meisten geliebt hat. Sei klug und ehrlich, es wird eine Zeit kom¬
men, wo das Volk einen wunderbaren Arzt braucht, der aus dem Tode ein neues
Leben schaffen kann; bleibe möglich.

Wendet euch ab, der jetzt kommt, ist ein Lump. Sein Auge vou Gesicht zu
Gesicht irrend, bald trotzig, bald scheu, das schnelle Lächeln auf dem unbedeuten¬
den Undine, das ist einer der Demagogen Wiens, ein "Demokrat" vom reinsten
Wasser. El, du kleiner Schuft, du und deinesgleichen haben ein gutes Wort in
Unehren gebracht, der Name Demokrat wird bald gleichbedeutend sein mit Meuterer
oder Hanswurst und das ist deine Schuld, denn du hast besseren Leuten diesen
Namen gestohlen. Sonst habt ihr, du und deine Sippschaft mit alten Kleidem
geschachert, jetzt macht ihr in Politik, der Name der Firma ist geändert, die
Methode ist geblieben. Allerdings ist nicht grade nöthig, daß ein Vvlkssührer
beschnitten sei, es reicht aus, wenn er flüchtig abgebrüht ist. Und das bist du,
das sind deine Freunde. Wären eure Liebe, euer Haß ehrlich, man könnte euch
^dauern, man würde euch nicht verachten. Ihr aber seid eitel hohl und eitel
drrch und durch, die Geltung, die euch die Welt bisher versagt hat, ihr sucht
sie auf der Tribune des Clubs, auf den Tischen der Volksgarten. Als Pferde-


1*

Kapacität, eine rechte Stütze der Freiheit. Ja, wenn die Ehrfurcht gestattete,
den hohen Reichstag mit einem Hundestall zu vergleichen, er wäre die Dogge.
Je länger er bellt, um so heftiger seine Stimme; er haßt die Minister, die Ka¬
marilla, die Aristokraten, die Spitzel, aber er liebt wenigstens sich selbst und be¬
geistert sich, wenn auch nicht durch die Vernunft, doch durch seiue eigenen Worte.
Er wird niederreißen, so lange es etwas zu zerstören gibt, wenn es zum Auf¬
bauen kommt, dann werdet ihr ihn nicht finden. Und der Dritte. Vor dir ziehe
ich den Hut, von dir wenigstens hoffe ich, dn hast eine Zukunft. Du bist die
beste Blüthe unsrer Revolution, und das Volk hat Unrecht dir zu grollen, weil
dich jetzt ein Minister an seinen Hut gesteckt hat. Du hast die Kraft, im Sturm
besonnen zu bleiben und kennst die Abgründe der tosenden See. Aber sei klug
und ehrlich. Hüte dich, mein Mann. Noch ist deine Zeit nicht gekommen. Unsere
Völker haben noch aristokratische Instinkte und werden sie u'och lange behalten,
selbst wenn sie in einer Nevolutionslaune den Adel abschaffen sollten. Es ist ein
bedenklicher Vorzug aristokratischer Minister, daß sie mit urbaner Leichtigkeit zu
versöhnen, über Schwierigkeiten hinwegzuschlüpfen wissen. Noch ist das Volk an
solche Weise seiner vornehmen Beamten mehr gewöhnt als ihm gut ist. Die
Krisis der Gegenwart fordert einen ganzen, entschiedenen und rücksichtslosen Refor¬
mator, aber die Gegensätze sind bei uns furchtbar straff gespannt und der erste
Ministerpräsident, welcher ein bürgerlich tüchtiger Mann ist, wird ein Opfer seiner
schonungsloser Energie werden. Denke an Kaiser Joseph, ihn schützte der Purpur
vor dem Aeußersten, einen Joseph aus dem Volke wird er nicht schützen. Und
denke daran, daß ein aufgewühltes Volk den Consul am meisten haßt, den es als
Tribunen am meisten geliebt hat. Sei klug und ehrlich, es wird eine Zeit kom¬
men, wo das Volk einen wunderbaren Arzt braucht, der aus dem Tode ein neues
Leben schaffen kann; bleibe möglich.

Wendet euch ab, der jetzt kommt, ist ein Lump. Sein Auge vou Gesicht zu
Gesicht irrend, bald trotzig, bald scheu, das schnelle Lächeln auf dem unbedeuten¬
den Undine, das ist einer der Demagogen Wiens, ein „Demokrat" vom reinsten
Wasser. El, du kleiner Schuft, du und deinesgleichen haben ein gutes Wort in
Unehren gebracht, der Name Demokrat wird bald gleichbedeutend sein mit Meuterer
oder Hanswurst und das ist deine Schuld, denn du hast besseren Leuten diesen
Namen gestohlen. Sonst habt ihr, du und deine Sippschaft mit alten Kleidem
geschachert, jetzt macht ihr in Politik, der Name der Firma ist geändert, die
Methode ist geblieben. Allerdings ist nicht grade nöthig, daß ein Vvlkssührer
beschnitten sei, es reicht aus, wenn er flüchtig abgebrüht ist. Und das bist du,
das sind deine Freunde. Wären eure Liebe, euer Haß ehrlich, man könnte euch
^dauern, man würde euch nicht verachten. Ihr aber seid eitel hohl und eitel
drrch und durch, die Geltung, die euch die Welt bisher versagt hat, ihr sucht
sie auf der Tribune des Clubs, auf den Tischen der Volksgarten. Als Pferde-


1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276767"/>
          <p xml:id="ID_7" prev="#ID_6"> Kapacität, eine rechte Stütze der Freiheit. Ja, wenn die Ehrfurcht gestattete,<lb/>
den hohen Reichstag mit einem Hundestall zu vergleichen, er wäre die Dogge.<lb/>
Je länger er bellt, um so heftiger seine Stimme; er haßt die Minister, die Ka¬<lb/>
marilla, die Aristokraten, die Spitzel, aber er liebt wenigstens sich selbst und be¬<lb/>
geistert sich, wenn auch nicht durch die Vernunft, doch durch seiue eigenen Worte.<lb/>
Er wird niederreißen, so lange es etwas zu zerstören gibt, wenn es zum Auf¬<lb/>
bauen kommt, dann werdet ihr ihn nicht finden. Und der Dritte. Vor dir ziehe<lb/>
ich den Hut, von dir wenigstens hoffe ich, dn hast eine Zukunft. Du bist die<lb/>
beste Blüthe unsrer Revolution, und das Volk hat Unrecht dir zu grollen, weil<lb/>
dich jetzt ein Minister an seinen Hut gesteckt hat. Du hast die Kraft, im Sturm<lb/>
besonnen zu bleiben und kennst die Abgründe der tosenden See. Aber sei klug<lb/>
und ehrlich. Hüte dich, mein Mann. Noch ist deine Zeit nicht gekommen. Unsere<lb/>
Völker haben noch aristokratische Instinkte und werden sie u'och lange behalten,<lb/>
selbst wenn sie in einer Nevolutionslaune den Adel abschaffen sollten. Es ist ein<lb/>
bedenklicher Vorzug aristokratischer Minister, daß sie mit urbaner Leichtigkeit zu<lb/>
versöhnen, über Schwierigkeiten hinwegzuschlüpfen wissen. Noch ist das Volk an<lb/>
solche Weise seiner vornehmen Beamten mehr gewöhnt als ihm gut ist. Die<lb/>
Krisis der Gegenwart fordert einen ganzen, entschiedenen und rücksichtslosen Refor¬<lb/>
mator, aber die Gegensätze sind bei uns furchtbar straff gespannt und der erste<lb/>
Ministerpräsident, welcher ein bürgerlich tüchtiger Mann ist, wird ein Opfer seiner<lb/>
schonungsloser Energie werden. Denke an Kaiser Joseph, ihn schützte der Purpur<lb/>
vor dem Aeußersten, einen Joseph aus dem Volke wird er nicht schützen. Und<lb/>
denke daran, daß ein aufgewühltes Volk den Consul am meisten haßt, den es als<lb/>
Tribunen am meisten geliebt hat. Sei klug und ehrlich, es wird eine Zeit kom¬<lb/>
men, wo das Volk einen wunderbaren Arzt braucht, der aus dem Tode ein neues<lb/>
Leben schaffen kann; bleibe möglich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_8" next="#ID_9"> Wendet euch ab, der jetzt kommt, ist ein Lump. Sein Auge vou Gesicht zu<lb/>
Gesicht irrend, bald trotzig, bald scheu, das schnelle Lächeln auf dem unbedeuten¬<lb/>
den Undine, das ist einer der Demagogen Wiens, ein &#x201E;Demokrat" vom reinsten<lb/>
Wasser. El, du kleiner Schuft, du und deinesgleichen haben ein gutes Wort in<lb/>
Unehren gebracht, der Name Demokrat wird bald gleichbedeutend sein mit Meuterer<lb/>
oder Hanswurst und das ist deine Schuld, denn du hast besseren Leuten diesen<lb/>
Namen gestohlen. Sonst habt ihr, du und deine Sippschaft mit alten Kleidem<lb/>
geschachert, jetzt macht ihr in Politik, der Name der Firma ist geändert, die<lb/>
Methode ist geblieben. Allerdings ist nicht grade nöthig, daß ein Vvlkssührer<lb/>
beschnitten sei, es reicht aus, wenn er flüchtig abgebrüht ist. Und das bist du,<lb/>
das sind deine Freunde. Wären eure Liebe, euer Haß ehrlich, man könnte euch<lb/>
^dauern, man würde euch nicht verachten. Ihr aber seid eitel hohl und eitel<lb/>
drrch und durch, die Geltung, die euch die Welt bisher versagt hat, ihr sucht<lb/>
sie auf der Tribune des Clubs, auf den Tischen der Volksgarten. Als Pferde-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 1*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] Kapacität, eine rechte Stütze der Freiheit. Ja, wenn die Ehrfurcht gestattete, den hohen Reichstag mit einem Hundestall zu vergleichen, er wäre die Dogge. Je länger er bellt, um so heftiger seine Stimme; er haßt die Minister, die Ka¬ marilla, die Aristokraten, die Spitzel, aber er liebt wenigstens sich selbst und be¬ geistert sich, wenn auch nicht durch die Vernunft, doch durch seiue eigenen Worte. Er wird niederreißen, so lange es etwas zu zerstören gibt, wenn es zum Auf¬ bauen kommt, dann werdet ihr ihn nicht finden. Und der Dritte. Vor dir ziehe ich den Hut, von dir wenigstens hoffe ich, dn hast eine Zukunft. Du bist die beste Blüthe unsrer Revolution, und das Volk hat Unrecht dir zu grollen, weil dich jetzt ein Minister an seinen Hut gesteckt hat. Du hast die Kraft, im Sturm besonnen zu bleiben und kennst die Abgründe der tosenden See. Aber sei klug und ehrlich. Hüte dich, mein Mann. Noch ist deine Zeit nicht gekommen. Unsere Völker haben noch aristokratische Instinkte und werden sie u'och lange behalten, selbst wenn sie in einer Nevolutionslaune den Adel abschaffen sollten. Es ist ein bedenklicher Vorzug aristokratischer Minister, daß sie mit urbaner Leichtigkeit zu versöhnen, über Schwierigkeiten hinwegzuschlüpfen wissen. Noch ist das Volk an solche Weise seiner vornehmen Beamten mehr gewöhnt als ihm gut ist. Die Krisis der Gegenwart fordert einen ganzen, entschiedenen und rücksichtslosen Refor¬ mator, aber die Gegensätze sind bei uns furchtbar straff gespannt und der erste Ministerpräsident, welcher ein bürgerlich tüchtiger Mann ist, wird ein Opfer seiner schonungsloser Energie werden. Denke an Kaiser Joseph, ihn schützte der Purpur vor dem Aeußersten, einen Joseph aus dem Volke wird er nicht schützen. Und denke daran, daß ein aufgewühltes Volk den Consul am meisten haßt, den es als Tribunen am meisten geliebt hat. Sei klug und ehrlich, es wird eine Zeit kom¬ men, wo das Volk einen wunderbaren Arzt braucht, der aus dem Tode ein neues Leben schaffen kann; bleibe möglich. Wendet euch ab, der jetzt kommt, ist ein Lump. Sein Auge vou Gesicht zu Gesicht irrend, bald trotzig, bald scheu, das schnelle Lächeln auf dem unbedeuten¬ den Undine, das ist einer der Demagogen Wiens, ein „Demokrat" vom reinsten Wasser. El, du kleiner Schuft, du und deinesgleichen haben ein gutes Wort in Unehren gebracht, der Name Demokrat wird bald gleichbedeutend sein mit Meuterer oder Hanswurst und das ist deine Schuld, denn du hast besseren Leuten diesen Namen gestohlen. Sonst habt ihr, du und deine Sippschaft mit alten Kleidem geschachert, jetzt macht ihr in Politik, der Name der Firma ist geändert, die Methode ist geblieben. Allerdings ist nicht grade nöthig, daß ein Vvlkssührer beschnitten sei, es reicht aus, wenn er flüchtig abgebrüht ist. Und das bist du, das sind deine Freunde. Wären eure Liebe, euer Haß ehrlich, man könnte euch ^dauern, man würde euch nicht verachten. Ihr aber seid eitel hohl und eitel drrch und durch, die Geltung, die euch die Welt bisher versagt hat, ihr sucht sie auf der Tribune des Clubs, auf den Tischen der Volksgarten. Als Pferde- 1*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/11
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/11>, abgerufen am 22.07.2024.