Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.Nach dieser Einleitung muß ich also mich mit der Antwort, die Herr Eine andere Frage ist die: wie soll die Loslösung Posens bewerkstelligt wer¬ 1) Diejenigen Theile der Provinz Posen, die deutsch gesinnt und geographisch Demnach ergibt sich das Verfahren, das, unsere Negierung zu beobachten hat, Die Deutschen, welche zerstreut in Posen leben, haben ebenso wenig ein Recht, Mit dem neuen Staat wird ein Schutzbündniß abgeschlossen, so lange er seine Aber was geschehen muß, geschehe augenblicklich! Denkt ein Radetzki, Rußland wird eine böse Miene machen, wenn es so kommt, aber es wird Nach dieser Einleitung muß ich also mich mit der Antwort, die Herr Eine andere Frage ist die: wie soll die Loslösung Posens bewerkstelligt wer¬ 1) Diejenigen Theile der Provinz Posen, die deutsch gesinnt und geographisch Demnach ergibt sich das Verfahren, das, unsere Negierung zu beobachten hat, Die Deutschen, welche zerstreut in Posen leben, haben ebenso wenig ein Recht, Mit dem neuen Staat wird ein Schutzbündniß abgeschlossen, so lange er seine Aber was geschehen muß, geschehe augenblicklich! Denkt ein Radetzki, Rußland wird eine böse Miene machen, wenn es so kommt, aber es wird <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276266"/> <p xml:id="ID_191"> Nach dieser Einleitung muß ich also mich mit der Antwort, die Herr<lb/> Camphausen dem polnischen Deputirten v. Kraszewsky ertheilt hat, vollkommen<lb/> einverstanden erklären.</p><lb/> <p xml:id="ID_192"> Eine andere Frage ist die: wie soll die Loslösung Posens bewerkstelligt wer¬<lb/> den, so daß unsere Interessen so wenig als möglich dabei verletzt werden? Wir<lb/> stellen dabei drei leitende Gesichtspunkte auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_193"> 1) Diejenigen Theile der Provinz Posen, die deutsch gesinnt und geographisch<lb/> mit der alten Provinz verbunden sind, müssen deutsch bleiben. 2) Die neue Re¬<lb/> gierung Posens muß stark genug sein, um mit ihr unterhandeln, mit ihr Verträge<lb/> schließen zu können ; diese Verträge sind nothwendig, theils um den Zollverband auf¬<lb/> recht zu halten, theils um eine Entschädigung für die bisherigen deutschen Beamten<lb/> in Posen, und die Uebernahme eines Theils der Staatsschuld zu veranlassen.<lb/> 3) Die Provinz muß in Frieden und Freundschaft von uns scheiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_194"> Demnach ergibt sich das Verfahren, das, unsere Negierung zu beobachten hat,<lb/> von selbst. Die deutsche» Grenzstriche müssen augenblicklich — denn es ist Ge¬<lb/> fahr im Verzüge — zu den Provinzen Preußen und Schlesien geschlagen wer¬<lb/> den. Die Regierung zu Posen, so wie das Militär muß von den preußischen<lb/> Beamten, aber unter Mitwirkung des polnischen Comites, polnisch reorganisirt<lb/> werden, so daß an einem bestimmten Tag das gesammte preußische Militär und<lb/> Beamtenpersonal friedlich die Provinz verlassen kann. Vorher müssen aber die<lb/> finanziellen Verhältnisse durch einen bestimmten Vertrag geordnet werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_195"> Die Deutschen, welche zerstreut in Posen leben, haben ebenso wenig ein Recht,<lb/> die Provinz bei Deutschland halten zu wollen, als die Deutschen in Nordamerika<lb/> oder in Rußland. Um Gotteswillen keine nationalen Eroberungsgelüste; wir<lb/> wollen in dieser Verkehrtheit, eben so wenig wie in vielen andern, unsern guten<lb/> Nachbarn, den Franzosen, nicht nachahmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_196"> Mit dem neuen Staat wird ein Schutzbündniß abgeschlossen, so lange er seine<lb/> Neutralität gegen andere Staaten behauptet. Sobald er sich in einen Krieg mit<lb/> Rußland einläßr, wird der preußische Staat sein Interesse befragen, auf welche<lb/> Weise er in demselben sich zu verhalten hat, ob er vermitteln, ob er Theil neh¬<lb/> men soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_197"> Aber was geschehen muß, geschehe augenblicklich! Denkt ein Radetzki,<lb/> ihr preußischen Minister! Es hängt von euch ab, ob wir als Brüder und Freunde<lb/> uns von Polen trennen, oder ob wir mit Schimpf und Schande daraus vertrie¬<lb/> ben werden sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_198"> Rußland wird eine böse Miene machen, wenn es so kommt, aber es wird<lb/> uns keinen Krieg erklären, wenn wir nicht im jugendlichen Uebermuth den Hand¬<lb/> schuh hinwerfen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
Nach dieser Einleitung muß ich also mich mit der Antwort, die Herr
Camphausen dem polnischen Deputirten v. Kraszewsky ertheilt hat, vollkommen
einverstanden erklären.
Eine andere Frage ist die: wie soll die Loslösung Posens bewerkstelligt wer¬
den, so daß unsere Interessen so wenig als möglich dabei verletzt werden? Wir
stellen dabei drei leitende Gesichtspunkte auf.
1) Diejenigen Theile der Provinz Posen, die deutsch gesinnt und geographisch
mit der alten Provinz verbunden sind, müssen deutsch bleiben. 2) Die neue Re¬
gierung Posens muß stark genug sein, um mit ihr unterhandeln, mit ihr Verträge
schließen zu können ; diese Verträge sind nothwendig, theils um den Zollverband auf¬
recht zu halten, theils um eine Entschädigung für die bisherigen deutschen Beamten
in Posen, und die Uebernahme eines Theils der Staatsschuld zu veranlassen.
3) Die Provinz muß in Frieden und Freundschaft von uns scheiden.
Demnach ergibt sich das Verfahren, das, unsere Negierung zu beobachten hat,
von selbst. Die deutsche» Grenzstriche müssen augenblicklich — denn es ist Ge¬
fahr im Verzüge — zu den Provinzen Preußen und Schlesien geschlagen wer¬
den. Die Regierung zu Posen, so wie das Militär muß von den preußischen
Beamten, aber unter Mitwirkung des polnischen Comites, polnisch reorganisirt
werden, so daß an einem bestimmten Tag das gesammte preußische Militär und
Beamtenpersonal friedlich die Provinz verlassen kann. Vorher müssen aber die
finanziellen Verhältnisse durch einen bestimmten Vertrag geordnet werden.
Die Deutschen, welche zerstreut in Posen leben, haben ebenso wenig ein Recht,
die Provinz bei Deutschland halten zu wollen, als die Deutschen in Nordamerika
oder in Rußland. Um Gotteswillen keine nationalen Eroberungsgelüste; wir
wollen in dieser Verkehrtheit, eben so wenig wie in vielen andern, unsern guten
Nachbarn, den Franzosen, nicht nachahmen.
Mit dem neuen Staat wird ein Schutzbündniß abgeschlossen, so lange er seine
Neutralität gegen andere Staaten behauptet. Sobald er sich in einen Krieg mit
Rußland einläßr, wird der preußische Staat sein Interesse befragen, auf welche
Weise er in demselben sich zu verhalten hat, ob er vermitteln, ob er Theil neh¬
men soll.
Aber was geschehen muß, geschehe augenblicklich! Denkt ein Radetzki,
ihr preußischen Minister! Es hängt von euch ab, ob wir als Brüder und Freunde
uns von Polen trennen, oder ob wir mit Schimpf und Schande daraus vertrie¬
ben werden sollen.
Rußland wird eine böse Miene machen, wenn es so kommt, aber es wird
uns keinen Krieg erklären, wenn wir nicht im jugendlichen Uebermuth den Hand¬
schuh hinwerfen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |