Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Revolution und der Bundestag.



Das improvisirte Parlament der deutschen Nation hat seine Aufgabe im We¬
sentlichen beendigt. Der Ausgang seiner Berathungen ist eben so unklar gewesen,
als die Art seiner Zusammensetzung, und doch hat die revolutionäre Gewalt, die
in der Zeit liegt, dieser Versammlung, die staatsrechtlich ungültig war und deren
Kraft mau nur nach dem unmittelbaren Gewicht ihrer Thaten hätte abmessen
sollen, einen Impuls verliehen, daß sie dem alten Bundestag, der freilich schon
in den letzten Zügen lag, den Nest gegeben hat.

staatsrechtlich betrachtet, vertrat die Versammlung Niemand anders als sich
selbst. Ein guter Freund hatte den andern aufgefordert, nach Frankfurt zu kom¬
men und sich über die kritische Lage Deutschlands zu berathen. Es war eine
Versammlung sachverständiger, zum Theil populärer Männer, die nur ein morali¬
sches Gewicht in die Waagschale der politischen Entscheidung legen konnten.

Wenn daher die republikanische Partei, unter Hecker's und Struve's Lei¬
tung, die Versammlung aufzureizen suchte, sich für permanent zu erklären und
geradezu als deutsches Parlament der Nation Gesetze zu geben, so wäre ein sol¬
cher Schritt ein freches Attentat gegen die Souveränität der Nation gewesen, und
diese hätte es mit ebeu so großer Entschiedenheit zurückgewiesen, als die Fürsten
selbst. Es ist daher ein Glück für Deutschlands politische Entwickelung, daß die
Versammlung mit entschiedener Majorität diese Usurpation zurückgewiesen, daß sie
die sogenannte republikanische Partei wenigstens so ziemlich ans dem Ausschuß
verdrängt hat, der bis zur wirklichen Zusammenkunft des deutscheu Parlaments
in Frankfurt residiren soll.

Die Versammlung erhielt dadurch ein größeres Gewicht, daß die neuen Bun-
destagsgesandter, welche die wiedergebornen deutschen Staaten zur Reorganisation
des Bundestages abgesendet hatten, sich in sie aufnehmen ließen. Es war da¬
durch gleichsam officiell zugestanden, daß man von den Ansichten dieser sachver¬
ständigen Männer am Bundestag Notiz nehmen werde. Wenn nun das moralische
Gewicht der Versammlung die alten Knechte des Absolutismus, die Männer der


Die Revolution und der Bundestag.



Das improvisirte Parlament der deutschen Nation hat seine Aufgabe im We¬
sentlichen beendigt. Der Ausgang seiner Berathungen ist eben so unklar gewesen,
als die Art seiner Zusammensetzung, und doch hat die revolutionäre Gewalt, die
in der Zeit liegt, dieser Versammlung, die staatsrechtlich ungültig war und deren
Kraft mau nur nach dem unmittelbaren Gewicht ihrer Thaten hätte abmessen
sollen, einen Impuls verliehen, daß sie dem alten Bundestag, der freilich schon
in den letzten Zügen lag, den Nest gegeben hat.

staatsrechtlich betrachtet, vertrat die Versammlung Niemand anders als sich
selbst. Ein guter Freund hatte den andern aufgefordert, nach Frankfurt zu kom¬
men und sich über die kritische Lage Deutschlands zu berathen. Es war eine
Versammlung sachverständiger, zum Theil populärer Männer, die nur ein morali¬
sches Gewicht in die Waagschale der politischen Entscheidung legen konnten.

Wenn daher die republikanische Partei, unter Hecker's und Struve's Lei¬
tung, die Versammlung aufzureizen suchte, sich für permanent zu erklären und
geradezu als deutsches Parlament der Nation Gesetze zu geben, so wäre ein sol¬
cher Schritt ein freches Attentat gegen die Souveränität der Nation gewesen, und
diese hätte es mit ebeu so großer Entschiedenheit zurückgewiesen, als die Fürsten
selbst. Es ist daher ein Glück für Deutschlands politische Entwickelung, daß die
Versammlung mit entschiedener Majorität diese Usurpation zurückgewiesen, daß sie
die sogenannte republikanische Partei wenigstens so ziemlich ans dem Ausschuß
verdrängt hat, der bis zur wirklichen Zusammenkunft des deutscheu Parlaments
in Frankfurt residiren soll.

Die Versammlung erhielt dadurch ein größeres Gewicht, daß die neuen Bun-
destagsgesandter, welche die wiedergebornen deutschen Staaten zur Reorganisation
des Bundestages abgesendet hatten, sich in sie aufnehmen ließen. Es war da¬
durch gleichsam officiell zugestanden, daß man von den Ansichten dieser sachver¬
ständigen Männer am Bundestag Notiz nehmen werde. Wenn nun das moralische
Gewicht der Versammlung die alten Knechte des Absolutismus, die Männer der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276253"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Revolution und der Bundestag.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_142"> Das improvisirte Parlament der deutschen Nation hat seine Aufgabe im We¬<lb/>
sentlichen beendigt. Der Ausgang seiner Berathungen ist eben so unklar gewesen,<lb/>
als die Art seiner Zusammensetzung, und doch hat die revolutionäre Gewalt, die<lb/>
in der Zeit liegt, dieser Versammlung, die staatsrechtlich ungültig war und deren<lb/>
Kraft mau nur nach dem unmittelbaren Gewicht ihrer Thaten hätte abmessen<lb/>
sollen, einen Impuls verliehen, daß sie dem alten Bundestag, der freilich schon<lb/>
in den letzten Zügen lag, den Nest gegeben hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_143"> staatsrechtlich betrachtet, vertrat die Versammlung Niemand anders als sich<lb/>
selbst. Ein guter Freund hatte den andern aufgefordert, nach Frankfurt zu kom¬<lb/>
men und sich über die kritische Lage Deutschlands zu berathen. Es war eine<lb/>
Versammlung sachverständiger, zum Theil populärer Männer, die nur ein morali¬<lb/>
sches Gewicht in die Waagschale der politischen Entscheidung legen konnten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_144"> Wenn daher die republikanische Partei, unter Hecker's und Struve's Lei¬<lb/>
tung, die Versammlung aufzureizen suchte, sich für permanent zu erklären und<lb/>
geradezu als deutsches Parlament der Nation Gesetze zu geben, so wäre ein sol¬<lb/>
cher Schritt ein freches Attentat gegen die Souveränität der Nation gewesen, und<lb/>
diese hätte es mit ebeu so großer Entschiedenheit zurückgewiesen, als die Fürsten<lb/>
selbst. Es ist daher ein Glück für Deutschlands politische Entwickelung, daß die<lb/>
Versammlung mit entschiedener Majorität diese Usurpation zurückgewiesen, daß sie<lb/>
die sogenannte republikanische Partei wenigstens so ziemlich ans dem Ausschuß<lb/>
verdrängt hat, der bis zur wirklichen Zusammenkunft des deutscheu Parlaments<lb/>
in Frankfurt residiren soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_145" next="#ID_146"> Die Versammlung erhielt dadurch ein größeres Gewicht, daß die neuen Bun-<lb/>
destagsgesandter, welche die wiedergebornen deutschen Staaten zur Reorganisation<lb/>
des Bundestages abgesendet hatten, sich in sie aufnehmen ließen. Es war da¬<lb/>
durch gleichsam officiell zugestanden, daß man von den Ansichten dieser sachver¬<lb/>
ständigen Männer am Bundestag Notiz nehmen werde. Wenn nun das moralische<lb/>
Gewicht der Versammlung die alten Knechte des Absolutismus, die Männer der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] Die Revolution und der Bundestag. Das improvisirte Parlament der deutschen Nation hat seine Aufgabe im We¬ sentlichen beendigt. Der Ausgang seiner Berathungen ist eben so unklar gewesen, als die Art seiner Zusammensetzung, und doch hat die revolutionäre Gewalt, die in der Zeit liegt, dieser Versammlung, die staatsrechtlich ungültig war und deren Kraft mau nur nach dem unmittelbaren Gewicht ihrer Thaten hätte abmessen sollen, einen Impuls verliehen, daß sie dem alten Bundestag, der freilich schon in den letzten Zügen lag, den Nest gegeben hat. staatsrechtlich betrachtet, vertrat die Versammlung Niemand anders als sich selbst. Ein guter Freund hatte den andern aufgefordert, nach Frankfurt zu kom¬ men und sich über die kritische Lage Deutschlands zu berathen. Es war eine Versammlung sachverständiger, zum Theil populärer Männer, die nur ein morali¬ sches Gewicht in die Waagschale der politischen Entscheidung legen konnten. Wenn daher die republikanische Partei, unter Hecker's und Struve's Lei¬ tung, die Versammlung aufzureizen suchte, sich für permanent zu erklären und geradezu als deutsches Parlament der Nation Gesetze zu geben, so wäre ein sol¬ cher Schritt ein freches Attentat gegen die Souveränität der Nation gewesen, und diese hätte es mit ebeu so großer Entschiedenheit zurückgewiesen, als die Fürsten selbst. Es ist daher ein Glück für Deutschlands politische Entwickelung, daß die Versammlung mit entschiedener Majorität diese Usurpation zurückgewiesen, daß sie die sogenannte republikanische Partei wenigstens so ziemlich ans dem Ausschuß verdrängt hat, der bis zur wirklichen Zusammenkunft des deutscheu Parlaments in Frankfurt residiren soll. Die Versammlung erhielt dadurch ein größeres Gewicht, daß die neuen Bun- destagsgesandter, welche die wiedergebornen deutschen Staaten zur Reorganisation des Bundestages abgesendet hatten, sich in sie aufnehmen ließen. Es war da¬ durch gleichsam officiell zugestanden, daß man von den Ansichten dieser sachver¬ ständigen Männer am Bundestag Notiz nehmen werde. Wenn nun das moralische Gewicht der Versammlung die alten Knechte des Absolutismus, die Männer der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/47
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/47>, abgerufen am 26.06.2024.