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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Wasser hingegen, welches durch Schwaben, Baiern und Oestreich heruntersickert,
darf man nur als einen unbedeutenden Nebenfluß betrachte", welcher froh ist, in
den stolzen slavischen Wogen Serbiens und der Karpathen aufzugehen, da er durch
eigene Anstrengung in seinem Leben nicht bis zum schwarzen Meer kommen würde.
Der Name selbst kaun seine Verwandtschaft mit dem russischen Don durchaus
uicht verleugnen.

Sollen wir noch von der Oder und Weichsel sprechen, deren Wiege in den
slavischen Sudeten steht? In den Liedern der Gorallen könnt ihr die Klagetöne
vernehmen, welche die edlen sarmatischen Nixen über ihr bitteres Schicksal aussto-
ßen. Jene muß von zarter Kindheit an unter der Botmäßigkeit des steifen Brande-
burgers dahinschleichen; und die stolze Vistula verbringt ihre Jugend in Gebirg
und Wald, wie die Tochter Jephta's, ihr Jauchzen mit Seufzern untermischend,
denn sie kennt ihre traurige Bestimmung. Kaum verläßt sie die slavischen Lande,
schon ist sie dem freien Meer nahe, so überfällt sie der räuberische Preuße und
opfert sie seiner Herrschsucht. Dies ist bis jetzt das Loos der Töchter Slavas
gewesen und wird es noch serner sein, wenn der böhmische Löwe sich nicht endlich
ermannt und Flügel bekommt wie der venetianische.

Hätte aber Böhmen eine Seeküste ^), hätte Westslavien eine Flotte, wie Ost-
slavien (Rußland) eine besitzt, dann würde die Siebenhügelstadt an der Moldau
wohl im Stande sein, sich von dem tyrannischen Druck zu befreien, den ein Häuf¬
lein deutscher Eindringlinge in ihrer Mitte zu üben sich erfrecht; dann würden die
Apostaten in Reichenberg, Carlsbad und Leitmeritz nicht dein Princip des All-
slaventhums offen den Gehorsam versagen. Böhmen muß folglich eine Flotte
bauen, muß folglich um jeden Preis suchen, an's Meer zu kommen, muß folglich
ganz im Kroaten- und Jllyrierthum aufgehn und ein integraler Theil des südsla-
vischeu Reiches werden, das jetzt schon seine ehernen Füße in den Wellen Adrias
badet.

Handelt es sich denn darum, etwas Neues zu schaffen? Nein, nnr ein klei¬
ner, ganz kleiner Schritt ist nöthig, um eine wcstslavische Flotte herzustellen oder
vielmehr um die Macht und den Ruhm der bereits bestehenden westslavischen Flotte
dem rechtmäßigen Eigenthümer zu wahren. Die Kinder Slavas sollen nicht mehr
mit ihrem Schweiß und Blut Gold und Lorbeeren für fremde Taschen und Köpfe
erkaufen, ihr Heldenmuth soll nicht mehr incognito gehen und auf Rechnung eines
deutschen Wappens kommen.

Welcher Nationalität gehört die östreichische Marine auf dem adriatischen
Meere an? Ist sie nicht slavisch bis auf die schmalste Planke, den kleinsten Nagel



*) Shakespeare schon spricht im "Wintermärchen" von der Küste Böhmens. Er war
werth, ein Slave zu sein und Shakespearovich zu heißen. Ja, das war ein Prophet und ein
ganz anderer Mann als die deutschen Zeitungsscribenten, die nach Frankfurt laufen und dort
Der Pctitionär. beständig von der deutschen Einheit faseln.

Wasser hingegen, welches durch Schwaben, Baiern und Oestreich heruntersickert,
darf man nur als einen unbedeutenden Nebenfluß betrachte», welcher froh ist, in
den stolzen slavischen Wogen Serbiens und der Karpathen aufzugehen, da er durch
eigene Anstrengung in seinem Leben nicht bis zum schwarzen Meer kommen würde.
Der Name selbst kaun seine Verwandtschaft mit dem russischen Don durchaus
uicht verleugnen.

Sollen wir noch von der Oder und Weichsel sprechen, deren Wiege in den
slavischen Sudeten steht? In den Liedern der Gorallen könnt ihr die Klagetöne
vernehmen, welche die edlen sarmatischen Nixen über ihr bitteres Schicksal aussto-
ßen. Jene muß von zarter Kindheit an unter der Botmäßigkeit des steifen Brande-
burgers dahinschleichen; und die stolze Vistula verbringt ihre Jugend in Gebirg
und Wald, wie die Tochter Jephta's, ihr Jauchzen mit Seufzern untermischend,
denn sie kennt ihre traurige Bestimmung. Kaum verläßt sie die slavischen Lande,
schon ist sie dem freien Meer nahe, so überfällt sie der räuberische Preuße und
opfert sie seiner Herrschsucht. Dies ist bis jetzt das Loos der Töchter Slavas
gewesen und wird es noch serner sein, wenn der böhmische Löwe sich nicht endlich
ermannt und Flügel bekommt wie der venetianische.

Hätte aber Böhmen eine Seeküste ^), hätte Westslavien eine Flotte, wie Ost-
slavien (Rußland) eine besitzt, dann würde die Siebenhügelstadt an der Moldau
wohl im Stande sein, sich von dem tyrannischen Druck zu befreien, den ein Häuf¬
lein deutscher Eindringlinge in ihrer Mitte zu üben sich erfrecht; dann würden die
Apostaten in Reichenberg, Carlsbad und Leitmeritz nicht dein Princip des All-
slaventhums offen den Gehorsam versagen. Böhmen muß folglich eine Flotte
bauen, muß folglich um jeden Preis suchen, an's Meer zu kommen, muß folglich
ganz im Kroaten- und Jllyrierthum aufgehn und ein integraler Theil des südsla-
vischeu Reiches werden, das jetzt schon seine ehernen Füße in den Wellen Adrias
badet.

Handelt es sich denn darum, etwas Neues zu schaffen? Nein, nnr ein klei¬
ner, ganz kleiner Schritt ist nöthig, um eine wcstslavische Flotte herzustellen oder
vielmehr um die Macht und den Ruhm der bereits bestehenden westslavischen Flotte
dem rechtmäßigen Eigenthümer zu wahren. Die Kinder Slavas sollen nicht mehr
mit ihrem Schweiß und Blut Gold und Lorbeeren für fremde Taschen und Köpfe
erkaufen, ihr Heldenmuth soll nicht mehr incognito gehen und auf Rechnung eines
deutschen Wappens kommen.

Welcher Nationalität gehört die östreichische Marine auf dem adriatischen
Meere an? Ist sie nicht slavisch bis auf die schmalste Planke, den kleinsten Nagel



*) Shakespeare schon spricht im „Wintermärchen" von der Küste Böhmens. Er war
werth, ein Slave zu sein und Shakespearovich zu heißen. Ja, das war ein Prophet und ein
ganz anderer Mann als die deutschen Zeitungsscribenten, die nach Frankfurt laufen und dort
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[0390] Wasser hingegen, welches durch Schwaben, Baiern und Oestreich heruntersickert, darf man nur als einen unbedeutenden Nebenfluß betrachte», welcher froh ist, in den stolzen slavischen Wogen Serbiens und der Karpathen aufzugehen, da er durch eigene Anstrengung in seinem Leben nicht bis zum schwarzen Meer kommen würde. Der Name selbst kaun seine Verwandtschaft mit dem russischen Don durchaus uicht verleugnen. Sollen wir noch von der Oder und Weichsel sprechen, deren Wiege in den slavischen Sudeten steht? In den Liedern der Gorallen könnt ihr die Klagetöne vernehmen, welche die edlen sarmatischen Nixen über ihr bitteres Schicksal aussto- ßen. Jene muß von zarter Kindheit an unter der Botmäßigkeit des steifen Brande- burgers dahinschleichen; und die stolze Vistula verbringt ihre Jugend in Gebirg und Wald, wie die Tochter Jephta's, ihr Jauchzen mit Seufzern untermischend, denn sie kennt ihre traurige Bestimmung. Kaum verläßt sie die slavischen Lande, schon ist sie dem freien Meer nahe, so überfällt sie der räuberische Preuße und opfert sie seiner Herrschsucht. Dies ist bis jetzt das Loos der Töchter Slavas gewesen und wird es noch serner sein, wenn der böhmische Löwe sich nicht endlich ermannt und Flügel bekommt wie der venetianische. Hätte aber Böhmen eine Seeküste ^), hätte Westslavien eine Flotte, wie Ost- slavien (Rußland) eine besitzt, dann würde die Siebenhügelstadt an der Moldau wohl im Stande sein, sich von dem tyrannischen Druck zu befreien, den ein Häuf¬ lein deutscher Eindringlinge in ihrer Mitte zu üben sich erfrecht; dann würden die Apostaten in Reichenberg, Carlsbad und Leitmeritz nicht dein Princip des All- slaventhums offen den Gehorsam versagen. Böhmen muß folglich eine Flotte bauen, muß folglich um jeden Preis suchen, an's Meer zu kommen, muß folglich ganz im Kroaten- und Jllyrierthum aufgehn und ein integraler Theil des südsla- vischeu Reiches werden, das jetzt schon seine ehernen Füße in den Wellen Adrias badet. Handelt es sich denn darum, etwas Neues zu schaffen? Nein, nnr ein klei¬ ner, ganz kleiner Schritt ist nöthig, um eine wcstslavische Flotte herzustellen oder vielmehr um die Macht und den Ruhm der bereits bestehenden westslavischen Flotte dem rechtmäßigen Eigenthümer zu wahren. Die Kinder Slavas sollen nicht mehr mit ihrem Schweiß und Blut Gold und Lorbeeren für fremde Taschen und Köpfe erkaufen, ihr Heldenmuth soll nicht mehr incognito gehen und auf Rechnung eines deutschen Wappens kommen. Welcher Nationalität gehört die östreichische Marine auf dem adriatischen Meere an? Ist sie nicht slavisch bis auf die schmalste Planke, den kleinsten Nagel *) Shakespeare schon spricht im „Wintermärchen" von der Küste Böhmens. Er war werth, ein Slave zu sein und Shakespearovich zu heißen. Ja, das war ein Prophet und ein ganz anderer Mann als die deutschen Zeitungsscribenten, die nach Frankfurt laufen und dort Der Pctitionär. beständig von der deutschen Einheit faseln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/390>, abgerufen am 26.06.2024.