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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Durch ein höchst einfaches Mittel, von dem man sich nnr wundern muß, daß
man nicht schon darauf gekommen ist.

Vorausgesetzt -- was bei der gegenwärtig herrschenden Stimmung eine billige
Voraussetzung ist -- daß die Verfassungen aller deutschen Staaten auf der breite¬
sten demokratischen Grundlage, auf Urwähler errichtet werden;

Vorausgesetzt, daß man nicht mit verstockten Doctrinarismus diese Volks¬
stände durch conservative Adels- oder Geheimrathskammern paralysirt;

Dieses beides vorausgesetzt, frageich: was für ein vernünftiger Grund ist
vorhanden, die deutschen Reichsstände nicht aus den Ständen der einzelnen Staa¬
ten hervorgehen zu lassen?

Daß man sich gegen den Versuch Preußens erklärte, aus den alten Feudal-
ständcn die Deputirten nach Frankfurt hervorgehen zu lassen, war in der Ord¬
nung; von solchen Ständen ist aber nicht mehr die Rede.

Wenn die Stände der Einzelstaaten mit denen des Reichs auf diese Weise
identisch sein werden, so ist an keinen Conflict mehr zu denken. Wir haben dann
eine gesetzliche Basis, auf der wir weiter fortschreiten können; wir brauchen keinen
Kaiser und kein Oberhaus.

Die von mir vorgeschlagene Verfassung wäre folgende:

>) Jeder deutsche Staat ist ein constitutioneller; die Fürsten müssen ihre ver¬
antwortlichen Minister aus der Majorität der Einen Kammer nehmen, die aus
Urwähler hervorgegangen ist.

2) Jede deutsche Kammer schickt in dem durch eine neue Bundesmatrikel
festzustellenden Verhältniß der einzelnen Bevölkerungen alljährlich an einem be¬
stimmten Tage ihre Deputirten, mit absoluter Vollmacht, nach Frankfurt in's
Reichsparlament.

Z) Dieses Parlament wählt alljährlich ans seiner Mitte einen Präsidenten.

4) Jedes verantwortliche Ministerium schickt alljährlich einen Deputirten nach
Frankfurt an den Bundestag.

5) Dieser Bundestag hat keine andere Aufgabe, als 1) dem Parlament auf
Verlangen officiell Bericht im Namen seiner Regierungen abzustatten, 2) die ihm
von dem Präsidenten mitgetheilten Parlamentsbeschlüsse der resp. Negierung zur
Nachachtung zu überschicken, 3) über alle Bills , etwa vor ihrer zweiten Lesung,
ein consultatives Gutachten abzugeben.

6) Ein Bundcsministerium, Bundesgesandte ze. sind unnöthig. Die Ernen¬
nung der Bundesgesandten wird von dem Parlament bestimmten Regierungen über¬
tragen. Der dänische Gesandte z. B. wird wahrscheinlich Preußen, der türkische
Oestreich überlassen bleiben. Der betreffende Bundestagsgesandte meldet die pro¬
visorische Ernennung dem Parlament und dieses hat die Wahl zu bestätigen oder
zu verwerfen. Diese so bestimmten Gesandten treten dann im Namen des Bun¬
des auf.


Durch ein höchst einfaches Mittel, von dem man sich nnr wundern muß, daß
man nicht schon darauf gekommen ist.

Vorausgesetzt — was bei der gegenwärtig herrschenden Stimmung eine billige
Voraussetzung ist — daß die Verfassungen aller deutschen Staaten auf der breite¬
sten demokratischen Grundlage, auf Urwähler errichtet werden;

Vorausgesetzt, daß man nicht mit verstockten Doctrinarismus diese Volks¬
stände durch conservative Adels- oder Geheimrathskammern paralysirt;

Dieses beides vorausgesetzt, frageich: was für ein vernünftiger Grund ist
vorhanden, die deutschen Reichsstände nicht aus den Ständen der einzelnen Staa¬
ten hervorgehen zu lassen?

Daß man sich gegen den Versuch Preußens erklärte, aus den alten Feudal-
ständcn die Deputirten nach Frankfurt hervorgehen zu lassen, war in der Ord¬
nung; von solchen Ständen ist aber nicht mehr die Rede.

Wenn die Stände der Einzelstaaten mit denen des Reichs auf diese Weise
identisch sein werden, so ist an keinen Conflict mehr zu denken. Wir haben dann
eine gesetzliche Basis, auf der wir weiter fortschreiten können; wir brauchen keinen
Kaiser und kein Oberhaus.

Die von mir vorgeschlagene Verfassung wäre folgende:

>) Jeder deutsche Staat ist ein constitutioneller; die Fürsten müssen ihre ver¬
antwortlichen Minister aus der Majorität der Einen Kammer nehmen, die aus
Urwähler hervorgegangen ist.

2) Jede deutsche Kammer schickt in dem durch eine neue Bundesmatrikel
festzustellenden Verhältniß der einzelnen Bevölkerungen alljährlich an einem be¬
stimmten Tage ihre Deputirten, mit absoluter Vollmacht, nach Frankfurt in's
Reichsparlament.

Z) Dieses Parlament wählt alljährlich ans seiner Mitte einen Präsidenten.

4) Jedes verantwortliche Ministerium schickt alljährlich einen Deputirten nach
Frankfurt an den Bundestag.

5) Dieser Bundestag hat keine andere Aufgabe, als 1) dem Parlament auf
Verlangen officiell Bericht im Namen seiner Regierungen abzustatten, 2) die ihm
von dem Präsidenten mitgetheilten Parlamentsbeschlüsse der resp. Negierung zur
Nachachtung zu überschicken, 3) über alle Bills , etwa vor ihrer zweiten Lesung,
ein consultatives Gutachten abzugeben.

6) Ein Bundcsministerium, Bundesgesandte ze. sind unnöthig. Die Ernen¬
nung der Bundesgesandten wird von dem Parlament bestimmten Regierungen über¬
tragen. Der dänische Gesandte z. B. wird wahrscheinlich Preußen, der türkische
Oestreich überlassen bleiben. Der betreffende Bundestagsgesandte meldet die pro¬
visorische Ernennung dem Parlament und dieses hat die Wahl zu bestätigen oder
zu verwerfen. Diese so bestimmten Gesandten treten dann im Namen des Bun¬
des auf.


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[0246] Durch ein höchst einfaches Mittel, von dem man sich nnr wundern muß, daß man nicht schon darauf gekommen ist. Vorausgesetzt — was bei der gegenwärtig herrschenden Stimmung eine billige Voraussetzung ist — daß die Verfassungen aller deutschen Staaten auf der breite¬ sten demokratischen Grundlage, auf Urwähler errichtet werden; Vorausgesetzt, daß man nicht mit verstockten Doctrinarismus diese Volks¬ stände durch conservative Adels- oder Geheimrathskammern paralysirt; Dieses beides vorausgesetzt, frageich: was für ein vernünftiger Grund ist vorhanden, die deutschen Reichsstände nicht aus den Ständen der einzelnen Staa¬ ten hervorgehen zu lassen? Daß man sich gegen den Versuch Preußens erklärte, aus den alten Feudal- ständcn die Deputirten nach Frankfurt hervorgehen zu lassen, war in der Ord¬ nung; von solchen Ständen ist aber nicht mehr die Rede. Wenn die Stände der Einzelstaaten mit denen des Reichs auf diese Weise identisch sein werden, so ist an keinen Conflict mehr zu denken. Wir haben dann eine gesetzliche Basis, auf der wir weiter fortschreiten können; wir brauchen keinen Kaiser und kein Oberhaus. Die von mir vorgeschlagene Verfassung wäre folgende: >) Jeder deutsche Staat ist ein constitutioneller; die Fürsten müssen ihre ver¬ antwortlichen Minister aus der Majorität der Einen Kammer nehmen, die aus Urwähler hervorgegangen ist. 2) Jede deutsche Kammer schickt in dem durch eine neue Bundesmatrikel festzustellenden Verhältniß der einzelnen Bevölkerungen alljährlich an einem be¬ stimmten Tage ihre Deputirten, mit absoluter Vollmacht, nach Frankfurt in's Reichsparlament. Z) Dieses Parlament wählt alljährlich ans seiner Mitte einen Präsidenten. 4) Jedes verantwortliche Ministerium schickt alljährlich einen Deputirten nach Frankfurt an den Bundestag. 5) Dieser Bundestag hat keine andere Aufgabe, als 1) dem Parlament auf Verlangen officiell Bericht im Namen seiner Regierungen abzustatten, 2) die ihm von dem Präsidenten mitgetheilten Parlamentsbeschlüsse der resp. Negierung zur Nachachtung zu überschicken, 3) über alle Bills , etwa vor ihrer zweiten Lesung, ein consultatives Gutachten abzugeben. 6) Ein Bundcsministerium, Bundesgesandte ze. sind unnöthig. Die Ernen¬ nung der Bundesgesandten wird von dem Parlament bestimmten Regierungen über¬ tragen. Der dänische Gesandte z. B. wird wahrscheinlich Preußen, der türkische Oestreich überlassen bleiben. Der betreffende Bundestagsgesandte meldet die pro¬ visorische Ernennung dem Parlament und dieses hat die Wahl zu bestätigen oder zu verwerfen. Diese so bestimmten Gesandten treten dann im Namen des Bun¬ des auf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/246>, abgerufen am 26.06.2024.