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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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auf wird die Mu"zverwirrn"g analysirt und auf ihre ersten Gründe, zurück¬
geführt. Von den Batzen geht es auf die Galerie des Schlosses Laufen,
wo niau "eingehüllt in die Tropfenschancr der leuchtenden, blitzenden Wasser¬
massen, die schweren, gediegenen, schanmzerpeitschendcn Wogen an sich nie¬
dersinken sieht; wo das Auge sich in das ewige Wallen und Kommen fest¬
bohrt n. s. w." Folgt eine Apologie der Schweizer Verfassung. "Gewöhn¬
lich meint man, daß dieselbe Sprache das gemeinsame Bindemittel sein müsse;
daß von einem Vaterlande in seiner vollen Bedeutung da nicht die Rede
sein könne, wo man in den verschiedenen StaatStheilen sich nicht verstehe;
allein die Schweiz beweist, daß man sich irrt. Nicht die gleiche Sprache
gehört dazu, sondern eine Uebereinstimmung der Interessen zum gleichen
Zweck, nud wenigstens in neuester Zeit, wo das Volk mehr und mehr zu
seinem Rechte und zur Herrschaft gelangte, knüpfte sich das Bündniß mora¬
lisch fester im Bewußtsein der Schweizer, welche trotz aller Händel und
Spaltungen ihr gemeinsames Vaterland innig lieben." -- "In der Schweiz
herrscht das naturwüchsige Element in seiner ganzen Reinheit vor. Es
sind hier zu große Unterschiede zu überwinden, und doch liegen, alle Fäden
der gesellschaftlichen Zustände sich weit näher, als irgendwo in Europa."
"Allein Waadt, und gegenwärtig Bern, haben in Folge ihrer Umwäl¬
zungen das Beispiel gegeben, daß man den alten Weg der historischen Ent¬
wickelungen verlassen, die niittelalterlichen Einrichtungen auflösen, und einen
modernen Staat der Volksftciheit und Gleichheit nach den Ideen der Ver¬
nunft darstellen kann. -- Als 183V in vielen Kantonen der Unwille des
gebildeten und einsichtsvollen Theils der Bürger die Junkerwirthschaft nieder¬
warf, gingen die errungenen Freiheiten weiter, als Viele wollten; denn sie
dehnten sich in den größten und mächtigsten der schweizerische" Freistaaten
über die Städte hinaus, auch auf das Landvolk aus. Diese Ausdehnung
der Freiheit können die Stadtbürger an vielen Orten noch uicht vergessen
und verschmerzen. Der alte Zopf steckt noch gar zu fest an ihren Köpfen,
sie mögen sich wenden wie sie wollen. Mit dem radicalen Umschwung der
Dinge verbinden sich aber alle feurigen Kopfe; eS verbindet sich damit ein
großer Theil der Jugend; viele Männer von Talent, die durch Studien und
Rechtsgefühl oder durch Ehrgeiz und GcsinnnngSmuth dazu getrieben werde",
sich in deu Streit zu mischen; endlich ein bedeutender Theil der Mittel¬
klasse" und das Landvolk selbst, daS, aufgewacht aus dem langen Schlaf,
sehr wohl weiß, um was es sich handelt, und seinen alten Haß gegen die
Städter, gegen die Herren, häufig ebensowenig vergessen hat, wie seine
alle Demuth und Untertänigkeit. Diese Partei des Fortschritts, der Ani-


auf wird die Mu»zverwirrn»g analysirt und auf ihre ersten Gründe, zurück¬
geführt. Von den Batzen geht es auf die Galerie des Schlosses Laufen,
wo niau „eingehüllt in die Tropfenschancr der leuchtenden, blitzenden Wasser¬
massen, die schweren, gediegenen, schanmzerpeitschendcn Wogen an sich nie¬
dersinken sieht; wo das Auge sich in das ewige Wallen und Kommen fest¬
bohrt n. s. w." Folgt eine Apologie der Schweizer Verfassung. „Gewöhn¬
lich meint man, daß dieselbe Sprache das gemeinsame Bindemittel sein müsse;
daß von einem Vaterlande in seiner vollen Bedeutung da nicht die Rede
sein könne, wo man in den verschiedenen StaatStheilen sich nicht verstehe;
allein die Schweiz beweist, daß man sich irrt. Nicht die gleiche Sprache
gehört dazu, sondern eine Uebereinstimmung der Interessen zum gleichen
Zweck, nud wenigstens in neuester Zeit, wo das Volk mehr und mehr zu
seinem Rechte und zur Herrschaft gelangte, knüpfte sich das Bündniß mora¬
lisch fester im Bewußtsein der Schweizer, welche trotz aller Händel und
Spaltungen ihr gemeinsames Vaterland innig lieben." — „In der Schweiz
herrscht das naturwüchsige Element in seiner ganzen Reinheit vor. Es
sind hier zu große Unterschiede zu überwinden, und doch liegen, alle Fäden
der gesellschaftlichen Zustände sich weit näher, als irgendwo in Europa."
„Allein Waadt, und gegenwärtig Bern, haben in Folge ihrer Umwäl¬
zungen das Beispiel gegeben, daß man den alten Weg der historischen Ent¬
wickelungen verlassen, die niittelalterlichen Einrichtungen auflösen, und einen
modernen Staat der Volksftciheit und Gleichheit nach den Ideen der Ver¬
nunft darstellen kann. — Als 183V in vielen Kantonen der Unwille des
gebildeten und einsichtsvollen Theils der Bürger die Junkerwirthschaft nieder¬
warf, gingen die errungenen Freiheiten weiter, als Viele wollten; denn sie
dehnten sich in den größten und mächtigsten der schweizerische» Freistaaten
über die Städte hinaus, auch auf das Landvolk aus. Diese Ausdehnung
der Freiheit können die Stadtbürger an vielen Orten noch uicht vergessen
und verschmerzen. Der alte Zopf steckt noch gar zu fest an ihren Köpfen,
sie mögen sich wenden wie sie wollen. Mit dem radicalen Umschwung der
Dinge verbinden sich aber alle feurigen Kopfe; eS verbindet sich damit ein
großer Theil der Jugend; viele Männer von Talent, die durch Studien und
Rechtsgefühl oder durch Ehrgeiz und GcsinnnngSmuth dazu getrieben werde»,
sich in deu Streit zu mischen; endlich ein bedeutender Theil der Mittel¬
klasse» und das Landvolk selbst, daS, aufgewacht aus dem langen Schlaf,
sehr wohl weiß, um was es sich handelt, und seinen alten Haß gegen die
Städter, gegen die Herren, häufig ebensowenig vergessen hat, wie seine
alle Demuth und Untertänigkeit. Diese Partei des Fortschritts, der Ani-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/99>, abgerufen am 28.07.2024.