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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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vom historischen Boden sprach und sein Boden durchaus unhistorisch war,
das aller Unwahrscheinlichste aber, das man ihm glaubte. Es nivellirte
schärfer als die heutigen Liberalen und Radicalen, freilich für den Absvln-
tism und für die Knechtschaft. Die Religion war oft der Vorwand, oft
aber auch der aufrichtige Anlaß seiner vollendetsten Gewaltstreiche. -- Unge¬
schickte katholische Proselytenmacherei verzögerte, wie oft? die Befreiung der
Griechen. Aehnlicher Druck und gleich unkluge Begünstigung der unirteu
gegen die disuuirten Griechen, Rußlands Schutzbefohlene, erzwangen schon
1734 einen durch zahlreiche Hinrichtungen gedämpften Aufstand der Serben,
dieser trefflichen Helfer gegen Nakotzy. -- 1755 geschah ein blutiger Auf¬
stand in der gesammten Militärgrenze wegen des Eigensinnes, diesen unver¬
gleichlichen und ungemein gefürchteten Truppen ihre Nationaltracht und Be¬
waffnung zu nehmen und sie in den alleinseligmachenden Camaschenmodel
umzugießen. Dadurch hatte sich aber auch ihre Originalität und Virtuosität
im Vorposten- und Streifparteicndienft größtentheils verflüchtigt. -- Es
hatten schon Statilios und Verantius wenig Mühe gehabt, Ferdinand's
vermeintliche Erbansprüche gegen Zabolya's Wahl n. s. w. u. s. w."

Wem bei dieser Confusion der Kopf fest bleibt, der kann sich rühmen,
dem Schwindel nicht sehr ausgesetzt zu sein. -- Einige Scenen der grausa¬
men mittelalterlichen Eriminaljustiz folgen dann; Anecdoten aus dem Pri¬
vatleben Maria Theresia's; Raisonnement über die Theilung Polens; der
tyroler Aufstand im spanischen Erbfolgekrieg (natürlich kommt es bei dieser
Anarchie oft genug vor, daß der Verfasser sich wörtlich wiederholt); ein
Paar Minnelieder; noch einmal die Förster'schen Schriften über Wallenstein;
Anecdoten von Prinz Enge", die Hormaur nus schon in seiner Biographie
Engen's aufgetischt; eine begeisterte Lobrede der Kaiserin, mit neuen Anec¬
doten belegt; dann noch einmal: "Beide Linien von Habsburg hatte" den
Katholicism als Mauerbrecher für ihren Absolutism vorangestellt, zu ge¬
rechter Vergeltung hatte der Fauatism ihnen lauter Wüsteneien gelassen";
noch einmal der spanische Erbfolgekrieg; das bekannte ^. 15. I. 0. II. Fried¬
rich's IV. wird auch mehrmals erörtert und verspottet; Rückblick auf Mar¬
garethe Maultasch; Aufzählung der mittelalterlichen barbarischen Strafen
gegen Verleumder; Crimiual - Anecdoten; Ansicht von der Reformation,
die im Ganzen sehr anerkannt wird; Angriffe gegen die Jesuiten und ihre
Erziehungsmethode; die Bauernkriege, deren gerechte Seiten rühmend
hervorgehoben werden, sehr ausführlich besprochen; Fragmente ans dem
Aberglauben des Mittelalters; Erzählungen von österreichischen Feldherrn


vom historischen Boden sprach und sein Boden durchaus unhistorisch war,
das aller Unwahrscheinlichste aber, das man ihm glaubte. Es nivellirte
schärfer als die heutigen Liberalen und Radicalen, freilich für den Absvln-
tism und für die Knechtschaft. Die Religion war oft der Vorwand, oft
aber auch der aufrichtige Anlaß seiner vollendetsten Gewaltstreiche. — Unge¬
schickte katholische Proselytenmacherei verzögerte, wie oft? die Befreiung der
Griechen. Aehnlicher Druck und gleich unkluge Begünstigung der unirteu
gegen die disuuirten Griechen, Rußlands Schutzbefohlene, erzwangen schon
1734 einen durch zahlreiche Hinrichtungen gedämpften Aufstand der Serben,
dieser trefflichen Helfer gegen Nakotzy. — 1755 geschah ein blutiger Auf¬
stand in der gesammten Militärgrenze wegen des Eigensinnes, diesen unver¬
gleichlichen und ungemein gefürchteten Truppen ihre Nationaltracht und Be¬
waffnung zu nehmen und sie in den alleinseligmachenden Camaschenmodel
umzugießen. Dadurch hatte sich aber auch ihre Originalität und Virtuosität
im Vorposten- und Streifparteicndienft größtentheils verflüchtigt. — Es
hatten schon Statilios und Verantius wenig Mühe gehabt, Ferdinand's
vermeintliche Erbansprüche gegen Zabolya's Wahl n. s. w. u. s. w."

Wem bei dieser Confusion der Kopf fest bleibt, der kann sich rühmen,
dem Schwindel nicht sehr ausgesetzt zu sein. — Einige Scenen der grausa¬
men mittelalterlichen Eriminaljustiz folgen dann; Anecdoten aus dem Pri¬
vatleben Maria Theresia's; Raisonnement über die Theilung Polens; der
tyroler Aufstand im spanischen Erbfolgekrieg (natürlich kommt es bei dieser
Anarchie oft genug vor, daß der Verfasser sich wörtlich wiederholt); ein
Paar Minnelieder; noch einmal die Förster'schen Schriften über Wallenstein;
Anecdoten von Prinz Enge», die Hormaur nus schon in seiner Biographie
Engen's aufgetischt; eine begeisterte Lobrede der Kaiserin, mit neuen Anec¬
doten belegt; dann noch einmal: „Beide Linien von Habsburg hatte» den
Katholicism als Mauerbrecher für ihren Absolutism vorangestellt, zu ge¬
rechter Vergeltung hatte der Fauatism ihnen lauter Wüsteneien gelassen";
noch einmal der spanische Erbfolgekrieg; das bekannte ^. 15. I. 0. II. Fried¬
rich's IV. wird auch mehrmals erörtert und verspottet; Rückblick auf Mar¬
garethe Maultasch; Aufzählung der mittelalterlichen barbarischen Strafen
gegen Verleumder; Crimiual - Anecdoten; Ansicht von der Reformation,
die im Ganzen sehr anerkannt wird; Angriffe gegen die Jesuiten und ihre
Erziehungsmethode; die Bauernkriege, deren gerechte Seiten rühmend
hervorgehoben werden, sehr ausführlich besprochen; Fragmente ans dem
Aberglauben des Mittelalters; Erzählungen von österreichischen Feldherrn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/80>, abgerufen am 28.07.2024.