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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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die Berge gegenüber sind theilweise kahl, was sehr unangenehm berührt; der
Rhein blickt nur in weiter Ferne gleich einem schmalen Silberstreif, die rhein-
bairischen Gebirge im äußersten Hintergrunde sind nicht sehr hoch und treten auch
nur bei besonders günstiger Beleuchtung in schönen Umrissen hervor; sonst verlieren
sie sich leicht in eine formlose graublaue Masse. Vom Badener Schloß ist der
Blick viel freier, kann einen weit größeren Horizont umfassen. Die Stadt ist
durch eiuen schönen dunkeln Vordergrund davon geschieden, und ihre hellen Häuser
zeichnen sich gar hübsch auf dem sie umgebenden grünen Teppich ab. Die Rheins
ebene tritt weit lachender und großartiger hervor; der Rhein selbst viel breiter,
näher, man kann seine Fluthen im Sonnenlicht hell schimmern und im verschie¬
densten Farbenspiel wechseln sehen; die Berge an allen Seiten des Hintergrundes
sind mannigfacher geformt, üppiger belaubt mit allen möglichen Baumarten, von
der tiefdunkeln Föhre, bis zur hellgrünen saftigen Kastanie; selbst die Vogesen
jenseits des Rheins erscheinen dem Auge deutlicher. Freilich fehlt ein so naher
Fluß wie der Neckar, und dadurch ein unendlicher Reiz.

So hat auch hier wieder eine Jede ihre besonderen Vorzüge und Nachtheile.
Nur als Ruine selbst betrachtet steht in ihrer malerischen Schönheit die Heidel¬
berger weit über die Badener. Die erste bietet einen ungemein romantischen An¬
blick dar und enthält Theile, die mit ihren Bildsäuleu in den Fensternischen ihrer
ganzen Fa?abe dem Künstler wie Architekten ungemein viel Interessantes darbieten,
und gewiß der vollsten Aufmerksamkeit jedes kuustverständigen Fremden werth sind.
Welch' schönes Gebäude ist uicht uoch der "Otto Heinrichs-Bau" mit seiner nach
Michael Angelo's Idee erbauten Fa^abe, wie ungemein malerisch sieht noch der
"gesprengte Thurm" aus. Das Schloß in Heidelberg ist ein großartiger Palast
gewesen, auch von der Kunst geschmückt, das zu Baden nur eine gewöhnliche
Ritterburg von etwas größerem Umfange wie in der Regel. Es sind viele starke
Mauern, hohe Thürme, gewölbte Thore, wie man sie überall findet; etwas be¬
sonders Schönes wird nirgends daran zu sehen sein. Auch hat man bei der Ba¬
dener Ruine nur einen günstigen Standpunkt, um sie vollkommen überschauen zu
können. Von der Stadt aus ist es zu weit und hernach umgibt sie dichter Hochwald,
der jeden freien Blick verwehrt, bis mau unmittelbar davorsteht. Für die Heidel¬
berger Ruine aber gibt es mehrere sehr günstige Standpunkte, von denen man den
mächtigen Bau so recht in seiner vollen Schönheit anstaunen kann.

Solches wäre in kurzen Umrissen eine Vergleichung der verschiedenen Eigen¬
thümlichkeiten von Baden-Baden und Heidelberg. Jedes hat gar viele Reize, ist
von der Natur mit verschwenderischer Hand bedacht worden und vermag dem Be¬
sucher gar manche Annehmlichkeiten zu bieten. Ein Sommer in Baden ist etwas
herrliches, und wohl Niemand wird leicht unbefriedigt von dannen gehen; für
beständigen Aufenthalt aber würden wir Heidelberg weit vorziehen, ja halten es


die Berge gegenüber sind theilweise kahl, was sehr unangenehm berührt; der
Rhein blickt nur in weiter Ferne gleich einem schmalen Silberstreif, die rhein-
bairischen Gebirge im äußersten Hintergrunde sind nicht sehr hoch und treten auch
nur bei besonders günstiger Beleuchtung in schönen Umrissen hervor; sonst verlieren
sie sich leicht in eine formlose graublaue Masse. Vom Badener Schloß ist der
Blick viel freier, kann einen weit größeren Horizont umfassen. Die Stadt ist
durch eiuen schönen dunkeln Vordergrund davon geschieden, und ihre hellen Häuser
zeichnen sich gar hübsch auf dem sie umgebenden grünen Teppich ab. Die Rheins
ebene tritt weit lachender und großartiger hervor; der Rhein selbst viel breiter,
näher, man kann seine Fluthen im Sonnenlicht hell schimmern und im verschie¬
densten Farbenspiel wechseln sehen; die Berge an allen Seiten des Hintergrundes
sind mannigfacher geformt, üppiger belaubt mit allen möglichen Baumarten, von
der tiefdunkeln Föhre, bis zur hellgrünen saftigen Kastanie; selbst die Vogesen
jenseits des Rheins erscheinen dem Auge deutlicher. Freilich fehlt ein so naher
Fluß wie der Neckar, und dadurch ein unendlicher Reiz.

So hat auch hier wieder eine Jede ihre besonderen Vorzüge und Nachtheile.
Nur als Ruine selbst betrachtet steht in ihrer malerischen Schönheit die Heidel¬
berger weit über die Badener. Die erste bietet einen ungemein romantischen An¬
blick dar und enthält Theile, die mit ihren Bildsäuleu in den Fensternischen ihrer
ganzen Fa?abe dem Künstler wie Architekten ungemein viel Interessantes darbieten,
und gewiß der vollsten Aufmerksamkeit jedes kuustverständigen Fremden werth sind.
Welch' schönes Gebäude ist uicht uoch der „Otto Heinrichs-Bau" mit seiner nach
Michael Angelo's Idee erbauten Fa^abe, wie ungemein malerisch sieht noch der
„gesprengte Thurm" aus. Das Schloß in Heidelberg ist ein großartiger Palast
gewesen, auch von der Kunst geschmückt, das zu Baden nur eine gewöhnliche
Ritterburg von etwas größerem Umfange wie in der Regel. Es sind viele starke
Mauern, hohe Thürme, gewölbte Thore, wie man sie überall findet; etwas be¬
sonders Schönes wird nirgends daran zu sehen sein. Auch hat man bei der Ba¬
dener Ruine nur einen günstigen Standpunkt, um sie vollkommen überschauen zu
können. Von der Stadt aus ist es zu weit und hernach umgibt sie dichter Hochwald,
der jeden freien Blick verwehrt, bis mau unmittelbar davorsteht. Für die Heidel¬
berger Ruine aber gibt es mehrere sehr günstige Standpunkte, von denen man den
mächtigen Bau so recht in seiner vollen Schönheit anstaunen kann.

Solches wäre in kurzen Umrissen eine Vergleichung der verschiedenen Eigen¬
thümlichkeiten von Baden-Baden und Heidelberg. Jedes hat gar viele Reize, ist
von der Natur mit verschwenderischer Hand bedacht worden und vermag dem Be¬
sucher gar manche Annehmlichkeiten zu bieten. Ein Sommer in Baden ist etwas
herrliches, und wohl Niemand wird leicht unbefriedigt von dannen gehen; für
beständigen Aufenthalt aber würden wir Heidelberg weit vorziehen, ja halten es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/484>, abgerufen am 28.07.2024.