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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Da diese Obergespatte, nicht immer Zeit, Lust und Fähigkeiten hatten, die
Geschäfte des Comitateö zu führen, wurde, die Obergespanschaft allmälig ein leerer
Titel, während die auf den Kongregationen alle drei Jahre gewählten Vicegespane,
Männer von Talent und Energie, die Leitung factisch in die Hände bekamen. Die.
Wahl der Vicegespane war denn auch die politische Demonstration der Majorität
eines jeden Comitates, so wie jene wieder für ihre politische Meinung Majorität
ten zu bilden wußten.

Der Geist des Fortschrittes, der Ungarn seit einigen Jahren mächtig ergriffen,
war besonders in den heißen unternehmenden Köpfen der Vicegespane rege und
theilte sich von da den Kongregationen mit; denn diese leitenden Beamten sind
nicht wie die stummen "Sprecher" des englischen Unterhauses oder wie die Glöckner
der französischen Kammern nur gleichsam die Polizeipräsidenten der Versammlungen,
sondern sie motiviren beredt die auf dem Tische der Congregation niedergelegten
Vorschläge und Proteste. Ihre Einwirkung griff aber noch über das Comitat
hinaus, deun die politische Färbung des Landtages ist der Reflex des anf den
Congregationen entzündeten Feuers, aus deren Mitte die Deputaten des Land¬
tages hervorgehen, welche durchaus nur nach dem vom Comitat erhaltenen Man¬
dat stimmen dürfen, mit dem sie während des Landtags in stetem Rapport bleiben.
Diese Einrichtung, welche kein anderer constitutioneller Staat besitzt, steuert der Willkür
der Deputirten und macht die Corruption derselben unmöglich. So kam es, daß
auf den zwei vorigen Landtagen eine imposante Majorität der Regierung gegenüber
stand. Die Majorität vermochte zwar der Negierung keine Gesetze aufzudringen,
denn diese konnte die Beschlüsse der Ständetafel durch die Kammer der Magnaten
modificiren und durch ihr unbeschränktes Veto annnlliren; aber dafür hatte die
Majorität der Ständctafel wieder das Recht die Entwürfe der Regierung zurück¬
zuweisen, Geld und Soldaten zu verweigern. Ueberdies war zu besorgen, daß
der lodernde Brand, der bisher nur obenauf wie Spiritus flammte, die festern
Stoffe ergreifen und nachhaltige Kohlen erzeugen könnte.

Es unterlag reinem Zweifel wohin die Regierung hauptsächlich zu wirken hatte.
Der Sitz des Uebels war in den Congregationen; konnte man hier eine ergebene
Majorität werben, so war Alles gewonnen. Dann erlangte man eine gefügige
Majorität für den Landtag, konnte die Bcamtenwahlen der Comitate regieren und
hatte keine Zurückweisung königlicher Reskripte von den einzelnen Comitaten zu
befürchten. Es galt nur noch die Mittel zu diesem Zwecke zu finden. Die für
den Fortschritt begeisterten Vicegespane waren nicht leicht zu gewinnen, überdies
ging ihr Amt mit jedem dritten Jahr zu Ende. Die erblichen oder ans Lebenszeit
ernannten Obergespane boten kein hinreichend gewandtes, unermüdliches, stets will¬
fähriges Werkzeug. Man schob daher zwischen ihnen und den Vicegcspanen, unter
dem Namen Administratoren, königliche Beamten ein, welche als Stellvertreter der
Obergespane den Vorsitz und die wirkliche Leitung bei allen öcvnomischen, potiti-


Da diese Obergespatte, nicht immer Zeit, Lust und Fähigkeiten hatten, die
Geschäfte des Comitateö zu führen, wurde, die Obergespanschaft allmälig ein leerer
Titel, während die auf den Kongregationen alle drei Jahre gewählten Vicegespane,
Männer von Talent und Energie, die Leitung factisch in die Hände bekamen. Die.
Wahl der Vicegespane war denn auch die politische Demonstration der Majorität
eines jeden Comitates, so wie jene wieder für ihre politische Meinung Majorität
ten zu bilden wußten.

Der Geist des Fortschrittes, der Ungarn seit einigen Jahren mächtig ergriffen,
war besonders in den heißen unternehmenden Köpfen der Vicegespane rege und
theilte sich von da den Kongregationen mit; denn diese leitenden Beamten sind
nicht wie die stummen „Sprecher" des englischen Unterhauses oder wie die Glöckner
der französischen Kammern nur gleichsam die Polizeipräsidenten der Versammlungen,
sondern sie motiviren beredt die auf dem Tische der Congregation niedergelegten
Vorschläge und Proteste. Ihre Einwirkung griff aber noch über das Comitat
hinaus, deun die politische Färbung des Landtages ist der Reflex des anf den
Congregationen entzündeten Feuers, aus deren Mitte die Deputaten des Land¬
tages hervorgehen, welche durchaus nur nach dem vom Comitat erhaltenen Man¬
dat stimmen dürfen, mit dem sie während des Landtags in stetem Rapport bleiben.
Diese Einrichtung, welche kein anderer constitutioneller Staat besitzt, steuert der Willkür
der Deputirten und macht die Corruption derselben unmöglich. So kam es, daß
auf den zwei vorigen Landtagen eine imposante Majorität der Regierung gegenüber
stand. Die Majorität vermochte zwar der Negierung keine Gesetze aufzudringen,
denn diese konnte die Beschlüsse der Ständetafel durch die Kammer der Magnaten
modificiren und durch ihr unbeschränktes Veto annnlliren; aber dafür hatte die
Majorität der Ständctafel wieder das Recht die Entwürfe der Regierung zurück¬
zuweisen, Geld und Soldaten zu verweigern. Ueberdies war zu besorgen, daß
der lodernde Brand, der bisher nur obenauf wie Spiritus flammte, die festern
Stoffe ergreifen und nachhaltige Kohlen erzeugen könnte.

Es unterlag reinem Zweifel wohin die Regierung hauptsächlich zu wirken hatte.
Der Sitz des Uebels war in den Congregationen; konnte man hier eine ergebene
Majorität werben, so war Alles gewonnen. Dann erlangte man eine gefügige
Majorität für den Landtag, konnte die Bcamtenwahlen der Comitate regieren und
hatte keine Zurückweisung königlicher Reskripte von den einzelnen Comitaten zu
befürchten. Es galt nur noch die Mittel zu diesem Zwecke zu finden. Die für
den Fortschritt begeisterten Vicegespane waren nicht leicht zu gewinnen, überdies
ging ihr Amt mit jedem dritten Jahr zu Ende. Die erblichen oder ans Lebenszeit
ernannten Obergespane boten kein hinreichend gewandtes, unermüdliches, stets will¬
fähriges Werkzeug. Man schob daher zwischen ihnen und den Vicegcspanen, unter
dem Namen Administratoren, königliche Beamten ein, welche als Stellvertreter der
Obergespane den Vorsitz und die wirkliche Leitung bei allen öcvnomischen, potiti-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/420>, abgerufen am 01.09.2024.