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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Häuserberges kam, auf dem sie liegt, um so mehr belebte sich die Gegend.
Denn wegen seiner günstigen Lage ist der Kyffhäuser zu Pfingsten der Ziel¬
punkt für die Reisen zahlreicher Studenten aus Göttingen, Halle, Leipzig
und Jena.

"Schönes Wetter zum Ferien, meine Herren!" sagte, auf den heitern
blauen Himmel zeigend und den Hut vom Kopfe ziehend, ein alter thüriu-
gischer Landwirth, indem er auf einem stattlichen Klepper an einer kleinen
Schaar vou Studenten vorbeitrabte. -- Bei diesem "schönen Wetter zum
Ferien" gelangten wir alle, Studenten und Philister, ans den Kyffhäuser.

Die Kyffhänserburg (oder wie das Volk sagt, der Kipphüser) ist
eine große gewaltige Ruine, von der besonders noch der von der Sage ge¬
feierte alte Thurm steht. Darinnen sitzt der Rothbart, sein Bart ist durch
deu steinernen Tisch gewachsen; um ihn ist seine schöne, holdselige Tochter,
welche oft junge Hirten, die zur guten Stunde kommen, zum Vater hinab¬
führt, damit sie ihm von der neuen Zeit erzählen. "Fliegen die Raben uoch
um deu Thurm?" so fragt er Jeden, der zu ihm niedersteigt. "Weh' mir,
so muß ich noch hundert Jahr sitzen!"

' Nächst dem märchenhaften Thurm ist das sogenannte Erfurter Thor
am Besten erhalten. Wenn Dn dieses Thor, oder vielmehr eine bescheidene
mit Moos ausgelegte Glasthüre, welche in demselben angebracht ist, öffnest,
so trittst Du in ein gemüthliches Stübchen, welches ein biederer Thüringer,
der auf der Kaiserburg eine Wirthschaft anlegte, sich ans einer Bvgenwöl-
bnng des alten Schlosses zurecht gemacht hat. In diesem Stübchen zeigt
man denn auch, rechts an der Thür in einer Mauernische, unweit des Ofens,
das Bild des Kaisers für einen Silbergroschen. Draußen vor den Wöl¬
bungen des Thores steht ein grasender Lastesel, welcher das Bild vom
Dasein des Kaisers auf dem Kyffhäuser zu einem ähnlichen nicht weniger
gutmüthigen abrundet, wie das Bild des Heilandes in der Krippe, wo
Oechslein und Eseleiu brüllen und die Engelein singen. Auch sieht der
Herr Wirth ans dem Kyffhäuser so väterlich aus, daß er wohl mit dem
Pflegevater Joseph verglichen werden könnte.

Von der Burg Kyffhausen (welche, beiläufig gesagt, die Historiker eine
Zeit lang von Julius Cäsar erbaut sein ließen, um ihren Namen mit Be¬
quemlichkeit von dem latrinischen conlusi" ableiten zu können), führt ein
schöner Waldweg ans dem Rücken des Gebirges nach der Rothenburg.
Noch einmal wandte ich mich ans demselben um nach dem alten Kaiser¬
thurme. Er glänzte herrlich im Abendsonnenschein; aber eine Schaar von


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Häuserberges kam, auf dem sie liegt, um so mehr belebte sich die Gegend.
Denn wegen seiner günstigen Lage ist der Kyffhäuser zu Pfingsten der Ziel¬
punkt für die Reisen zahlreicher Studenten aus Göttingen, Halle, Leipzig
und Jena.

„Schönes Wetter zum Ferien, meine Herren!" sagte, auf den heitern
blauen Himmel zeigend und den Hut vom Kopfe ziehend, ein alter thüriu-
gischer Landwirth, indem er auf einem stattlichen Klepper an einer kleinen
Schaar vou Studenten vorbeitrabte. — Bei diesem „schönen Wetter zum
Ferien" gelangten wir alle, Studenten und Philister, ans den Kyffhäuser.

Die Kyffhänserburg (oder wie das Volk sagt, der Kipphüser) ist
eine große gewaltige Ruine, von der besonders noch der von der Sage ge¬
feierte alte Thurm steht. Darinnen sitzt der Rothbart, sein Bart ist durch
deu steinernen Tisch gewachsen; um ihn ist seine schöne, holdselige Tochter,
welche oft junge Hirten, die zur guten Stunde kommen, zum Vater hinab¬
führt, damit sie ihm von der neuen Zeit erzählen. „Fliegen die Raben uoch
um deu Thurm?" so fragt er Jeden, der zu ihm niedersteigt. „Weh' mir,
so muß ich noch hundert Jahr sitzen!"

' Nächst dem märchenhaften Thurm ist das sogenannte Erfurter Thor
am Besten erhalten. Wenn Dn dieses Thor, oder vielmehr eine bescheidene
mit Moos ausgelegte Glasthüre, welche in demselben angebracht ist, öffnest,
so trittst Du in ein gemüthliches Stübchen, welches ein biederer Thüringer,
der auf der Kaiserburg eine Wirthschaft anlegte, sich ans einer Bvgenwöl-
bnng des alten Schlosses zurecht gemacht hat. In diesem Stübchen zeigt
man denn auch, rechts an der Thür in einer Mauernische, unweit des Ofens,
das Bild des Kaisers für einen Silbergroschen. Draußen vor den Wöl¬
bungen des Thores steht ein grasender Lastesel, welcher das Bild vom
Dasein des Kaisers auf dem Kyffhäuser zu einem ähnlichen nicht weniger
gutmüthigen abrundet, wie das Bild des Heilandes in der Krippe, wo
Oechslein und Eseleiu brüllen und die Engelein singen. Auch sieht der
Herr Wirth ans dem Kyffhäuser so väterlich aus, daß er wohl mit dem
Pflegevater Joseph verglichen werden könnte.

Von der Burg Kyffhausen (welche, beiläufig gesagt, die Historiker eine
Zeit lang von Julius Cäsar erbaut sein ließen, um ihren Namen mit Be¬
quemlichkeit von dem latrinischen conlusi» ableiten zu können), führt ein
schöner Waldweg ans dem Rücken des Gebirges nach der Rothenburg.
Noch einmal wandte ich mich ans demselben um nach dem alten Kaiser¬
thurme. Er glänzte herrlich im Abendsonnenschein; aber eine Schaar von


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[0033] Häuserberges kam, auf dem sie liegt, um so mehr belebte sich die Gegend. Denn wegen seiner günstigen Lage ist der Kyffhäuser zu Pfingsten der Ziel¬ punkt für die Reisen zahlreicher Studenten aus Göttingen, Halle, Leipzig und Jena. „Schönes Wetter zum Ferien, meine Herren!" sagte, auf den heitern blauen Himmel zeigend und den Hut vom Kopfe ziehend, ein alter thüriu- gischer Landwirth, indem er auf einem stattlichen Klepper an einer kleinen Schaar vou Studenten vorbeitrabte. — Bei diesem „schönen Wetter zum Ferien" gelangten wir alle, Studenten und Philister, ans den Kyffhäuser. Die Kyffhänserburg (oder wie das Volk sagt, der Kipphüser) ist eine große gewaltige Ruine, von der besonders noch der von der Sage ge¬ feierte alte Thurm steht. Darinnen sitzt der Rothbart, sein Bart ist durch deu steinernen Tisch gewachsen; um ihn ist seine schöne, holdselige Tochter, welche oft junge Hirten, die zur guten Stunde kommen, zum Vater hinab¬ führt, damit sie ihm von der neuen Zeit erzählen. „Fliegen die Raben uoch um deu Thurm?" so fragt er Jeden, der zu ihm niedersteigt. „Weh' mir, so muß ich noch hundert Jahr sitzen!" ' Nächst dem märchenhaften Thurm ist das sogenannte Erfurter Thor am Besten erhalten. Wenn Dn dieses Thor, oder vielmehr eine bescheidene mit Moos ausgelegte Glasthüre, welche in demselben angebracht ist, öffnest, so trittst Du in ein gemüthliches Stübchen, welches ein biederer Thüringer, der auf der Kaiserburg eine Wirthschaft anlegte, sich ans einer Bvgenwöl- bnng des alten Schlosses zurecht gemacht hat. In diesem Stübchen zeigt man denn auch, rechts an der Thür in einer Mauernische, unweit des Ofens, das Bild des Kaisers für einen Silbergroschen. Draußen vor den Wöl¬ bungen des Thores steht ein grasender Lastesel, welcher das Bild vom Dasein des Kaisers auf dem Kyffhäuser zu einem ähnlichen nicht weniger gutmüthigen abrundet, wie das Bild des Heilandes in der Krippe, wo Oechslein und Eseleiu brüllen und die Engelein singen. Auch sieht der Herr Wirth ans dem Kyffhäuser so väterlich aus, daß er wohl mit dem Pflegevater Joseph verglichen werden könnte. Von der Burg Kyffhausen (welche, beiläufig gesagt, die Historiker eine Zeit lang von Julius Cäsar erbaut sein ließen, um ihren Namen mit Be¬ quemlichkeit von dem latrinischen conlusi» ableiten zu können), führt ein schöner Waldweg ans dem Rücken des Gebirges nach der Rothenburg. Noch einmal wandte ich mich ans demselben um nach dem alten Kaiser¬ thurme. Er glänzte herrlich im Abendsonnenschein; aber eine Schaar von 4*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/33>, abgerufen am 01.09.2024.