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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ders gut zuzusagen scheine, damit fortzufahren. Die Saat möchte sich aber doch
nicht so leicht austreiben lassen, sollte man denken. -- Der berüchtigte Lord
Walesford hat alle seiue Zinslcnte fortgejagt, und diese armen Menschen irren
jetzt obdachlos und ohne Nahrung aus den Feldern umher. Das ist noch ganz
ein Streich, der nach dem -moi"?" rtj^imo schmeckt. Lord' Cork ist diesem wür¬
digen Beispiel nachgefolgt. -- Da das Gesetz keine Strafen für die Grausam¬
keiten und das unmenschliche Verfahren von Lords kennt, so sollte wenigstens die
öffentliche Meinung bei solchen Veranlassungen das Nichtcrschwcrt führen und
ähnliche Thaten mit dem Stempel der höchsten allgemeinen Verachtung stempeln.
Aber die öffentliche Meinung hat noch immer eine kleine Schwäche für Titel und
Geld, und das "Junge England" theilt diese Vorliebe leider! in einigem Maße.
Woher soll da die Besserung kommen? Vom alten England gewiß nicht! Es
heifit, daß England in Zukunft Irland direct regieren werde, wie seine übrigen
Länder. Vielleicht wird es da besser gehen. Das Typhus-Fieber macht noch immer
reißende Fortschritte und das besonders unter der Geistlichkeit. -- O'Connel's Leiche
ist indessen angelangt, und mit gebührendem Respect dem Lande zugeführt wor¬
den, das seinen Namen mit Verehrung nennt. England haßt ihn anch im Tode
noch, so wie es ihn lebend gehaßt hat, und ist oftmals geneigt, ihn als die Ur¬
sache alles Uebels anzusehen. Sein Tod hat daher hier weiter keine Theilnahme
gesunden und Niemand hat sich um seine Leiche gekümmert. Dafür aber hat
man jetzt eine leidenschaftliche Verehrung für Shakespeares Haus, und Miß Mär¬
tirer hat der Nation -- mit Geringerem befaßt die große politische Oecono-
inistin sich nicht -- den Vorschlag gemacht, eine Pfennig-Subscription auszu¬
schreiben, um dafür des Dichters Wohnung in Stratford von Aron für die Na¬
tion zu erstehen. Sie liebt dergleichen Subscriptionen. Als ihr Lord Melbourn
eine Pension anbot, dankte sie dafür, weil sie kein Recht dazu habe, vom Staate
erhalten zu werden, wolle die Nation aber eine ki Pere-Subscription sür sie sam¬
meln, werde sie es dankbar annehmen. Sie ist ein sonderbares Wesen, meint es
aber gut.

Was ist man aber berechtigt zu sagen, wenn man den großen schwarzen
Rand ansieht, der seit ein paar Tagen das ellcngroße Papier der '"Times" um¬
gibt '. Der Redacteur der Zeitung ist gestorben, und das treue Blatt hat Trauer
für ihn angelegt, der es so vortheilhaft redigirte. -- Zu solchen rührenden Be¬
weisen von Anhänglichkeit hat man es in Deutschland nun wieder noch nicht ge¬
bracht. Unsere Journale legen so wenig Trauer an sür ihre Redacteurs, wie
unsere Bücher sür ihre Verfasser; sonst möchte eS sich gelegentlich ereignen, daß
Ä. die ganze Leipziger Büchmncsse in schwarzen Rändern erschiene.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur: I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrü.

ders gut zuzusagen scheine, damit fortzufahren. Die Saat möchte sich aber doch
nicht so leicht austreiben lassen, sollte man denken. — Der berüchtigte Lord
Walesford hat alle seiue Zinslcnte fortgejagt, und diese armen Menschen irren
jetzt obdachlos und ohne Nahrung aus den Feldern umher. Das ist noch ganz
ein Streich, der nach dem -moi«?» rtj^imo schmeckt. Lord' Cork ist diesem wür¬
digen Beispiel nachgefolgt. — Da das Gesetz keine Strafen für die Grausam¬
keiten und das unmenschliche Verfahren von Lords kennt, so sollte wenigstens die
öffentliche Meinung bei solchen Veranlassungen das Nichtcrschwcrt führen und
ähnliche Thaten mit dem Stempel der höchsten allgemeinen Verachtung stempeln.
Aber die öffentliche Meinung hat noch immer eine kleine Schwäche für Titel und
Geld, und das „Junge England" theilt diese Vorliebe leider! in einigem Maße.
Woher soll da die Besserung kommen? Vom alten England gewiß nicht! Es
heifit, daß England in Zukunft Irland direct regieren werde, wie seine übrigen
Länder. Vielleicht wird es da besser gehen. Das Typhus-Fieber macht noch immer
reißende Fortschritte und das besonders unter der Geistlichkeit. — O'Connel's Leiche
ist indessen angelangt, und mit gebührendem Respect dem Lande zugeführt wor¬
den, das seinen Namen mit Verehrung nennt. England haßt ihn anch im Tode
noch, so wie es ihn lebend gehaßt hat, und ist oftmals geneigt, ihn als die Ur¬
sache alles Uebels anzusehen. Sein Tod hat daher hier weiter keine Theilnahme
gesunden und Niemand hat sich um seine Leiche gekümmert. Dafür aber hat
man jetzt eine leidenschaftliche Verehrung für Shakespeares Haus, und Miß Mär¬
tirer hat der Nation — mit Geringerem befaßt die große politische Oecono-
inistin sich nicht — den Vorschlag gemacht, eine Pfennig-Subscription auszu¬
schreiben, um dafür des Dichters Wohnung in Stratford von Aron für die Na¬
tion zu erstehen. Sie liebt dergleichen Subscriptionen. Als ihr Lord Melbourn
eine Pension anbot, dankte sie dafür, weil sie kein Recht dazu habe, vom Staate
erhalten zu werden, wolle die Nation aber eine ki Pere-Subscription sür sie sam¬
meln, werde sie es dankbar annehmen. Sie ist ein sonderbares Wesen, meint es
aber gut.

Was ist man aber berechtigt zu sagen, wenn man den großen schwarzen
Rand ansieht, der seit ein paar Tagen das ellcngroße Papier der '„Times" um¬
gibt '. Der Redacteur der Zeitung ist gestorben, und das treue Blatt hat Trauer
für ihn angelegt, der es so vortheilhaft redigirte. — Zu solchen rührenden Be¬
weisen von Anhänglichkeit hat man es in Deutschland nun wieder noch nicht ge¬
bracht. Unsere Journale legen so wenig Trauer an sür ihre Redacteurs, wie
unsere Bücher sür ihre Verfasser; sonst möchte eS sich gelegentlich ereignen, daß
Ä. die ganze Leipziger Büchmncsse in schwarzen Rändern erschiene.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur: I. Knranda.
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[0274] ders gut zuzusagen scheine, damit fortzufahren. Die Saat möchte sich aber doch nicht so leicht austreiben lassen, sollte man denken. — Der berüchtigte Lord Walesford hat alle seiue Zinslcnte fortgejagt, und diese armen Menschen irren jetzt obdachlos und ohne Nahrung aus den Feldern umher. Das ist noch ganz ein Streich, der nach dem -moi«?» rtj^imo schmeckt. Lord' Cork ist diesem wür¬ digen Beispiel nachgefolgt. — Da das Gesetz keine Strafen für die Grausam¬ keiten und das unmenschliche Verfahren von Lords kennt, so sollte wenigstens die öffentliche Meinung bei solchen Veranlassungen das Nichtcrschwcrt führen und ähnliche Thaten mit dem Stempel der höchsten allgemeinen Verachtung stempeln. Aber die öffentliche Meinung hat noch immer eine kleine Schwäche für Titel und Geld, und das „Junge England" theilt diese Vorliebe leider! in einigem Maße. Woher soll da die Besserung kommen? Vom alten England gewiß nicht! Es heifit, daß England in Zukunft Irland direct regieren werde, wie seine übrigen Länder. Vielleicht wird es da besser gehen. Das Typhus-Fieber macht noch immer reißende Fortschritte und das besonders unter der Geistlichkeit. — O'Connel's Leiche ist indessen angelangt, und mit gebührendem Respect dem Lande zugeführt wor¬ den, das seinen Namen mit Verehrung nennt. England haßt ihn anch im Tode noch, so wie es ihn lebend gehaßt hat, und ist oftmals geneigt, ihn als die Ur¬ sache alles Uebels anzusehen. Sein Tod hat daher hier weiter keine Theilnahme gesunden und Niemand hat sich um seine Leiche gekümmert. Dafür aber hat man jetzt eine leidenschaftliche Verehrung für Shakespeares Haus, und Miß Mär¬ tirer hat der Nation — mit Geringerem befaßt die große politische Oecono- inistin sich nicht — den Vorschlag gemacht, eine Pfennig-Subscription auszu¬ schreiben, um dafür des Dichters Wohnung in Stratford von Aron für die Na¬ tion zu erstehen. Sie liebt dergleichen Subscriptionen. Als ihr Lord Melbourn eine Pension anbot, dankte sie dafür, weil sie kein Recht dazu habe, vom Staate erhalten zu werden, wolle die Nation aber eine ki Pere-Subscription sür sie sam¬ meln, werde sie es dankbar annehmen. Sie ist ein sonderbares Wesen, meint es aber gut. Was ist man aber berechtigt zu sagen, wenn man den großen schwarzen Rand ansieht, der seit ein paar Tagen das ellcngroße Papier der '„Times" um¬ gibt '. Der Redacteur der Zeitung ist gestorben, und das treue Blatt hat Trauer für ihn angelegt, der es so vortheilhaft redigirte. — Zu solchen rührenden Be¬ weisen von Anhänglichkeit hat man es in Deutschland nun wieder noch nicht ge¬ bracht. Unsere Journale legen so wenig Trauer an sür ihre Redacteurs, wie unsere Bücher sür ihre Verfasser; sonst möchte eS sich gelegentlich ereignen, daß Ä. die ganze Leipziger Büchmncsse in schwarzen Rändern erschiene. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur: I. Knranda. Druck von Friedrich Andrü.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/274>, abgerufen am 01.09.2024.