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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Erziehung und Liebenswürdigkeit, so liegt im Allgemeinen ihm doch ein
Begriff unter, der einerlei ist mit dem aristokratischen Geist der Mittel¬
klassen, so weit er sich auf das Aeußerliche und Hoffärtige bezieht und darin
besteht, durch Kavaliere-Trinkgelder zu glänzen und sich in der conventio-
nellen Mischsprache hervorzuthun. Diesen Gentleman zunächst in Charakter
und Bildung steht die zahlreiche und wichtige Classe der eigentlichen Be¬
dienten." --

"Die ländliche Wohnart hat viel vom niederdeutschen Charakter be¬
wahrt: die äußere sächsische Form ist geblieben, wenn auch der Inhalt durch
das Lehnswesen zum Theil umgewandelt. Bäuerliche Dörfer mit zusammen¬
hängenden Häuserreihen kennt man in England so wenig als im alten
Friesen- und Sachsenlande. Die ländliche Bevölkerung wohnt zerstreut
um die Edelsitze umher, auf Pachthöfcn und zuweilen noch auf kleinen Frei-
thümern. In der Mitte der Gemeine stehen Kirche und Schulhaus. Die
Gemeine, die politische wie die kirchliche, hat ihre Vorsteher und Streit¬
schlichter, ihre Vertretung, ihr Steuer- und Armenwesen, ihre Almosen¬
sammler u. dergl. >-- das urgermanische Zerstreut- und Eiuzcluwohnen,
welches wohl selbst aus sittlichen Gründen alte deutsche Gesetze zu unter¬
stützen suchten, hat in einem englischen Charakterzüge mit der Form anch
noch den Inhalt bewahrt, nämlich in dem Bestreben jeder Familie, ein eige¬
nes Haus für sich zu bewahren. Enges Zusammenwohnen beschränkt sich
lediglich anf die in den Fabrikvlätzcn zusammengedrängte Arbeiterbevölke¬
rung. -- Der Pachter bewohnt in der Regel ein zweistöckiges Haus, dessen
Fenster und Thüren häusig Spitzbogen bilden oder das doch sonst ein wenig
normännischer Schmuck auszeichnet; es gleicht einem Herrenhause, ohne
Schloß zu sein, mit getrennten Wirthschaftsgebäuden zur Seite." --

Es folgt darauf die Schilderung der englischen Aristokratie; ihre Wur¬
zeln im Volk und Staat, im Gegensatz zu dem Geburtsadel des Festlandes,
und ein Rückblick auf ihre Entwickelung bis zu dem Höhepunkte ihrer Macht,
mit Bezug auf die englische Staatsverfassung. Nicht minder wird die Kehr¬
seite der britischen Grundbesttzverhältnisse betrachtet, ihre nachtheiligen Wir¬
kungen anf das Verhältniß der Nährstände, das Befinden der Masse der
Bevölkerung, namentlich auf die Arbeiterzustände. Die britischen Grund¬
besitzverhältnisse werden nachgerade unverträglich mit den Bedürfnissen der
Masse des Volks. Wichtige, unabweisbare Interessen drängen sich zwischen die
bestehenden Feudal- und andere öffentlichen Zustände und drohen sie ausein-
der zu zerren. Die demokratischen und aristokratischen Elemente, so lange
heilsam verbunden im Staat, beginnen sich in Volksklassen und Nährzweigen


Erziehung und Liebenswürdigkeit, so liegt im Allgemeinen ihm doch ein
Begriff unter, der einerlei ist mit dem aristokratischen Geist der Mittel¬
klassen, so weit er sich auf das Aeußerliche und Hoffärtige bezieht und darin
besteht, durch Kavaliere-Trinkgelder zu glänzen und sich in der conventio-
nellen Mischsprache hervorzuthun. Diesen Gentleman zunächst in Charakter
und Bildung steht die zahlreiche und wichtige Classe der eigentlichen Be¬
dienten." —

„Die ländliche Wohnart hat viel vom niederdeutschen Charakter be¬
wahrt: die äußere sächsische Form ist geblieben, wenn auch der Inhalt durch
das Lehnswesen zum Theil umgewandelt. Bäuerliche Dörfer mit zusammen¬
hängenden Häuserreihen kennt man in England so wenig als im alten
Friesen- und Sachsenlande. Die ländliche Bevölkerung wohnt zerstreut
um die Edelsitze umher, auf Pachthöfcn und zuweilen noch auf kleinen Frei-
thümern. In der Mitte der Gemeine stehen Kirche und Schulhaus. Die
Gemeine, die politische wie die kirchliche, hat ihre Vorsteher und Streit¬
schlichter, ihre Vertretung, ihr Steuer- und Armenwesen, ihre Almosen¬
sammler u. dergl. >— das urgermanische Zerstreut- und Eiuzcluwohnen,
welches wohl selbst aus sittlichen Gründen alte deutsche Gesetze zu unter¬
stützen suchten, hat in einem englischen Charakterzüge mit der Form anch
noch den Inhalt bewahrt, nämlich in dem Bestreben jeder Familie, ein eige¬
nes Haus für sich zu bewahren. Enges Zusammenwohnen beschränkt sich
lediglich anf die in den Fabrikvlätzcn zusammengedrängte Arbeiterbevölke¬
rung. — Der Pachter bewohnt in der Regel ein zweistöckiges Haus, dessen
Fenster und Thüren häusig Spitzbogen bilden oder das doch sonst ein wenig
normännischer Schmuck auszeichnet; es gleicht einem Herrenhause, ohne
Schloß zu sein, mit getrennten Wirthschaftsgebäuden zur Seite." —

Es folgt darauf die Schilderung der englischen Aristokratie; ihre Wur¬
zeln im Volk und Staat, im Gegensatz zu dem Geburtsadel des Festlandes,
und ein Rückblick auf ihre Entwickelung bis zu dem Höhepunkte ihrer Macht,
mit Bezug auf die englische Staatsverfassung. Nicht minder wird die Kehr¬
seite der britischen Grundbesttzverhältnisse betrachtet, ihre nachtheiligen Wir¬
kungen anf das Verhältniß der Nährstände, das Befinden der Masse der
Bevölkerung, namentlich auf die Arbeiterzustände. Die britischen Grund¬
besitzverhältnisse werden nachgerade unverträglich mit den Bedürfnissen der
Masse des Volks. Wichtige, unabweisbare Interessen drängen sich zwischen die
bestehenden Feudal- und andere öffentlichen Zustände und drohen sie ausein-
der zu zerren. Die demokratischen und aristokratischen Elemente, so lange
heilsam verbunden im Staat, beginnen sich in Volksklassen und Nährzweigen


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[0241] Erziehung und Liebenswürdigkeit, so liegt im Allgemeinen ihm doch ein Begriff unter, der einerlei ist mit dem aristokratischen Geist der Mittel¬ klassen, so weit er sich auf das Aeußerliche und Hoffärtige bezieht und darin besteht, durch Kavaliere-Trinkgelder zu glänzen und sich in der conventio- nellen Mischsprache hervorzuthun. Diesen Gentleman zunächst in Charakter und Bildung steht die zahlreiche und wichtige Classe der eigentlichen Be¬ dienten." — „Die ländliche Wohnart hat viel vom niederdeutschen Charakter be¬ wahrt: die äußere sächsische Form ist geblieben, wenn auch der Inhalt durch das Lehnswesen zum Theil umgewandelt. Bäuerliche Dörfer mit zusammen¬ hängenden Häuserreihen kennt man in England so wenig als im alten Friesen- und Sachsenlande. Die ländliche Bevölkerung wohnt zerstreut um die Edelsitze umher, auf Pachthöfcn und zuweilen noch auf kleinen Frei- thümern. In der Mitte der Gemeine stehen Kirche und Schulhaus. Die Gemeine, die politische wie die kirchliche, hat ihre Vorsteher und Streit¬ schlichter, ihre Vertretung, ihr Steuer- und Armenwesen, ihre Almosen¬ sammler u. dergl. >— das urgermanische Zerstreut- und Eiuzcluwohnen, welches wohl selbst aus sittlichen Gründen alte deutsche Gesetze zu unter¬ stützen suchten, hat in einem englischen Charakterzüge mit der Form anch noch den Inhalt bewahrt, nämlich in dem Bestreben jeder Familie, ein eige¬ nes Haus für sich zu bewahren. Enges Zusammenwohnen beschränkt sich lediglich anf die in den Fabrikvlätzcn zusammengedrängte Arbeiterbevölke¬ rung. — Der Pachter bewohnt in der Regel ein zweistöckiges Haus, dessen Fenster und Thüren häusig Spitzbogen bilden oder das doch sonst ein wenig normännischer Schmuck auszeichnet; es gleicht einem Herrenhause, ohne Schloß zu sein, mit getrennten Wirthschaftsgebäuden zur Seite." — Es folgt darauf die Schilderung der englischen Aristokratie; ihre Wur¬ zeln im Volk und Staat, im Gegensatz zu dem Geburtsadel des Festlandes, und ein Rückblick auf ihre Entwickelung bis zu dem Höhepunkte ihrer Macht, mit Bezug auf die englische Staatsverfassung. Nicht minder wird die Kehr¬ seite der britischen Grundbesttzverhältnisse betrachtet, ihre nachtheiligen Wir¬ kungen anf das Verhältniß der Nährstände, das Befinden der Masse der Bevölkerung, namentlich auf die Arbeiterzustände. Die britischen Grund¬ besitzverhältnisse werden nachgerade unverträglich mit den Bedürfnissen der Masse des Volks. Wichtige, unabweisbare Interessen drängen sich zwischen die bestehenden Feudal- und andere öffentlichen Zustände und drohen sie ausein- der zu zerren. Die demokratischen und aristokratischen Elemente, so lange heilsam verbunden im Staat, beginnen sich in Volksklassen und Nährzweigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/241>, abgerufen am 01.09.2024.