Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.beobachten gewußt hatte. und wurde vou da an der erbitterste Feind der Negie¬ Die Regierung hatte mit einem: eilen! aus alle Rcformfragen geantwortet; Ganz Frankreich sah verwundert, aufs Tiefste gedemüthigt zu, als so die Das Ergebniß der Session ist also einfach: "Eine Regierung, die, nachdem lind -- nun die Julifeste! Ist es nöthig, das Gefühl zu schildern, mit dem heute die Mehrzahl der beobachten gewußt hatte. und wurde vou da an der erbitterste Feind der Negie¬ Die Regierung hatte mit einem: eilen! aus alle Rcformfragen geantwortet; Ganz Frankreich sah verwundert, aufs Tiefste gedemüthigt zu, als so die Das Ergebniß der Session ist also einfach: „Eine Regierung, die, nachdem lind — nun die Julifeste! Ist es nöthig, das Gefühl zu schildern, mit dem heute die Mehrzahl der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184378"/> <p xml:id="ID_700" prev="#ID_699"> beobachten gewußt hatte. und wurde vou da an der erbitterste Feind der Negie¬<lb/> rung. Er war meist ihr Bundesgenosse, ihr Vertreter gewesen. Er kannte ihre<lb/> Geheimnisse, und mißhandelt und verachtet von seinen frühern Freunde», ließ<lb/> er seiner Rache freien Lauf. Er lüftete den Vorhang, hinter dem er so oft<lb/> gestanden, und rief: Corruption! Schon Andere vor ihm hatten diesen Ton<lb/> angeschlagen; aber sie waren nicht so tief eingeweiht, wie der Besitzer der Presse<lb/> und Erbe der Evoque, Erst seine Geständnisse gaben diesem Rufe eine festere<lb/> Richtung. Alle Oppositionen und auch die jungen Progrcssistcn stimmten mit ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_701"> Die Regierung hatte mit einem: eilen! aus alle Rcformfragen geantwortet;<lb/> die Opposition erwiederte jetzt einstimmig: Corruption! Es ist nur Zufall, daß<lb/> gerade in diesem Augenblick die Geschichte der Minen von Gouhenans halbwegs<lb/> offen gelegt wurde; aber es war nicht Zufall, daß alle Geguer der Regierung<lb/> sich die größte Mühe gaben, dieselbe vollkommen an's Tageslicht zu ziehen. Der<lb/> Anstoß war gegeben, die öffentliche Meinung folgte ihm, und so traten alle Tage<lb/> neue Geschichtchen hervor, die zuletzt bis zum Präsidenten des Ministerrathes<lb/> hinaufreichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_702"> Ganz Frankreich sah verwundert, aufs Tiefste gedemüthigt zu, als so die<lb/> schwärzeste Seite der Iuliregierung vor aller Welt offengelegt wurde. Herr<lb/> v. Lamartine traf das Wort, wenn er sagte: „^a Trance «'nett-isle!"</p><lb/> <p xml:id="ID_703"> Das Ergebniß der Session ist also einfach: „Eine Regierung, die, nachdem<lb/> sie siebzehn Jahre für Ruhe und Ordnung gekämpft hatte, und dabei stets durch¬<lb/> schimmern ließ, daß wenn erst Ruhe und Ordnung einmal fest gesichert, auch die<lb/> Zeit der friedlichen Verbesserung kommen werde, endlich an diesem Ziele ange¬<lb/> langt, die bescheidcndsten Forderungen mit einem einfachen: Rion abweißt." —<lb/> „Eine Opposition, die an dem konstitutionellen Erfolge verzweifelnd, ihre Gegner<lb/> von hinten angreist, und dann freilich bei diesem Angriffe auf eine so schwache<lb/> Seite stößt, daß die ganze Beste, die man in siebzehn Jahren aufbaute, beim<lb/> ersten Sturme bis in ihre Fundamente wankt." — „Ein Volk, das erstaunt,<lb/> verwundert, verletzt, gedemüthigt Einzelne seiner ersten und hochgestelltesten<lb/> Männer auf deu niedrigsten und gewissenlosesten Schwindeleien ertappt sieht."</p><lb/> <p xml:id="ID_704"> lind — nun die Julifeste!</p><lb/> <p xml:id="ID_705" next="#ID_706"> Ist es nöthig, das Gefühl zu schildern, mit dem heute die Mehrzahl der<lb/> Franzosen an die Kampftage von 1830, an die Hoffnungen, die in jenen Tagen<lb/> wie mit Händen greifbar vor ihnen standen, denken werden! Die Negierung hat<lb/> in diesem Jahre noch größere Vorsichtsmaßregeln als sonst gewöhnlich bei solchen<lb/> Festen genommen. Sie bekundet hierdurch uur, daß sie wohl ahndet, was den<lb/> öffentlichen Geist Frankreichs anregt. Wir wollen hoffen, daß sie sich geirrt,<lb/> wenn sie einen offenbaren Angriff, eine „Emeute" befürchtet. Eine „siegreiche<lb/> Emeute ist noch noch keine Revolution!" — wenn auch die französische Partei¬<lb/> auffassung das Gegentheil behaupten mag. Die Masse der Franzosen weiß heute,<lb/> daß zu einer Revolution noch etwas anderes gehört, als eine glückliche Emeute.<lb/> Ja, die Art, wie die Julirevolution umgeschlagen, die Art, wie sie nach sieb¬<lb/> zehn Jahren zu einer Session, wie der eben geschlossenen führen konnte, läßt<lb/> die Mehrzahl aller denkenden Leute nur um so vorsichtiger vor jedem neuen ge¬<lb/> waltsamen Versuche zurücktreten. Die Julirevolution war eine Revo-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
beobachten gewußt hatte. und wurde vou da an der erbitterste Feind der Negie¬
rung. Er war meist ihr Bundesgenosse, ihr Vertreter gewesen. Er kannte ihre
Geheimnisse, und mißhandelt und verachtet von seinen frühern Freunde», ließ
er seiner Rache freien Lauf. Er lüftete den Vorhang, hinter dem er so oft
gestanden, und rief: Corruption! Schon Andere vor ihm hatten diesen Ton
angeschlagen; aber sie waren nicht so tief eingeweiht, wie der Besitzer der Presse
und Erbe der Evoque, Erst seine Geständnisse gaben diesem Rufe eine festere
Richtung. Alle Oppositionen und auch die jungen Progrcssistcn stimmten mit ein.
Die Regierung hatte mit einem: eilen! aus alle Rcformfragen geantwortet;
die Opposition erwiederte jetzt einstimmig: Corruption! Es ist nur Zufall, daß
gerade in diesem Augenblick die Geschichte der Minen von Gouhenans halbwegs
offen gelegt wurde; aber es war nicht Zufall, daß alle Geguer der Regierung
sich die größte Mühe gaben, dieselbe vollkommen an's Tageslicht zu ziehen. Der
Anstoß war gegeben, die öffentliche Meinung folgte ihm, und so traten alle Tage
neue Geschichtchen hervor, die zuletzt bis zum Präsidenten des Ministerrathes
hinaufreichten.
Ganz Frankreich sah verwundert, aufs Tiefste gedemüthigt zu, als so die
schwärzeste Seite der Iuliregierung vor aller Welt offengelegt wurde. Herr
v. Lamartine traf das Wort, wenn er sagte: „^a Trance «'nett-isle!"
Das Ergebniß der Session ist also einfach: „Eine Regierung, die, nachdem
sie siebzehn Jahre für Ruhe und Ordnung gekämpft hatte, und dabei stets durch¬
schimmern ließ, daß wenn erst Ruhe und Ordnung einmal fest gesichert, auch die
Zeit der friedlichen Verbesserung kommen werde, endlich an diesem Ziele ange¬
langt, die bescheidcndsten Forderungen mit einem einfachen: Rion abweißt." —
„Eine Opposition, die an dem konstitutionellen Erfolge verzweifelnd, ihre Gegner
von hinten angreist, und dann freilich bei diesem Angriffe auf eine so schwache
Seite stößt, daß die ganze Beste, die man in siebzehn Jahren aufbaute, beim
ersten Sturme bis in ihre Fundamente wankt." — „Ein Volk, das erstaunt,
verwundert, verletzt, gedemüthigt Einzelne seiner ersten und hochgestelltesten
Männer auf deu niedrigsten und gewissenlosesten Schwindeleien ertappt sieht."
lind — nun die Julifeste!
Ist es nöthig, das Gefühl zu schildern, mit dem heute die Mehrzahl der
Franzosen an die Kampftage von 1830, an die Hoffnungen, die in jenen Tagen
wie mit Händen greifbar vor ihnen standen, denken werden! Die Negierung hat
in diesem Jahre noch größere Vorsichtsmaßregeln als sonst gewöhnlich bei solchen
Festen genommen. Sie bekundet hierdurch uur, daß sie wohl ahndet, was den
öffentlichen Geist Frankreichs anregt. Wir wollen hoffen, daß sie sich geirrt,
wenn sie einen offenbaren Angriff, eine „Emeute" befürchtet. Eine „siegreiche
Emeute ist noch noch keine Revolution!" — wenn auch die französische Partei¬
auffassung das Gegentheil behaupten mag. Die Masse der Franzosen weiß heute,
daß zu einer Revolution noch etwas anderes gehört, als eine glückliche Emeute.
Ja, die Art, wie die Julirevolution umgeschlagen, die Art, wie sie nach sieb¬
zehn Jahren zu einer Session, wie der eben geschlossenen führen konnte, läßt
die Mehrzahl aller denkenden Leute nur um so vorsichtiger vor jedem neuen ge¬
waltsamen Versuche zurücktreten. Die Julirevolution war eine Revo-
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