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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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sich leicht nach England verpflanzen ließe, und dieser ist -- das Rauchen!
Hoffentlich wird sie nicht viele Nachahmerinnen haben! Leider aber ist sie
nicht ohne Vorgängerinnen, die Geschmack daran gefunden haben, denn es
gibt mehrere Damen (natürlich sind es Genies und keine gemeine Seelen)
die sich rühmen, mit großem Vergnügen zu rauchen. Es muß schrecklich
schön aussehen, wenn sie an einem Sommerabend die Mücke" wegblasen.
Hätte Diogena es einmal damit versucht, vielleicht würde ihr die Zeit we¬
niger lang geworden sein! --

Thomas Carlyle hat mich abgemahnt, Berichte über Jenny Lind an
die deutschen Zeitschriften zu senden; so will ich nur so viel bemerken,
daß die so hoch gefeierte Sängerin noch hier ist, aber mit Nächstem nach
Manchester abgehen wird, wo man schon seit Wochen die Billete für ihre
Vorstellungen mit Zy Shilling eingelöst hat. Mau sängt an zu entdecken,
daß die nordische Nachtigall kein Muster der Vollkommenheit sei, und daß
man ungerecht gewesen, ihretwegen die reine Grisi ganz in den Schatten
zu stellen. Nun will man das Begangene vergüten, und die unterdrückte
Unschuld für die erlittene Zurücksetzung entschädigen. Lady Essex (früher
selbst Schauspielerin) warf ihr neulich ein prächtiges Armband auf die Bühne,
das sie gleich anlegte und dann nach der Stelle hin, von woher es gekom¬
men, sich dankend auf das graziöseste verneigte. Diese kleine Aufmerksamkeit
soll ihr einen wohlthuenden Balsam in das erbitterte Herz geträufelt haben.
Jenny geht indessen auch nicht leer aus und findet der Bewunderer viele,
d. h. solche, die ihr noch festere Bande anlegen möchten, als ein goldenes
Armband ist. -- Andersen steht jetzt auf der Liste. Die Fama sagt aber
nicht, wie weit seine Reise hierher erfolgreich gewesen. Sollte es indessen
auch sein, daß die Seufzer nach seiner Nachtigall hier nicht minder unge-
hört und unerhört verhallten, als am Sund, so bietet sich wenigstens ein
Ersatz in der Hauptstadt Albions, ans dem sich Etwas macheu ließe.
Dem dänischen Tasso fehlt es durchaus nicht an Leonoren, und sein für
Liebe und Bewunderung empfängliches Herz fühlt sich seltsam hin und her¬
gezwackt, zwischen den Schwarzen und Blonden, den diuo-stocKinAs und den
Sentimentalen. Wenn Freiligrath ihm nicht zum Ariost wird, kann dieser
Kampf zu einem schönen Siegeskranze führen. -- Während der Dichter auf
diese Weise von dem Gegenstande seines Suchens abgezogen wird, erscheint
Lumley, der Theaterdirector, in der Arena, und man meint, die Nachtigall
flattere schon mit hängenden Flügeln. Er muß sich hüten, sie verstummen
zu lassen. Jenny benimmt sich im Uebrigen gegen andere Künstler, beson-


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sich leicht nach England verpflanzen ließe, und dieser ist — das Rauchen!
Hoffentlich wird sie nicht viele Nachahmerinnen haben! Leider aber ist sie
nicht ohne Vorgängerinnen, die Geschmack daran gefunden haben, denn es
gibt mehrere Damen (natürlich sind es Genies und keine gemeine Seelen)
die sich rühmen, mit großem Vergnügen zu rauchen. Es muß schrecklich
schön aussehen, wenn sie an einem Sommerabend die Mücke» wegblasen.
Hätte Diogena es einmal damit versucht, vielleicht würde ihr die Zeit we¬
niger lang geworden sein! —

Thomas Carlyle hat mich abgemahnt, Berichte über Jenny Lind an
die deutschen Zeitschriften zu senden; so will ich nur so viel bemerken,
daß die so hoch gefeierte Sängerin noch hier ist, aber mit Nächstem nach
Manchester abgehen wird, wo man schon seit Wochen die Billete für ihre
Vorstellungen mit Zy Shilling eingelöst hat. Mau sängt an zu entdecken,
daß die nordische Nachtigall kein Muster der Vollkommenheit sei, und daß
man ungerecht gewesen, ihretwegen die reine Grisi ganz in den Schatten
zu stellen. Nun will man das Begangene vergüten, und die unterdrückte
Unschuld für die erlittene Zurücksetzung entschädigen. Lady Essex (früher
selbst Schauspielerin) warf ihr neulich ein prächtiges Armband auf die Bühne,
das sie gleich anlegte und dann nach der Stelle hin, von woher es gekom¬
men, sich dankend auf das graziöseste verneigte. Diese kleine Aufmerksamkeit
soll ihr einen wohlthuenden Balsam in das erbitterte Herz geträufelt haben.
Jenny geht indessen auch nicht leer aus und findet der Bewunderer viele,
d. h. solche, die ihr noch festere Bande anlegen möchten, als ein goldenes
Armband ist. — Andersen steht jetzt auf der Liste. Die Fama sagt aber
nicht, wie weit seine Reise hierher erfolgreich gewesen. Sollte es indessen
auch sein, daß die Seufzer nach seiner Nachtigall hier nicht minder unge-
hört und unerhört verhallten, als am Sund, so bietet sich wenigstens ein
Ersatz in der Hauptstadt Albions, ans dem sich Etwas macheu ließe.
Dem dänischen Tasso fehlt es durchaus nicht an Leonoren, und sein für
Liebe und Bewunderung empfängliches Herz fühlt sich seltsam hin und her¬
gezwackt, zwischen den Schwarzen und Blonden, den diuo-stocKinAs und den
Sentimentalen. Wenn Freiligrath ihm nicht zum Ariost wird, kann dieser
Kampf zu einem schönen Siegeskranze führen. — Während der Dichter auf
diese Weise von dem Gegenstande seines Suchens abgezogen wird, erscheint
Lumley, der Theaterdirector, in der Arena, und man meint, die Nachtigall
flattere schon mit hängenden Flügeln. Er muß sich hüten, sie verstummen
zu lassen. Jenny benimmt sich im Uebrigen gegen andere Künstler, beson-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/191>, abgerufen am 01.09.2024.