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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Friedrich II. gesagt hatte: "Meiner Ansicht nach sind die Eier um so besser,
je frischer sie sind." Der König selbst schlug mit Ungeduld an seinen De¬
gen. -- S. 25. -- Und so begann die Schlacht, die so unheilvoll endete.
Vorwärts! ist ein Zauberwort, das die überirdischen Machte nur denen
leihen, die auch in anderer Beziehung ihre Freunde sind. Der Fehler
Blücher's im Jahre 1806 war 1813 das Losungswort aller Siege. Die
Zeiten ändern sich und die Menschen mit ihnen. Blücher freilich war derselbe
geblieben, aber Alles um ihn anders geworden. Bonaparte würde zehn
Jahre vor der Revolution eben so zu früh gekommen sein, als Blücher acht
Jahre vor der Schlacht bei Leipzig zu früh kam, und Napoleon hatte sich
zehn Jahre später eben so verspätet, wie Blücher zehn Jahre nach der
Schlacht bei Leipzig in Preußen ein Vorwurf gegen alles Bestehende wem

Mein Führer begleitete mich dann zum Grabe des edeln Herzogs, zeigte
mir, wie er hier in Ottcnsee neben dem Dichter des Messias liege, neben
Klopstock, dessen vaterländische Wünsche stets der Freiheit und der
Einheit Germaniens gelten, die der Herzog thatsächlich herzustellen
sich Verlorne Mühe gegeben hatte.

Wunderbar: "Freiheit und Einheit Germaniens?" Schon
18l)8? Gedruckt in Paris? das reine Einer. Das war der Same, der
damals in Preußen durch den Sturmwind der Eroberung von einzelnen
männlichen Bäumen abgeschüttelt, weiter getragen wurde, und erst wieder
einzelne Bäume und zuletzt den ganzen Wald befruchtete.


3.

"Dort sitzt der Prinz Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Ingelfingen,
Generallieutenant der Infanterie; rechts neben ihm der Prinz Louis Ferdi¬
nand von Preußen." -- Mein Führer wußte von ihnen eine Menge Anec-
doten, oft ganz pikanter Art; aber sie hatten meist Etwas von dem Gifte
der alten Jungfern oder alten Junggesellen, die den Kaffee nicht mehr ver¬
dauen können, ohne ein wenig Verleumdung in ihre Galle zu gießen.

Dort in der Fensternische stehen der Generallieutenant von Geusau,
Chef des Gcneralstabes; und neben ihm der Generaladjutant von Kleist.
-- Weiter unten sitzt der Großmarschall von Möllendorf, Gouverneur von
Berlin. Auf den war mein Führer sehr böse zu sprechen. Er klagte ihn
vor Allem an, daß er achtzig Jahre alt sei. Das ist nun freilich kein
Hochverbrechen; aber es ist doch etwas Wahres an der Sache. Die fran¬
zösischen Heere waren sämmtlich von jungen Leuten geführt. Und so schloß
man ziemlich allgemein, daß junge Leute vor allem zu commandirenden Ge-


Friedrich II. gesagt hatte: „Meiner Ansicht nach sind die Eier um so besser,
je frischer sie sind." Der König selbst schlug mit Ungeduld an seinen De¬
gen. — S. 25. — Und so begann die Schlacht, die so unheilvoll endete.
Vorwärts! ist ein Zauberwort, das die überirdischen Machte nur denen
leihen, die auch in anderer Beziehung ihre Freunde sind. Der Fehler
Blücher's im Jahre 1806 war 1813 das Losungswort aller Siege. Die
Zeiten ändern sich und die Menschen mit ihnen. Blücher freilich war derselbe
geblieben, aber Alles um ihn anders geworden. Bonaparte würde zehn
Jahre vor der Revolution eben so zu früh gekommen sein, als Blücher acht
Jahre vor der Schlacht bei Leipzig zu früh kam, und Napoleon hatte sich
zehn Jahre später eben so verspätet, wie Blücher zehn Jahre nach der
Schlacht bei Leipzig in Preußen ein Vorwurf gegen alles Bestehende wem

Mein Führer begleitete mich dann zum Grabe des edeln Herzogs, zeigte
mir, wie er hier in Ottcnsee neben dem Dichter des Messias liege, neben
Klopstock, dessen vaterländische Wünsche stets der Freiheit und der
Einheit Germaniens gelten, die der Herzog thatsächlich herzustellen
sich Verlorne Mühe gegeben hatte.

Wunderbar: „Freiheit und Einheit Germaniens?" Schon
18l)8? Gedruckt in Paris? das reine Einer. Das war der Same, der
damals in Preußen durch den Sturmwind der Eroberung von einzelnen
männlichen Bäumen abgeschüttelt, weiter getragen wurde, und erst wieder
einzelne Bäume und zuletzt den ganzen Wald befruchtete.


3.

„Dort sitzt der Prinz Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Ingelfingen,
Generallieutenant der Infanterie; rechts neben ihm der Prinz Louis Ferdi¬
nand von Preußen." — Mein Führer wußte von ihnen eine Menge Anec-
doten, oft ganz pikanter Art; aber sie hatten meist Etwas von dem Gifte
der alten Jungfern oder alten Junggesellen, die den Kaffee nicht mehr ver¬
dauen können, ohne ein wenig Verleumdung in ihre Galle zu gießen.

Dort in der Fensternische stehen der Generallieutenant von Geusau,
Chef des Gcneralstabes; und neben ihm der Generaladjutant von Kleist.
— Weiter unten sitzt der Großmarschall von Möllendorf, Gouverneur von
Berlin. Auf den war mein Führer sehr böse zu sprechen. Er klagte ihn
vor Allem an, daß er achtzig Jahre alt sei. Das ist nun freilich kein
Hochverbrechen; aber es ist doch etwas Wahres an der Sache. Die fran¬
zösischen Heere waren sämmtlich von jungen Leuten geführt. Und so schloß
man ziemlich allgemein, daß junge Leute vor allem zu commandirenden Ge-


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[0142] Friedrich II. gesagt hatte: „Meiner Ansicht nach sind die Eier um so besser, je frischer sie sind." Der König selbst schlug mit Ungeduld an seinen De¬ gen. — S. 25. — Und so begann die Schlacht, die so unheilvoll endete. Vorwärts! ist ein Zauberwort, das die überirdischen Machte nur denen leihen, die auch in anderer Beziehung ihre Freunde sind. Der Fehler Blücher's im Jahre 1806 war 1813 das Losungswort aller Siege. Die Zeiten ändern sich und die Menschen mit ihnen. Blücher freilich war derselbe geblieben, aber Alles um ihn anders geworden. Bonaparte würde zehn Jahre vor der Revolution eben so zu früh gekommen sein, als Blücher acht Jahre vor der Schlacht bei Leipzig zu früh kam, und Napoleon hatte sich zehn Jahre später eben so verspätet, wie Blücher zehn Jahre nach der Schlacht bei Leipzig in Preußen ein Vorwurf gegen alles Bestehende wem Mein Führer begleitete mich dann zum Grabe des edeln Herzogs, zeigte mir, wie er hier in Ottcnsee neben dem Dichter des Messias liege, neben Klopstock, dessen vaterländische Wünsche stets der Freiheit und der Einheit Germaniens gelten, die der Herzog thatsächlich herzustellen sich Verlorne Mühe gegeben hatte. Wunderbar: „Freiheit und Einheit Germaniens?" Schon 18l)8? Gedruckt in Paris? das reine Einer. Das war der Same, der damals in Preußen durch den Sturmwind der Eroberung von einzelnen männlichen Bäumen abgeschüttelt, weiter getragen wurde, und erst wieder einzelne Bäume und zuletzt den ganzen Wald befruchtete. 3. „Dort sitzt der Prinz Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Ingelfingen, Generallieutenant der Infanterie; rechts neben ihm der Prinz Louis Ferdi¬ nand von Preußen." — Mein Führer wußte von ihnen eine Menge Anec- doten, oft ganz pikanter Art; aber sie hatten meist Etwas von dem Gifte der alten Jungfern oder alten Junggesellen, die den Kaffee nicht mehr ver¬ dauen können, ohne ein wenig Verleumdung in ihre Galle zu gießen. Dort in der Fensternische stehen der Generallieutenant von Geusau, Chef des Gcneralstabes; und neben ihm der Generaladjutant von Kleist. — Weiter unten sitzt der Großmarschall von Möllendorf, Gouverneur von Berlin. Auf den war mein Führer sehr böse zu sprechen. Er klagte ihn vor Allem an, daß er achtzig Jahre alt sei. Das ist nun freilich kein Hochverbrechen; aber es ist doch etwas Wahres an der Sache. Die fran¬ zösischen Heere waren sämmtlich von jungen Leuten geführt. Und so schloß man ziemlich allgemein, daß junge Leute vor allem zu commandirenden Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/142>, abgerufen am 01.09.2024.