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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Bild von der Einheit des Geistes und der Natur, über die sich viele Denker,
z. B. Faust, abgequält haben. Goethe war noch ein junger Student, als er dies
geistreiche, aber etwas langweilige Gedicht schrieb; hätte er den Satz von der
Identität gekannt, so würde er den Mephistopheles besser geschildert haben, als
die transcendental wurmförmige Bewegung ans sich und in sich, und Faust wäre,
auch ohne die Beihülfe der Englein, nimmermehr vom Teufel geholt.


Feuköttn.
2.
Uebersicht der Wirksamkeit des preußischen Centrallcmdtagcs.

Camphausen hat seinen Committenten in Köln einen Bericht eingereicht,
in welchem er die Thätigkeit des preußischen Landtages in ihrem Zusammenhange
zu erklären und zu rechtfertigen versucht. Es wäre von Interesse, wenn das von
mehreren Seiten geschähe, denn es würden dann theils die Prinzipien, die be¬
wußt oder unbewußt die einzelnen Mitglieder in ihren: Verfahren geleitet, zum
Vorschein kommen, theils würde man sich auch über das vermeinte Resultat dieser
Versammlung etwas näher auszusprechen genöthigt sehen.

Sie wissen, daß ich gleich nach dem Schlüsse der Adreßdcbatte den Landtag
aufgab und ihm die Fähigkeit absprach, zur Herstellung des gesetzlichen Verhält-
nisses etwas wesentliches beizutragen. Es hatten sich zu Anfang zwei Parteien
gebildet, von denen die eine erklärte, sie ginge unbedingt und vertrauensvoll ans
die neue Verfassung ein, und wollte, was etwa in alten Rechten noch enthalten
sei, nicht auf dem Wege des Rechts, sondern der Bitte verfolgen; während die
andere eine nur bedingte Annahme zugestehen wollte. Keine von beiden Par¬
teien hatte den Muth ihrer Meinung; sie vereinigten sich zu einer wunderlichen
Fassung, in der mau in demselben Augenblick aus seine Rechte pochte, wo man
sie factisch aufgab. Die Krone, in allen Phasen des ständischen Kampfes durch¬
aus loyal und entschieden, erklärte, dies Festhalten am Rechtsboden zü billigen,
denn dieser Rechtsboden sei eben die königliche Gesetzgebung vom 3. Februar.

Zweite Phase. Die Opposition will einen Protest dagegen, den 138 Mit¬
glieder unterzeichnet, zum Beschluß der zweiten Curie erheben. Dieser Protest,
den aber mehrere Mtuntcrzeichncr in seiner Schärfe desavouiren, indem sie ihn
nicht Protest nennen wollen, sondern "Weg der Verständigung," wird aus for¬
mellen Gründen zurückgewiesen, weil die Kammer sich mir mit Propositionen,
Bitten und Beschwerden, nicht aber mit Protesten zu befassen habe. Der Protest
von 138 Deputirten, die im Uebrigen nach wie vor an dem neuen ständischen
Wesen Theil nahmen, erlangt also keine staatsrechtliche Gültigkeit.

Dazwischen eine unerquickliche, aber zeitraubende Debatte über die Ge¬
schäftsordnung, die sich im Ganzen ans ziemlich gleichgültige Dinge bezieht und
anch hier zu keinem Resultat führt.

Dritte Phase. Können wir wohl petitivniren, sagt die Rechtspartei, um
Dinge, die unser Recht sind? -- Wir können es, nämlich so: wir bitten den
König, das Recht, was wir haben, anzuerkennen, und in Folge dieser Anerken¬
nung den entsprechenden factischen Zustand eintreten zu lassen. In dieser Form


Bild von der Einheit des Geistes und der Natur, über die sich viele Denker,
z. B. Faust, abgequält haben. Goethe war noch ein junger Student, als er dies
geistreiche, aber etwas langweilige Gedicht schrieb; hätte er den Satz von der
Identität gekannt, so würde er den Mephistopheles besser geschildert haben, als
die transcendental wurmförmige Bewegung ans sich und in sich, und Faust wäre,
auch ohne die Beihülfe der Englein, nimmermehr vom Teufel geholt.


Feuköttn.
2.
Uebersicht der Wirksamkeit des preußischen Centrallcmdtagcs.

Camphausen hat seinen Committenten in Köln einen Bericht eingereicht,
in welchem er die Thätigkeit des preußischen Landtages in ihrem Zusammenhange
zu erklären und zu rechtfertigen versucht. Es wäre von Interesse, wenn das von
mehreren Seiten geschähe, denn es würden dann theils die Prinzipien, die be¬
wußt oder unbewußt die einzelnen Mitglieder in ihren: Verfahren geleitet, zum
Vorschein kommen, theils würde man sich auch über das vermeinte Resultat dieser
Versammlung etwas näher auszusprechen genöthigt sehen.

Sie wissen, daß ich gleich nach dem Schlüsse der Adreßdcbatte den Landtag
aufgab und ihm die Fähigkeit absprach, zur Herstellung des gesetzlichen Verhält-
nisses etwas wesentliches beizutragen. Es hatten sich zu Anfang zwei Parteien
gebildet, von denen die eine erklärte, sie ginge unbedingt und vertrauensvoll ans
die neue Verfassung ein, und wollte, was etwa in alten Rechten noch enthalten
sei, nicht auf dem Wege des Rechts, sondern der Bitte verfolgen; während die
andere eine nur bedingte Annahme zugestehen wollte. Keine von beiden Par¬
teien hatte den Muth ihrer Meinung; sie vereinigten sich zu einer wunderlichen
Fassung, in der mau in demselben Augenblick aus seine Rechte pochte, wo man
sie factisch aufgab. Die Krone, in allen Phasen des ständischen Kampfes durch¬
aus loyal und entschieden, erklärte, dies Festhalten am Rechtsboden zü billigen,
denn dieser Rechtsboden sei eben die königliche Gesetzgebung vom 3. Februar.

Zweite Phase. Die Opposition will einen Protest dagegen, den 138 Mit¬
glieder unterzeichnet, zum Beschluß der zweiten Curie erheben. Dieser Protest,
den aber mehrere Mtuntcrzeichncr in seiner Schärfe desavouiren, indem sie ihn
nicht Protest nennen wollen, sondern „Weg der Verständigung," wird aus for¬
mellen Gründen zurückgewiesen, weil die Kammer sich mir mit Propositionen,
Bitten und Beschwerden, nicht aber mit Protesten zu befassen habe. Der Protest
von 138 Deputirten, die im Uebrigen nach wie vor an dem neuen ständischen
Wesen Theil nahmen, erlangt also keine staatsrechtliche Gültigkeit.

Dazwischen eine unerquickliche, aber zeitraubende Debatte über die Ge¬
schäftsordnung, die sich im Ganzen ans ziemlich gleichgültige Dinge bezieht und
anch hier zu keinem Resultat führt.

Dritte Phase. Können wir wohl petitivniren, sagt die Rechtspartei, um
Dinge, die unser Recht sind? — Wir können es, nämlich so: wir bitten den
König, das Recht, was wir haben, anzuerkennen, und in Folge dieser Anerken¬
nung den entsprechenden factischen Zustand eintreten zu lassen. In dieser Form


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/134>, abgerufen am 01.09.2024.