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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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stotterte einige Worte des Dankes für die gnädige Strafe und der Gebieter
verließ, an den Jägern, die straff dastanden, die Hand an den Tschako ge¬
legt, vorüberschreitend, die Stube. Eine Minute später tanzte eine Laterne
durch das Buschwerk und hallte der Hufschlag dnrch die stille Nacht.

Karl war in Verzweiflung über sein Urtheil -- zur großen Verwun¬
derung seiner Kameraden, die es noch überaus milde fanden. "Du hast
noch Glück bei alle dem," versicherte der Oberjäger, "ich ginge gleich nach
Jvhannisbrnnn, das ist die beste Station im ganzen Gebirge, dahin ver¬
setzt zu werdeu, ist eher eine Belohnung als eine Strafe!"

Karl war aber anderer Meinung lind saß die drei Tage stumm und
traurig in der Stube. Er wurde, da er sich in seiner Einsamkeit mit nichts
Anderem beschäftigte, als mit der schönen Tochter des Paschhampels, immer
verliebter und sehnsüchtiger. Endlich schlug die Stunde der Erlösung, er
packte seine Sachen zusammen und nahm Abschied von seinen Kameraden,
die ihn beneideten. Er ging noch des Abends fort, aber statt des geraden
Weges an der Baude des Paschhampel vorbei. Im Gebüsch legte er sein
Bündel ab und schlich so nahe als möglich an das Haus. Drinn war Alles
still -- er kam bis an die Thür des Bodens, und, während er zögerte, sie
zu öffnen, vernahm er nahes Geräusch. Sogleich warf er sich platt auf
das Dach und horchte. Der Paschhampel war's, der aus dem Hanse trat,
erst stille stand und vorsichtig umhersah, dann aber leichten Ganges in's
Gebirge hinaufstieg. Er hatte nichts als seinen eisenbeschlagenen Stock in
der Hand, und der Grcnzjäger verlor ihn nach wenig Augenblicken aus dem
Gesichte. Nun versuchte Karl die Thüre aufzumachen, sie war innen durch
einen Holzriegel verschlossen. Er wagte nicht zu klopfen, ging in's Gebüsch
zurück und beschloß deu Morgen zu erwarten, vielleicht konnte er Pepi noch
sehen. Die Nächte sind auch im heißen Sommer in dein hohen Gebirge
kühl und feucht -- es schüttelte und fröstelte ihn tüchtig, aber die Liebe
siegte über Thau und Zugwind und so sah er die Sterne verblassen und
den Morgen hcrandämmcrn. Seine Wache ward belohnt -- der Tag graute
kaum, so öffnete sich die Thüre und Pepi im Hemde und Leinenkittel, mit
aufgelöstem Haar, trat heraus und ging zum Brunnen. Sie hatte Heu
umzuwenden und das mußte frühe geschehen, denn die Paschhamplin hatte
es ihr schon gestern aufgetragen. Karl schlich sich heran und gab ein Zei¬
chen -- Pepi schaute auf und wollte schrei'n, da erkannte sie den Jäger
und blieb stille stehen, bis er zu ihr herankam.

"Ich hab' die ganze Nacht im Freien gelegen, Pepi," flüsterte er ihr
zu und faßte ihre Hände, "weil ich geglaubt hab', daß ich Dich scheu werde!


stotterte einige Worte des Dankes für die gnädige Strafe und der Gebieter
verließ, an den Jägern, die straff dastanden, die Hand an den Tschako ge¬
legt, vorüberschreitend, die Stube. Eine Minute später tanzte eine Laterne
durch das Buschwerk und hallte der Hufschlag dnrch die stille Nacht.

Karl war in Verzweiflung über sein Urtheil — zur großen Verwun¬
derung seiner Kameraden, die es noch überaus milde fanden. „Du hast
noch Glück bei alle dem," versicherte der Oberjäger, „ich ginge gleich nach
Jvhannisbrnnn, das ist die beste Station im ganzen Gebirge, dahin ver¬
setzt zu werdeu, ist eher eine Belohnung als eine Strafe!"

Karl war aber anderer Meinung lind saß die drei Tage stumm und
traurig in der Stube. Er wurde, da er sich in seiner Einsamkeit mit nichts
Anderem beschäftigte, als mit der schönen Tochter des Paschhampels, immer
verliebter und sehnsüchtiger. Endlich schlug die Stunde der Erlösung, er
packte seine Sachen zusammen und nahm Abschied von seinen Kameraden,
die ihn beneideten. Er ging noch des Abends fort, aber statt des geraden
Weges an der Baude des Paschhampel vorbei. Im Gebüsch legte er sein
Bündel ab und schlich so nahe als möglich an das Haus. Drinn war Alles
still — er kam bis an die Thür des Bodens, und, während er zögerte, sie
zu öffnen, vernahm er nahes Geräusch. Sogleich warf er sich platt auf
das Dach und horchte. Der Paschhampel war's, der aus dem Hanse trat,
erst stille stand und vorsichtig umhersah, dann aber leichten Ganges in's
Gebirge hinaufstieg. Er hatte nichts als seinen eisenbeschlagenen Stock in
der Hand, und der Grcnzjäger verlor ihn nach wenig Augenblicken aus dem
Gesichte. Nun versuchte Karl die Thüre aufzumachen, sie war innen durch
einen Holzriegel verschlossen. Er wagte nicht zu klopfen, ging in's Gebüsch
zurück und beschloß deu Morgen zu erwarten, vielleicht konnte er Pepi noch
sehen. Die Nächte sind auch im heißen Sommer in dein hohen Gebirge
kühl und feucht — es schüttelte und fröstelte ihn tüchtig, aber die Liebe
siegte über Thau und Zugwind und so sah er die Sterne verblassen und
den Morgen hcrandämmcrn. Seine Wache ward belohnt — der Tag graute
kaum, so öffnete sich die Thüre und Pepi im Hemde und Leinenkittel, mit
aufgelöstem Haar, trat heraus und ging zum Brunnen. Sie hatte Heu
umzuwenden und das mußte frühe geschehen, denn die Paschhamplin hatte
es ihr schon gestern aufgetragen. Karl schlich sich heran und gab ein Zei¬
chen — Pepi schaute auf und wollte schrei'n, da erkannte sie den Jäger
und blieb stille stehen, bis er zu ihr herankam.

„Ich hab' die ganze Nacht im Freien gelegen, Pepi," flüsterte er ihr
zu und faßte ihre Hände, „weil ich geglaubt hab', daß ich Dich scheu werde!


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[0107] stotterte einige Worte des Dankes für die gnädige Strafe und der Gebieter verließ, an den Jägern, die straff dastanden, die Hand an den Tschako ge¬ legt, vorüberschreitend, die Stube. Eine Minute später tanzte eine Laterne durch das Buschwerk und hallte der Hufschlag dnrch die stille Nacht. Karl war in Verzweiflung über sein Urtheil — zur großen Verwun¬ derung seiner Kameraden, die es noch überaus milde fanden. „Du hast noch Glück bei alle dem," versicherte der Oberjäger, „ich ginge gleich nach Jvhannisbrnnn, das ist die beste Station im ganzen Gebirge, dahin ver¬ setzt zu werdeu, ist eher eine Belohnung als eine Strafe!" Karl war aber anderer Meinung lind saß die drei Tage stumm und traurig in der Stube. Er wurde, da er sich in seiner Einsamkeit mit nichts Anderem beschäftigte, als mit der schönen Tochter des Paschhampels, immer verliebter und sehnsüchtiger. Endlich schlug die Stunde der Erlösung, er packte seine Sachen zusammen und nahm Abschied von seinen Kameraden, die ihn beneideten. Er ging noch des Abends fort, aber statt des geraden Weges an der Baude des Paschhampel vorbei. Im Gebüsch legte er sein Bündel ab und schlich so nahe als möglich an das Haus. Drinn war Alles still — er kam bis an die Thür des Bodens, und, während er zögerte, sie zu öffnen, vernahm er nahes Geräusch. Sogleich warf er sich platt auf das Dach und horchte. Der Paschhampel war's, der aus dem Hanse trat, erst stille stand und vorsichtig umhersah, dann aber leichten Ganges in's Gebirge hinaufstieg. Er hatte nichts als seinen eisenbeschlagenen Stock in der Hand, und der Grcnzjäger verlor ihn nach wenig Augenblicken aus dem Gesichte. Nun versuchte Karl die Thüre aufzumachen, sie war innen durch einen Holzriegel verschlossen. Er wagte nicht zu klopfen, ging in's Gebüsch zurück und beschloß deu Morgen zu erwarten, vielleicht konnte er Pepi noch sehen. Die Nächte sind auch im heißen Sommer in dein hohen Gebirge kühl und feucht — es schüttelte und fröstelte ihn tüchtig, aber die Liebe siegte über Thau und Zugwind und so sah er die Sterne verblassen und den Morgen hcrandämmcrn. Seine Wache ward belohnt — der Tag graute kaum, so öffnete sich die Thüre und Pepi im Hemde und Leinenkittel, mit aufgelöstem Haar, trat heraus und ging zum Brunnen. Sie hatte Heu umzuwenden und das mußte frühe geschehen, denn die Paschhamplin hatte es ihr schon gestern aufgetragen. Karl schlich sich heran und gab ein Zei¬ chen — Pepi schaute auf und wollte schrei'n, da erkannte sie den Jäger und blieb stille stehen, bis er zu ihr herankam. „Ich hab' die ganze Nacht im Freien gelegen, Pepi," flüsterte er ihr zu und faßte ihre Hände, „weil ich geglaubt hab', daß ich Dich scheu werde!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/107>, abgerufen am 27.07.2024.