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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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haben es gesehen, der Wenzel, die Anne , es ist kein Hund im Schlosse, der
das nicht weiß!"

Karl öffnete bei diesen Worten die Thüre, die aus dein Garten ins
Schloß führte und stieg die Treppe zur Gewehrkammer des Barons hinauf,
die wirklich reich und mit vortrefflichen Waffen ausgestattet war. Theodor
wählte die erste Doppelflinte, die ihm der Jäger darbot und bemerkte in
seiner Gemüthsbewegung nicht, daß dieser mit einem boshaften Lächeln fragte:
"diese hier? ich will sie gleich ausputzen und laden!"-- In heftiger Stim¬
mung kehrte er auf seine Stube zurück -- die Worte des Jägers wäre"
ihm zentnerschwer aufs Herz gefallen.

Die arme Betel hatte mittlerweile ihren Eltern von dem eben überstan-
denen Aerger erzählt, ihr neues Verhältniß zu Theodor verschämt mitgetheilt
und war namentlich vou der Mutter höchlich belobt worden, daß sie die Liebschaft
mit dein Jäger aufgegeben habe. Aber so oft sie auch hinter den Fuchsien
und dem Blutblatt, das in grünen Töpfen in den Doppelfenstern prangte,
nach dein Schloßgarten hinsah - war es immer umsonst. Theodor kam
nicht und uach eiuer langen Stunde schickte sie sich unmuthig zur Rückkehr
an. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, warum Theodor nicht gekommen
sei und ging sogleich unter irgend einem Vorwande nach der Stube der
jungen Herren. Theodor war wieder ausgegangen und lief zwischen den
hohen kreischenden Pappeln umher, welche den Teich neben dem Schlosse
einfaßten und zu beiden Seiten des Fahrweges standen. Er besann sich,
daß ihm Betel auf der Reise mehrfache Andeutungen gemacht, daß sie so
verlegen und befangen gewesen sei, als sie mit dem Jäger im Wirthshause
zusammengetroffen -- das Schicksal zog durch alle seiue rosig gaukelnden
Träume einen häßlichen schwarzen Strich.

Als er seine Wanderung um den Teich beendigt hatte, nöthigte ihn
der rauhe pfeifende Wind, der sich erhob und alle Wipfel rauschend hin und
herschwenkte, zur Rückkehr. Als er in seine Stube trat, faud er Betel
nachdenklich an seinem Schreibtische sitzend. Bei seinem Eintritte erhob sie
sich und eilte auf ihn zu --- er blieb unschlüssig mit finsterer Stirn in der
Thüre stehen. Aber das kluge Mädchen hatte den wahren Zusammenhang
nach kurzem Nachdenken errathen und ohne sich an die gerunzelte Stirn zu
kehren, nahm sie ihn bei der Hand und zog ihn neben sich auf deu Divan.
Theodor hatte sich unter den rauschenden Pappeln eine Anrede ausstudirt,
die von vernichtender Wirkung hätte sein müssen, wenn ihn Betel dazu kom¬
men ließ, sie zu halte".

"Ich weiß schon, der Karl hat mich bei Ihnen verklatscht," fing sie an,


haben es gesehen, der Wenzel, die Anne , es ist kein Hund im Schlosse, der
das nicht weiß!"

Karl öffnete bei diesen Worten die Thüre, die aus dein Garten ins
Schloß führte und stieg die Treppe zur Gewehrkammer des Barons hinauf,
die wirklich reich und mit vortrefflichen Waffen ausgestattet war. Theodor
wählte die erste Doppelflinte, die ihm der Jäger darbot und bemerkte in
seiner Gemüthsbewegung nicht, daß dieser mit einem boshaften Lächeln fragte:
„diese hier? ich will sie gleich ausputzen und laden!"— In heftiger Stim¬
mung kehrte er auf seine Stube zurück — die Worte des Jägers wäre»
ihm zentnerschwer aufs Herz gefallen.

Die arme Betel hatte mittlerweile ihren Eltern von dem eben überstan-
denen Aerger erzählt, ihr neues Verhältniß zu Theodor verschämt mitgetheilt
und war namentlich vou der Mutter höchlich belobt worden, daß sie die Liebschaft
mit dein Jäger aufgegeben habe. Aber so oft sie auch hinter den Fuchsien
und dem Blutblatt, das in grünen Töpfen in den Doppelfenstern prangte,
nach dein Schloßgarten hinsah - war es immer umsonst. Theodor kam
nicht und uach eiuer langen Stunde schickte sie sich unmuthig zur Rückkehr
an. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, warum Theodor nicht gekommen
sei und ging sogleich unter irgend einem Vorwande nach der Stube der
jungen Herren. Theodor war wieder ausgegangen und lief zwischen den
hohen kreischenden Pappeln umher, welche den Teich neben dem Schlosse
einfaßten und zu beiden Seiten des Fahrweges standen. Er besann sich,
daß ihm Betel auf der Reise mehrfache Andeutungen gemacht, daß sie so
verlegen und befangen gewesen sei, als sie mit dem Jäger im Wirthshause
zusammengetroffen — das Schicksal zog durch alle seiue rosig gaukelnden
Träume einen häßlichen schwarzen Strich.

Als er seine Wanderung um den Teich beendigt hatte, nöthigte ihn
der rauhe pfeifende Wind, der sich erhob und alle Wipfel rauschend hin und
herschwenkte, zur Rückkehr. Als er in seine Stube trat, faud er Betel
nachdenklich an seinem Schreibtische sitzend. Bei seinem Eintritte erhob sie
sich und eilte auf ihn zu --- er blieb unschlüssig mit finsterer Stirn in der
Thüre stehen. Aber das kluge Mädchen hatte den wahren Zusammenhang
nach kurzem Nachdenken errathen und ohne sich an die gerunzelte Stirn zu
kehren, nahm sie ihn bei der Hand und zog ihn neben sich auf deu Divan.
Theodor hatte sich unter den rauschenden Pappeln eine Anrede ausstudirt,
die von vernichtender Wirkung hätte sein müssen, wenn ihn Betel dazu kom¬
men ließ, sie zu halte«.

„Ich weiß schon, der Karl hat mich bei Ihnen verklatscht," fing sie an,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/74>, abgerufen am 03.07.2024.