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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ihres Schützlings zu stimmen. Das mitgebrachte Wildpret wurde nun rasch
verzehrt, der Kutscher und Karl mußten eben so eilig zu Mittag essen und
dann wurde abgefahren. Karl bestieg mit sichtbarem Ingrimm den Kutsch¬
bock -- Betel, die es vermieden hatte, auch nur ein Wort mit ihm zu
reden, die ihm sogar sichtlich ausgewichen war, hatte seine waidMännische
Eifersucht rege gemacht, nur wußte er noch nicht, wer ihn verdrängt habe.
Er hatte einen seiner Prager Kollegen in Verdacht und war doppelt wü¬
thend, daß er seinen Zorn nicht an ihm auslassen konnte: dazu drei Meilen
in der Kälte auf dem Bock zu sitzen -- das war zu viel des Unglücks ans
einmal! Als er sich beim Hinausfahren noch einmal umwendete, sah er,
Wie Betel dem Hofmeister die Hand bot: nun war ihm Alles klar. -- "Also
der? himmeltausendsakerment!" --Er wäre gern vom Bock gesprungen, aber
die Schecken, denen Wenzel in seiner Ungeduld, Anne wiederzusehen, einen
tüchtigen Schmitz gab, rannten wie besessen davon und entführten ihn mit
seinem Zorne. Betel war das Herz um eine Centnerlast leichter geworden --
das erste gefürchtete Wiedersehen mit dem .entlassenen Liebhaber war glücklich
vorübergegangen, nun hatte sie gewonnenes Spiel. Obwohl Horsa, der
struppige Hosknecht von der Herrschaft den gemessenen Auftrag erhalten hatte,
die Braunen volle drei Stunden ausruhen zu lassen, bewog ihn Betel doch
durch einige Gläser Bier, eine Stunde früher aufzubrechen, und die Zeit lieber
durch langsames Fahren einzubringen; denn vor sechs Stunden durfte er es
nicht wagen, auf dem Schlosse zurück zu sein. Der Baron war ein Hyp-
pophile von so reinem Wasser , wie Wilberforce ein Negrophile war, die
Braunen waren zudem seine Staatspferde und nahmen nach Frau und Kind
den ersten Platz in seinem Herzen ein. Die Wirthin setzje sich zu Betel,
die ungeduldig am Fenster stand, während Theodor den Horsa zur Eile trieb.

"Na, Jungfer Betinka!" begann sie mit strahlendem Lächeln, "wie Hat
es Ihnen denn in Prag gefallen? ich war auch schon einigemal dort, das
letztemal vor zehn Jahren zuJohauui!" -- "Es hat mir sehr gefallen, Frau
Wvtipka!" -- "Das kann man sich denken, aber was ist denn das für,ein
schöner Jüngling, den Sie mitgebracht haben?" -- "Der neue Hofmeister
des-Herrn Barons!" -- "Hofmeister? so! ein hübscher Mensch," Jungfer
Betinka steht so jung und so blaß aus -- aber schelmische Augen hat §r,
he!" Die Vettel kicherte dabei und sah Betel selbst sehr schelmisch an. -
"Der Herr Karl hat sich die Augen aus dem Kopfe gesehen, drei Stunden
hat er hier mit dem gnädigen Herrn gewartet!"

Die Betel ärgerte sich im Stillen über das boshafte We ib , aber sie
bemühte sich, möglichst gleichgültig zu bleiben. Da machte Theodor der


ihres Schützlings zu stimmen. Das mitgebrachte Wildpret wurde nun rasch
verzehrt, der Kutscher und Karl mußten eben so eilig zu Mittag essen und
dann wurde abgefahren. Karl bestieg mit sichtbarem Ingrimm den Kutsch¬
bock — Betel, die es vermieden hatte, auch nur ein Wort mit ihm zu
reden, die ihm sogar sichtlich ausgewichen war, hatte seine waidMännische
Eifersucht rege gemacht, nur wußte er noch nicht, wer ihn verdrängt habe.
Er hatte einen seiner Prager Kollegen in Verdacht und war doppelt wü¬
thend, daß er seinen Zorn nicht an ihm auslassen konnte: dazu drei Meilen
in der Kälte auf dem Bock zu sitzen — das war zu viel des Unglücks ans
einmal! Als er sich beim Hinausfahren noch einmal umwendete, sah er,
Wie Betel dem Hofmeister die Hand bot: nun war ihm Alles klar. — „Also
der? himmeltausendsakerment!" —Er wäre gern vom Bock gesprungen, aber
die Schecken, denen Wenzel in seiner Ungeduld, Anne wiederzusehen, einen
tüchtigen Schmitz gab, rannten wie besessen davon und entführten ihn mit
seinem Zorne. Betel war das Herz um eine Centnerlast leichter geworden —
das erste gefürchtete Wiedersehen mit dem .entlassenen Liebhaber war glücklich
vorübergegangen, nun hatte sie gewonnenes Spiel. Obwohl Horsa, der
struppige Hosknecht von der Herrschaft den gemessenen Auftrag erhalten hatte,
die Braunen volle drei Stunden ausruhen zu lassen, bewog ihn Betel doch
durch einige Gläser Bier, eine Stunde früher aufzubrechen, und die Zeit lieber
durch langsames Fahren einzubringen; denn vor sechs Stunden durfte er es
nicht wagen, auf dem Schlosse zurück zu sein. Der Baron war ein Hyp-
pophile von so reinem Wasser , wie Wilberforce ein Negrophile war, die
Braunen waren zudem seine Staatspferde und nahmen nach Frau und Kind
den ersten Platz in seinem Herzen ein. Die Wirthin setzje sich zu Betel,
die ungeduldig am Fenster stand, während Theodor den Horsa zur Eile trieb.

„Na, Jungfer Betinka!" begann sie mit strahlendem Lächeln, „wie Hat
es Ihnen denn in Prag gefallen? ich war auch schon einigemal dort, das
letztemal vor zehn Jahren zuJohauui!" — „Es hat mir sehr gefallen, Frau
Wvtipka!" — „Das kann man sich denken, aber was ist denn das für,ein
schöner Jüngling, den Sie mitgebracht haben?" — „Der neue Hofmeister
des-Herrn Barons!" — „Hofmeister? so! ein hübscher Mensch," Jungfer
Betinka steht so jung und so blaß aus — aber schelmische Augen hat §r,
he!" Die Vettel kicherte dabei und sah Betel selbst sehr schelmisch an. -
„Der Herr Karl hat sich die Augen aus dem Kopfe gesehen, drei Stunden
hat er hier mit dem gnädigen Herrn gewartet!"

Die Betel ärgerte sich im Stillen über das boshafte We ib , aber sie
bemühte sich, möglichst gleichgültig zu bleiben. Da machte Theodor der


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[0064] ihres Schützlings zu stimmen. Das mitgebrachte Wildpret wurde nun rasch verzehrt, der Kutscher und Karl mußten eben so eilig zu Mittag essen und dann wurde abgefahren. Karl bestieg mit sichtbarem Ingrimm den Kutsch¬ bock — Betel, die es vermieden hatte, auch nur ein Wort mit ihm zu reden, die ihm sogar sichtlich ausgewichen war, hatte seine waidMännische Eifersucht rege gemacht, nur wußte er noch nicht, wer ihn verdrängt habe. Er hatte einen seiner Prager Kollegen in Verdacht und war doppelt wü¬ thend, daß er seinen Zorn nicht an ihm auslassen konnte: dazu drei Meilen in der Kälte auf dem Bock zu sitzen — das war zu viel des Unglücks ans einmal! Als er sich beim Hinausfahren noch einmal umwendete, sah er, Wie Betel dem Hofmeister die Hand bot: nun war ihm Alles klar. — „Also der? himmeltausendsakerment!" —Er wäre gern vom Bock gesprungen, aber die Schecken, denen Wenzel in seiner Ungeduld, Anne wiederzusehen, einen tüchtigen Schmitz gab, rannten wie besessen davon und entführten ihn mit seinem Zorne. Betel war das Herz um eine Centnerlast leichter geworden — das erste gefürchtete Wiedersehen mit dem .entlassenen Liebhaber war glücklich vorübergegangen, nun hatte sie gewonnenes Spiel. Obwohl Horsa, der struppige Hosknecht von der Herrschaft den gemessenen Auftrag erhalten hatte, die Braunen volle drei Stunden ausruhen zu lassen, bewog ihn Betel doch durch einige Gläser Bier, eine Stunde früher aufzubrechen, und die Zeit lieber durch langsames Fahren einzubringen; denn vor sechs Stunden durfte er es nicht wagen, auf dem Schlosse zurück zu sein. Der Baron war ein Hyp- pophile von so reinem Wasser , wie Wilberforce ein Negrophile war, die Braunen waren zudem seine Staatspferde und nahmen nach Frau und Kind den ersten Platz in seinem Herzen ein. Die Wirthin setzje sich zu Betel, die ungeduldig am Fenster stand, während Theodor den Horsa zur Eile trieb. „Na, Jungfer Betinka!" begann sie mit strahlendem Lächeln, „wie Hat es Ihnen denn in Prag gefallen? ich war auch schon einigemal dort, das letztemal vor zehn Jahren zuJohauui!" — „Es hat mir sehr gefallen, Frau Wvtipka!" — „Das kann man sich denken, aber was ist denn das für,ein schöner Jüngling, den Sie mitgebracht haben?" — „Der neue Hofmeister des-Herrn Barons!" — „Hofmeister? so! ein hübscher Mensch," Jungfer Betinka steht so jung und so blaß aus — aber schelmische Augen hat §r, he!" Die Vettel kicherte dabei und sah Betel selbst sehr schelmisch an. - „Der Herr Karl hat sich die Augen aus dem Kopfe gesehen, drei Stunden hat er hier mit dem gnädigen Herrn gewartet!" Die Betel ärgerte sich im Stillen über das boshafte We ib , aber sie bemühte sich, möglichst gleichgültig zu bleiben. Da machte Theodor der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/64>, abgerufen am 26.06.2024.